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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Medizin aus erster Hand

Von ULF ROSTALSKY 07.10.2011, 16:23

BITTERFELD/MZ. - Mit sicherer Hand setzen Erika Zenger und Waltraud Müller ihre Nähte. "Ist wie früher im Handarbeitsunterricht." Die Frauen scherzen bei der Arbeit mit dem Lehrmaterial für Medizinstudenten und staunen über Tricks und Kniffe. Sie erleben Medizin hautnah. "Genau das wollen wir. Den Menschen die Ängste vor dem Krankenhaus nehmen und ihnen die Möglichkeiten unseres Klinikums aufzeigen", sagt Hans-Joachim Kluger. Der Ärztliche Direktor und promovierter Mediziner ist froh über den Ansturm an Besuchern.

Zu Hunderten nutzten die Besucher am Freitag das Angebot, hinter die Kulissen des Gesundheitszentrums zu schauen. Für Ronald Schulze, den Chefarzt der Radiologischen Klinik, ist die große Zahl Neugieriger so verwunderlich nicht. Patienten mit akuten Problemen hätten nun einmal wenig Muse, nach Behandlungsmethoden oder der Funktionsweise von Geräten zu fragen. "Heute nehmen sie sich bewusst Zeit."

Schulze führt die Besucher durch seine Klinik. Erzählt über Durchleuchtungsarbeitsplätze, CT und MRT. Es ist seine mit Fachbegriffen versehene Welt. Kassette, Film, Dunkelkammer waren einmal. Das digitale Zeitalter ist gegenwärtig, Aufnahmen können jederzeit auf den Bildschirm geholt werden. "Im gesamten Klinikum", bestätigt Schulze und lädt zur Proberunde an.

In drei Ebenen kann der Untersuchungstisch mit dem Patienten verschoben werden. Alltag für Schulze, neue Erfahrung für Pascal, den Zehnjährigen, für den der Tag der offenen Tür einer Abenteuerreise glich. In einem der OP-Säle demonstriert Oberarzt Ralf Linke, wie mittels Ultraschall präzise geschnitten und auch Blutungen gestillt werden können. "Patient" ist eine Schweineleber. Spielend leicht schneidet der Arzt, während Schwester Kati Krause am OP-Tisch die Vitalfunktionen eines anderen "Patienten" überwacht.

"Für viele findet die Operation doch nur da drüben statt", meint die Frau und blickt über das Tuch, das den Kopf des Patienten vom eigentlichen Geschehen mit Skalpell, Haken und Scheren trennt. Das Narkosegerät ist in Betrieb, Medikamente werden dosiert, Sauerstoff und Narkosegas kommen zum Einsatz. Auf dem Bildschirm erscheinen Puls, Blutdruck, Sauerstoffsättigung. Für viele Besucher ist es das erste Mal, dass sie das Operationsgeschehen als nächster Nähe verfolgen können. "Dem Patienten geht es gut", scherzt Kati Krause.

Den Luftballon als Kopfersatz ziert ein großes Smiley. Bei allem Ernst des Themas soll Medizin auch mit Spaß erlebbar sein. Was nicht durchweg für heile Welt stehen muss. Es sind auch die Tabuthemen, die in Bitterfeld zur Sprache kommen. Die Organspende zum Beispiel. Solveig Zawilla steht am Stand der Deutschen Stiftung Organtransplantation. Die 42-jährige Hallenserin will animieren, sich mit Organspende auseinanderzusetzen. "Wenigsten einmal drüber reden in der Familie. Sagen, was man selbst möchte und nicht die Entscheidung im Falle des Falles auf die Angehörigen abschieben", sagt die Frau, die nicht nur einen Organspenderausweis bei sich trägt. Solveig Zawilla hat ein neues Herz bekommen, lebt ihr Leben, hat das Herz als "meins" akzeptiert. Jeder könne in die Situation kommen und ein Organ benötigen, mahnt die Frau zum Nachdenken. Auch bei ihr ging am Ende alles schnell. Verschleppte Virusinfektion, Schwäche, Schlaganfall. "Das Herz hat geholfen." Es sind Worte, die wachrütteln sollen.

Ganz technisch geht es indes in der Küche und im Technikbereich das Klinikums zu. "Wir wollen auch die andere Seite zeigen, das Leben hinter dem klassischen Stationsalltag", erklärt Gesundheitszentrum-Pressesprecherin Elke Reifenscheid den Exkurs in die Welt von Versorgungsleitungen, Rohrpost, Kochgelegenheiten. Ein ganzes Räderwerk versetzt das Klinikum in Bewegung. Langsam rotiert der Untersuchungsstuhl. Dreht schneller, bremst nach Minuten abrupt ab. Das Auge des Patienten sucht nach einem Bezugspunkt. "Alles im Normbereich", lautet die Nachricht von Assistenzarzt Eric Foltys in der Klinik für Hals- Nasen-Ohren-Heilkunde zum Gleichgewichtssinn. "Schön zu wissen", bestätigt das Ehepaar Weigert und hat die nächste Station im Blick. Die Labordiagnostik bietet die Möglichkeit eines kleinen Blutbilds an. Mit Blutgruppe, Blutzuckerwert, Cholesterinspiegel. Medizin kommt hautnah daher. Ist erlebbar und ein Erlebnis.