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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Urlaub im Industrierevier

Von ULF ROSTALSKY 25.07.2011, 16:51

BITTERFELD/MZ. - Der Wohnwagen steht, das Vorzelt muss noch aufgebaut werden. "Das wird", gibt sich Jens Gühne zuversichtlich. Sein ganzer Stolz ist die Leinwandvilla. Auch wenn er mit Frau Katrin und Sohnemann Benjamin zaubern muss. Die Sachsen aus Radebeul haben sich das Zelt gerade angeschafft. "Und noch nie richtig aufgebaut", wie sie ohne Umschweife sagen. Doch fertig werden muss alles ziemlich schnell. Im Goitzsche-Camp in Bitterfeld wollen Gühnes drei Wochen Urlaub machen. "Und ich schlafe garantiert nicht draußen."

Jungspund Benjamin setzt auf Tempo, nicht auf Hektik. "Wir wollen uns erholen", sagt er, während Mutter Katrin in Sachen Urlaub im Industrierevier auf Überraschung setzt. "Wir kennen das alles noch aus DDR-Zeiten", erzählt sie, bringt den Begriff Dreckloch aufs Tableau. Jetzt jedoch wollen die Sachsen Sport, Geschichte und Kultur auf einem Fleck genießen. Mit dem Rad fahren, baden, Leipzig und Halle anschauen. "Wir liegen ideal für solche Vorhaben", meint Goitzche-Camp-Chefin Beate Köppe. Autobahn, Zug, Natur, Innenstadt: alles sei da, jeder könne nach seiner Fasson glücklich werden.

Beate Köppe merkt, dass sie mit einem solchen Angebot immer besser punkten kann. Die Besucherzahlen steigen. Auch wenn das Camp längst noch nicht seinen Endzustand erreicht hat. 212 Stellflächen für Zelt und Wohnwagen soll es hier in absehbarer Zeit geben. Stück für Stück, ohne hektische Betriebsamkeit. Das schätzen auch die jetzt schon an der Goitzsche heimisch gewordenen Dauercamper. Es gebe einfach viel mehr Möglichkeiten als zu Hause, ist der ambitionierte Freizeitsportler Michael Brade überzeugt.

Das Haus in Landsberg verlassen der begeisterte Radfahrer und Ehefrau Kathrin vor allen Dingen an den Wochenenden. Das ganze Jahr über setzen sie auf Erholung an der Goitzsche. Schwitzen im Hochsommer, haben allerdings auch helle Freude an einem knackig kalten Winter. "Minus 20 Grad, Schnee und Sturm: das war hier wie auf einer Polarstation."

Michael Brade ist angekommen an der Goitzsche und findet im Leipziger Thomas Steffen einen Fürsprecher. Auch der setzt auf den einstigen Tagebau und paddelt mit Tochter Paula eine erste Runde. "Früher haben wir gesagt, dass unser Stellplatz am Bernsteinsee ist. Das klang gut, hat die Leute hierher gelockt. Heute sagen wir, dass wir in Bitterfeld campen. Das hält den Ansturm in Grenzen."

Camper sind direkt und zu Scherzen aufgelegt. Die unverkrampfte Art lieben sie. Sie finden zusammen, fachsimpeln, beobachten und schmunzeln. "Irgendwann kommt jemand und hilft", weiß auch Jens Gühne, der mit der ganzen Familie noch immer am Vorzelt bastelt und mit Peter Thiemicke einen echten Bitterfeld-Wolfener als Nachbarn hat. Der redet sich in Rage, blickt er Richtung Wasser und holt zum verbalen Rundumschlag aus. "Die Goitzsche ist doch so groß. Warum muss das genau hier entstehen?" Thiemickes Dorn im Auge ist das seit geraumer Zeit eingezäunte Gelände direkt am Wasser. Nicht, dass er an der Notwendigkeit eines Anlegers für die Fahrgastschifffahrt zweifele. Auch glaubt er, dass ein Schiff immer mal aus dem Wasser muss, um inspiziert zu werden. "Aber direkt vor dem Campingplatz? Das macht das hier alles kaputt. Der ganze Reiz des Platzes ist dann hin."

Peter Thiemicke ist verärgert über Planer, die so etwas überhaupt erst möglich gemacht hätten. "Das hätte doch wirklich woanders hingekonnt." Das Thema ist aktuell auf dem Campingplatz, der mit einer Mischung aus Ruhe und Geselligkeit auftrumpfen kann. Die Camper sind eine Familie, Gäste von außerhalb aber dennoch willkommen. Man schaut, schmunzelt über mehr oder weniger vorhandenes handwerkliches Geschick, schließt Freundschaften. "Uns hat das hier wirklich gefallen. Das war richtige Erholung", halten Ute Greiner, Sabine Schlausch und Elke Merseburger mit ihrer Begeisterung für Camp und Goitzsche nicht hinter dem Berg. Die drei Schwestern aus Thüringen haben Familien-Kurzurlaub in Bitterfeld gemacht und gehören zur Gruppe derer, denen eine Schnuppernacht auf dem Platz nicht reichte. "Das merken wir öfter. Leute fahren von der Autobahn runter, wollen nur übernachten, sehen dann den See, den Wald. Die bleiben länger oder kommen wieder." Beate Köppe ist froh darüber, dass Urlaub im Industrierevier immer mehr ankommt. Und Gühnes aus Radebeul haben ihr Vorzelt aufgestellt. "Jetzt kommt die Erholung."