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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Wie Vandalen in einem Bäckerladen

Von SILKE UNGEFROREN 16.08.2010, 17:37

BITTERFELD/MZ. - Was an jenem frühen Morgen vorgegangen sein mag in den Angestellten und ihrem Chef in der Bäckerei, das kann man nur erahnen. Auf die Frage des Richters, ob so etwas schon einmal vorgefallen sei, schüttelt die Verkäuferin nur mit dem Kopf. Die beiden fremden Männer "haben sich aufgeführt wie die Vandalen", sagt Richter Hubert Grätz nach seinem Urteilsspruch. Und dass dies keine Übertreibung ist, wird auch dem Zuhörer mehr als deutlich.

Zu elf und neun Monaten Freiheitsentzug auf Bewährung wurden der 24-jährige H. und der ein Jahr ältere S. vor dem Bitterfeld-Wolfener Amtsgericht verurteilt. Gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr wird ihnen zur Last gelegt. Und die Beweisaufnahme lässt keine Zweifel daran, dass es sich so abgespielt hat, wie die Zeugen es schildern.

Es ist der 28. Dezember 2009, früh kurz nach sechs. Ein junger Mann kommt mit dem Auto von der Nachtschicht und ist auf dem Weg in eine Jeßnitzer Bäckerei - wie so oft, wenn er um diese Zeit von der Arbeit kommt. Da bemerkt er plötzlich das Auto hinter sich, das dicht aufgefahren ist und Lichthupe gibt. "Die haben es vielleicht eilig", denkt er sich nichts dabei. Als er an einer Kreuzung anhalten muss, wird ihm etwas zugerufen aus dem hinteren Auto. Noch immer ist er sich keiner Schuld bewusst.

Doch der BMW bleibt hinter ihm bis zu besagter Bäckerei. Vor dem Geschäft geht es dann auch gleich "zur Sache". Die beiden Angeklagten werfen dem jungen Mann vor, er habe ihnen die Vorfahrt genommen - einer von beiden beginnt ihn ins Gesicht zu schlagen. Daraus wird später eine Schwellung. Im Laden geht das Ganze weiter. Die Verkäuferin will schlichten, versucht auch, den jungen Mann zu schützen - "doch keine Chance", sagt sie als Zeugin vor Gericht.

Schließlich ruft sie den Gesellen, der wiederum ruft den Chef, und beide eilen in den Laden. "Ich habe die Leute gleich des Geschäftes verwiesen", sagt der Bäckermeister. Doch als die beiden Angreifer dem nicht nachkommen, greift er zum Telefon, um die Polizei zu rufen.

Daraufhin begeben sich die Täter hinter den Verkaufstresen, um sich jetzt um den Meister "zu kümmern". Auch er bekommt Schläge ins Gesicht - ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma wird der Arzt später diagnostizieren. Und schließlich wird auch der Geselle nicht verschont: Er bekommt einen Kopfstoß. Der Verkäuferin gelingt es schließlich doch, die Polizei zu alarmieren. Doch ehe die Beamten eintreffen, sind die beiden weg.

Kurze Zeit später werden sie jedoch von der Besatzung eines Streifenwagens gestellt. Gefahren wird der BMW da von dem 25-Jährigen, dem laut Aussage eines Polizisten, schon anzusehen ist, dass er Alkohol getrunken hat. 2,63 Promille ist das Ergebnis der Blutentnahme. Auch bei dem anderen Täter, dem das Auto gehört und der es auf dem Weg zur Bäckerei gefahren haben soll, wird Blut entnommen: 2,06 Promille lautet hier der Wert.

Einen Verteidiger haben die beiden nicht. Im Großen und Ganzen räumen sie die Taten ein - nur bestreitet der 24-Jährige, auf der Hinfahrt am Steuer gesessen zu haben. Das allerdings wird eindeutig widerlegt von einer Zeugin, die an diesem Morgen ebenfalls auf dem Weg zum Bäcker war und H. zufällig kennt. Sie sah, dass er fuhr.

An die Geschehnisse im Laden wollen sich die beiden nicht mehr so recht erinnern können und schieben das dem Alkoholkonsum zu. Das allerdings wird ihnen nicht abgenommen. So spricht Oberamtsanwältin Claudia Hülßner als Anklagevertreterin von der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau von einer sehr zielgerichteten Handlungsweise. Und von einer erheblichen kriminellen Energie, die beide an den Tag gelegt hätten. Wobei es bei einer gemeinschaftlichen Handlung nicht darauf ankomme, wer welchen "Schlag gesetzt" hat.

Dass das Strafmaß dennoch unterschiedlich ausfällt, liegt am Bundeszentralregister, das für S. keine Einträge anzeigt. H. hingegen ist 2001 und 2003 schon wegen Körperverletzung in Erscheinung getreten - allerdings ohne Strafen. "Sie haben sich in dieser Bäckerei ein trauriges Denkmal gesetzt", wendet sich Richter Grätz in seiner Urteilsbegründung an die Angeklagten. "Und wären Sie vorbestraft, hätte es keine Bewährung mehr gegeben."

Die Bewährungszeit beträgt zwei Jahre. H. muss zudem 750 Euro an den Wolfener DRK-Ortsverein zahlen und ist seine Fahrerlaubnis - sein Führerschein wurde im April eingezogen - für ein weiteres Jahr los. Für S., dessen Führerschein am Tattag eingezogen wurde, darf auch das nächste halbe Jahr nicht ans Steuer. Er hat 200 Stunden gemeinnützige Arbeit abzuleisten, und beide müssen die Arztrechnung des Bäckereichefs bezahlen.