Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Ufervertrag steht wieder zur Diskussion
Bitterfeld/Friedersdorf/MZ. - Nach der Offenbarung auf dem Goitzsche-Forum im April, dass der Ufervertrag in seiner Form kein rechtsverbindliches Regelwerk ist und dem folgenden Aufschrei in der Öffentlichkeit, hat auf seiner jüngsten Tagung der Wirtschaftsausschuss des Stadtrates Bitterfeld-Wolfen das Thema noch einmal aufgegriffen.
Vor allem Egbert Gueinzius, Rechtsanwalt und Stadtrat (Pro Wolfen) zeigte sich überrascht über die tatsächliche Bedeutung: "Aus juristischer Sicht kommt es mir vor wie ein Etikettenschwindel, wenn dieses Papier Vertrag heißt", so Gueinzius, worauf eine hitzige Diskussion entbrannte. "Die B-Pläne überarbeiten", war zu hören. "Alles hatte sein Richtigkeit", hieß es andererseits.
Worüber im jüngsten Ausschuss diskutiert wurde, hat seine Auslöser allerdings in längst vergangener Zeit. Deshalb ist der Blick zurück bis ins Jahr 2001 unerlässlich.
Damals wurde erstmals ein Grundstück an der Goitzsche an Private verkauft. Es war genau jenes, auf dem derzeit die viel kritisierten sechs Ferienhäuschen des Unternehmers Ingo Jung am Pegelturm entstehen.
Verkauft wurde es im Jahr 2001 noch vom Zweckverband, bevor die Entwicklungs-, Betreiber- und Verwertungsgesellschaft (EBV) überhaupt gegründet wurde. Eine Ausschreibung wurde damals gemacht für eine Imbiss-Versorgung. Zwei Bewerber habe es gegeben: Andreas Beuster, dem Gründer der Seensucht, und Ingo Jung. "Den Zuschlag bekam Jung, weil er das überzeugendere Konzept für das Grundstück hatte", sagt Lars-Jörn Zimmer, derzeitiger Vorsitzender des Zweckverbandes, damaliges Stadtratsmitglied (CDU) und alter Bekannter von Jung. Außerdem habe man schnell einen Anfang machen müssen, um zu zeigen, dass es vorangeht.
Was er zurückhält, sagt ein anderer, der damals dabei war, aber seinen Namen nicht nennen will. "Dieses Grundstück wurde vor der Flurneuordnung verkauft." Das bedeutet, dass es auf den Plänen des Grundstücks noch keinen Uferweg gab, wie er heute ist. "Dies ist häufig vorgekommen. Im Regelfall wurde dann aber beim Verkauf ein Vermerk im Grundbuch vorgenommen, dass der Uferweg nach der Flurneuordnung der Gemeinde zurück zu geben ist." Auf diese sogenannte "Rückauflassungsvormerkung" habe man jedoch verzichtet.
Somit gehörte Ingo Jung der Uferweg und das Grundstück drumherum, bevor die EBV überhaupt gegründet wurde. Diese wurde erst im Jahr 2003 auf den Weg gebracht. Somit hat also der Zweckverband das Papier "Ufervertrag", das 2001 unterzeichnet wurde, selbst schon vor mehr als zehn Jahren außer Kraft gesetzt.
Heute gehört Jungs Grundstück zur Gemeinde Muldenstausee. Im Ausschuss sollte es eigentlich um die Bebauung auf dem Gebiet Bitterfeld-Wolfen gehen. Karsten Döring, Ortsbürgermeister von Friederdorf, der als Gast der Ausschusssitzung beiwohnte, betonte noch einmal, dass zu der damaligen Zeit die Gemeinde Muldestausee noch nicht existierte. Außerdem solle sich die Stadt Bitterfeld-Wolfen auf ihre Gebiete konzentrieren.
Schon vor sechs Jahren kam es auf einer Stadtratssitzung zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen dem damaligen Baudezernenten Eckbert Flämig und Stadtrat Lars-Jörn Zimmer, weil Zimmer nicht zugeben wollte, dass der Uferweg Jungs Eigentum ist.
Auch im jüngsten Ausschuss war von dieser Situation nichts zu hören. Flämig, der ebenfalls als Gast aufgetreten war, betonte noch einmal, dass von den rund 3 500 Metern Uferlinie in der Gemarkung Bitterfeld-Wolfen gerade einmal 84 Meter am Uferweg und 93 Meter an der Wasserlinie nicht begehbar seien.
Der Wirtschaftsausschuss möchte nun auf Empfehlung von Wolfgang Baronius (CDU), der die damaligen Bebauungspläne als Stadtrat mit verabschiedet hat, der Stadt nahlegen, die Inhalte des Ufervertrages auf andere Weise zum Beispiel über Gesetze aus dem Fischereirecht oder eine Änderung der B-Pläne durchzuführen. Oberbürgermeisterin Petra Wust (parteilos) lehnt diese Vorschläge ab. Im Gespräch mit der MZ betont sie, dass es viel zu teuer wäre, alle B-Pläne zu überarbeiten. "Außerdem können wir nicht Investoren vor den Kopf stoßen. Da erwarten uns viele Schadensersatzklagen." Für die 60-jährige bleibe die Diskussion um die Goitzsche eine unendliche Geschichte. Als Oberbürgermeisterin sei sie nur der Stadt Bitterfeld-Wolfen verpflichtet, als Aufsichtsratsmitglied der EBV einzig dem Unternehmen. "Der Zweckverband muss sich dem Thema annehmen."