Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Kleine Form trägt großen Inhalt
BITTERFELD/MZ. - Sie haben Bücher gewälzt und Prospekte gesammelt, Zeitungen studiert und aus denen neben allerhand Ideen vor allem grafische Elemente wie Schriften, Grafiken, Bilder herausgesucht. Und sie haben sich Gedanken gemacht - darüber, wie sie mit Hilfe dieser Elemente auf künstlerische Art eine Aussage treffen können. Diese Arbeiten der Schüler der elften Klassen des Heinrich-Heine-Gymnasiums Wolfen sind derzeit in der Galerie am Ratswall in Bitterfeld zu sehen. Galerist Ralph Becker hat für das Projekt das Kabinett zur Verfügung gestellt.
Entstanden sind die in Postkartenform, auch als mail-art bezeichneten, Arbeiten im Projekt "Kunstwelten", das die Akademie der Künste Berlin gemeinsam mit dem Bundesjugendministerium, dem Landkreis und der Stadt Bitterfeld-Wolfen, der Kreissparkasse und teilweise dem Kunstverein "Malerei und Grafik" an mehreren Schulen des Kreises durchführt. Im Gymnasium Wolfen inzwischen bereits zum vierten Mal. Einbezogen sind nahezu alle Bereiche der Kunst wie Malerei, Fotografie, Musik, Tanz, Theater, Literatur.
Die 16 Schüler, die sich im Kurs des Freitaler Künstlers Wolfgang Petrovsky, Leiter des Kunstvereins, und der Kunstlehrerinnen Elke Pollnow und Katharina Schimke ausprobiert haben, sind begeistert. "Das hat viel Spaß gemacht", sagt Anne Nentwig, "es war auf freiwilliger Basis. Ich hab das nicht bereut." Auch die anderen nicht, haben sie doch auf diese Art manche Entdeckung auch bei sich selbst gemacht und manche neue Erkenntnis gewonnen. Ein inhaltliches Thema für die Arbeiten nämlich war nicht vorgegeben. Und das war Absicht, jeder musste so also erstmal tief in sich hineinhorchen. "Sie haben den Bogen gespannt vom Intimsten bis hin zu gesellschaftlichen Problemen", erklärt Wolfgang Petrovsky. "Mir ging es darum, dass sich die Schüler darüber Gedanken machen: Was nervt oder ängstigt sie, was macht ihnen Mut?" Die Antworten sind vielgestaltig. Und die meisten haben einen politischen Inhalt. So hat Anne das Thema Aids in Afrika aufgegriffen. Franziska Krüger beschäftigte das Thema Täuschung. Die Zukunft ihrer Generation hat Lia Teresa Streiber in den Mittelpunkt gestellt, und Maria Hering stellt die Frage nach Gerechtigkeit in der Gesellschaft.
Begleitet wurde die Ausstellungseröffnung von drei jungen Musikern. Max Rosenthal, Tom Fleischer und Tino Seidler sind Mitglieder der Schulband "Diving Between Sharks". Auch sie waren eingetaucht in die "Kunstwelten". "Wir haben beim Improvisationsprojekt von Gerd Schenker mitgemacht", erklärt Max und ist noch immer begeistert. Dort konnten sie sich an verschiedenen Instrumenten ausprobieren. "Wir haben Geschichten in Tönen erzählt und quasi Bilder musikalisch gemalt. Das war schon Klasse."
Auch für die Lehrer, sagt Katharina Schinke, sei das Projekt "Kunstwelten" immer wieder spannend. Selbst für einen alten Hasen wie Petrovsky ist es das. "Das ist auch für mich noch ein Abenteuer und eine Herausforderung, die Spaß macht. Da schleicht sich keine Routine ein." Wichtig sei ihm aus künstlerischer Sicht die Arbeit an der Form, die Komposition des Bildes, gewesen. "Um einen Gedanken zu formulieren, muss man eine Form finden", sagt er.
Eigentlich könnten die vielen Collagen-Postkarten auf Reisen in die ganze Welt gehen - an Freunde, Verwandte, an Politiker. Denn sie alle haben eine Botschaft: Hier sind junge Leute, die Fragen stellen und sich einmischen, die sich nicht mit lauen Erklärungen zufrieden geben. Doch sind die Karten nicht zum Verschicken gedacht - obwohl das ursprünglich das Anliegen der aus Amerika stammenden mail-art war - sondern zum Anschauen. Und zum Nachdenken. "Nehmen wir diese kleinen Aufschreie ernst in einer schwierigen Welt", fordert Petrovsky.