Aus der Sicht eines Rollstuhlfahrers Aus der Sicht eines Rollstuhlfahrers: Wie barrierefrei ist Bitterfeld-Wolfen?

Bitterfeld - Mit welchen Problemen sind die beiden Rollstuhlfahrer Falko Söllner aus Bitterfeld und Marco Troitzsch aus Wolfen konfrontiert? Welche anderen alltäglichen Hürden haben sie zu meistern und wie lebt es sich damit in der Doppelstadt?
Beide sitzen im Rollstuhl und beiden ist es wichtig, trotzdem mobil und selbstständig zu sein. „Wir möchten uns eigentlich gar nicht als Rollstuhlfahrer sehen“, erzählt Falko Söllner. Doch werden beide oft in ihrer Mobilität eingeschränkt.
Innenstadt von Bitterfeld: Viele Geschäfte nicht ohne Hilfe zu erreichen
„Pfützen, Pflastersteine und Löcher auf den Gehwegen sind für uns unangenehm beim Fahren“, erzählt Marco Troitzsch, der aus Wolfen stammt. Beide sind trotzdem mit der Barrierefreiheit in Bitterfeld-Wolfen zufrieden. Gefährliche Problemstellen fallen ihnen auf Anhieb nicht ein. An manchen Stellen sind sie aber gezwungen, nach Hilfe zu fragen. „Uns wäre lieber, wir müssten das nicht tun“, bemerkt der Wolfener.
Viele Geschäfte in dem Ortsteil Bitterfeld haben eine Stufe, manche sind sogar nur über eine Treppe erreichbar. „Sowas schaffen wir nicht alleine. Da brauchen wir immer Hilfe“, erklärt Troitzsch. „Es gibt auch Gebäude, da kommen wir aber nicht mal mit Hilfe rein.“ Beide müssen deswegen immer genau überlegen, wo sie sich mit Freunden treffen oder Einkaufen gehen.
„Es ist schwierig in der Innenstadt Geschäfte zu finden, die barrierefrei sind. Wir müssen meist immer zu Supermärkten außerhalb der Innenstadt fahren“, erzählt der Bitterfelder Falko Söllner.
Mobilität mit Zug und Auto nur mit Abstrichen
Marko Troitzsch fährt viel mit Bus und Zug. „Auf dem Bitterfelder Bahnhof muss ich aber immer jemanden um Hilfe bitten.“ Es ist schwierig für ihn, in die Züge ein- und auszusteigen.
„Der Bahnsteig ist dafür viel zu niedrig“, erklärt der Wolfener. Nicht nur in Bitterfeld, auch auf den Bahnhöfen in Jeßnitz und Greppin stößt er auf diese Probleme. „Ich schaue mich meist vorher schon immer mal um, wen ich bitten könnte, mir zu helfen.“ Auf Ablehnung sei er bisher noch nicht gestoßen. „Die Menschen sind eigentlich immer sehr hilfsbereit.“
Falko Söllner fährt dagegen lieber mit dem Auto. Das musste für ihn aber vorher extra umgebaut werden. „Sowas ist teuer. Ältere Autos werden deshalb gar nicht erst umgebaut. Wir sind gezwungen, uns immer einen Neuwagen zu kaufen“, erklärt Söllner, der lange nach einem schon umgebauten Gebrauchtwagen gesucht hat, aber kein Glück hatte.
Am praktischsten sei für ihn ein Kombi. „Da passt der Rollstuhl am besten rein. Aber auch einen Sportwagen könnte man rollstuhlgerecht umbauen lassen“, erzählt Söllner schmunzelnd.
In die Wohnung nur mit Fahrstuhl
Auch die Wohnungssuche ist für Rollstuhlfahrer in Bitterfeld-Wolfen schwierig. „Ich musste zwei Jahre auf eine barrierefreie Wohnung warten“, berichtet Falko Söllner. Das Problem daran sei, dass viele Wohnungen zwar einen Fahrstuhl haben, aber dieser meist nachträglich von außen angebaut wurde.
„Das führt dazu, dass bei Regen manchmal die Elektronik des Fahrstuhls ausfällt“. Beide sind schon mehrmals im Fahrstuhl stecken geblieben. „Oder wir sind gar nicht erst in unserer Wohnungen gekommen, da diese oft nur über die Fahrstühle zugänglich sind. Und wenn die ausfallen, haben wir ein Problem“, erklärt Söllner weiter.
Spezieller Sport für Rollstuhlfahrer
Beiden ist Sport wichtig. „Ich habe aber sehr lange nach einer sportlichen Freizeitbeschäftigung gesucht. Es ist leider schwierig, in der Region spezielle Angebote für Rollstuhlfahrer zu finden“, bedauert Söllner.
Seit ein paar Jahren sind beide aber im Rollstuhltanzclub anzutreffen. Dort tanzen sie mit fünf anderen Rollstuhlfahrern über Standard bis zu Lateinamerikanischen Tänzen. „Das macht Spaß, man kommt raus und lernt neue Menschen kennen“. (mz)
