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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Gründerzeit trifft auf Spätbarock

Von IRIS LADEMANN 18.11.2010, 17:43

LÖBERITZ/MZ. - "Schließlich soll die Orgel, übrigens eine der bekannten Zörbiger Orgelbauerfamilie Rühlmann, nach zwölfjähriger Pause erstmals am ersten Advent wieder erklingen." Orgelbauer Thomas Augustin ist sich seiner Verantwortung bewusst. Und deshalb nimmt er auch gern die Hilfe von Philip Rösel an. "Er ist der Sohn meines Chefs, der schon von Kindesbeinen an mit in der Werkstatt gestanden hat", möchte Augustin darauf verweisen, dass der 20-Jährige, der in diesem Jahr sein Abitur gemacht hat und sich bis zum Studium, nach eigenen Worten, eine Auszeit genommen habe, weiß, worauf es bei der Orgelsanierung ankommt, wie die Arbeitsabfolge ist.

Anfang des Jahres wurde die Saalfelder Orgelbauanstalt von Andreas Rösel, ein Vier-Mann-Team, mit der Restaurierung der Rühlmann-Orgel beauftragt. Doch bis dahin war es ein weiter Weg, erinnert sich die Vorsitzende des Gemeindekirchenrates, Heike Zogbaum. Sie holt etwas aus und hat den steten Kampf um die Erhaltung des Gotteshauses vor Augen. Trotzdem sei es in über 20 Jahren gelungen, die Löberitzer Kirche, die im neuromanischen / neugotischen Siel 1886 erbaut wurde und auf den Grundfesten einer kleineren Kirche von 1432 steht, wieder zu einem Schmuckstück zu machen.

Dass dies nur Stück für Stück ging, wie das Geld vorhanden war, versteht sich wohl von selbst, sagt Frau Zogbaum. So fand nicht nur die Holztonnendecke zu ihrem Ursprung zurück, nachdem das Dach des Kirchenschiffes neu gedeckt worden war, sondern der gesamte Fußboden wurde ebenfalls einer Schönheitskur unterzogen. Und nachdem dann auch noch das Gestühl aufgearbeitet worden war, an dem der Holzwurm teilweise schon ganze Arbeit geleistet hatte, stand nur noch die Restaurierung der Orgel an, die schon seit Jahren nicht mehr intakt war. "20 000 Euro sollte nach vorsichtigen Schätzungen die Restaurierung kosten", sagt Frau Zogbaum. Dass dieser Traum in Erfüllung gehen würde, bezeichnet die Kirchenfrau fast als ein Wunder. Fördergelder aus dem Orgelfonds der evangelischen Kirche Magdeburg, eine finanzielle Zuwendung durch die Stiftung der Kreissparkasse Anhalt-Bitterfeld, ganz viele Spenden von Firmen des Ortes und von Privatleuten, sowie Eigenmittel der Löberitzer Kirchengemeinde machten das Unmögliche möglich.

Und so begann Anfang des Jahres die Restaurierung der Rühlmann-Orgel, die hinter einem Baukörper älteren Daturms "verborgen" ist, durch das Team der Saalfelder Orgelbaufirma. "Zuerst haben wir die gesamte Technik ausgebaut und gesäubert", beginnt Augustin die einzelnen Arbeitsschritte zu erklären. Und setzt hinzu, das viele der rund 650 Pfeifen, die in der Saalfelder Werkstatt aufgearbeitet wurden, bereits ausgebaut worden waren. "Nicht ganz fachmännisch", setzt Augustin hinzu, was die Arbeit etwas erschwert habe, weil einige Pfeifen neu sortiert werden mussten. Da auch die Lederteile der Membranen komplett erneuert werden mussten - ebenfalls fast 650 Stück -, weil sie durch Umwelteinflüsse in den Jahren rissig und spröde geworden waren, haben sich die ursprünglichen Kosten von rund 20 000 Euro um weitere 4 000 Euro erhöht, die auch noch aufgebracht werden mussten. Doch auch das habe nach Aussage von Heike Zogbaum geklappt.

Gleich nachdem sämtliche Technik aus dem im Spätbarock entstandenen Prospekt der Orgel ausgebaut worden war, haben Vater und Sohn Zogbaum den Baukörper in den Originalfarben Gold und Weiß gestrichen, weiß Elvira Kobelt, die ebenso wie andere Gemeindemitglieder den Orgelbauern nicht selten über die Schulter schaut. "Wir freuen uns doch, wenn unsere Rühlmann-Orgel am ersten Advent wieder erklingt und die elektrische Orgel, die zur Überbrückung diente, nicht mehr gebraucht wird", sind sich die beiden Frauen einig. Jetzt werden Spieltechnik und Pfeifen wieder eingebaut, bevor es ans Stimmen und an die Feinabstimmung der Orgel geht. Doch das sei Chefsache, sagt Augustin, der bis dahin noch alle Hände voll zu tun hat.

Das Gros sei also gemacht. Und die Gottesdienste sowie Konzerte - jetzt wieder mit der "richtigen" Orgel - können nun wieder in einer Kirche stattfinden, die einfach nur schön sei. Doch auf den zweiten Blick hätten noch Generationen zu tun, meint Heike Zogbaum mit einem bedeutungsvollen Kopfnicken. Noch sei zwar der Glockenturm dicht, beginnt sie aufzuzählen. Doch irgendwann müsse er eine neue Eindeckung bekommen. Auch der Putz am Turm bröckle. Hier und da sei er bereits ausgebessert worden, doch das reiche auf Dauer nicht, ergänzt sie. Und wenn das alles gemacht sei, dann falle bestimmt schon wieder etwas Neues an. Bei einem schon recht betagten Gemäuer, meint sie, sei immer etwas zu tun.

Das Konzert auf der restaurierten Rühlmann-Orgel, die Kantor René Mangliers spielen wird, beginnt am 28. November um 16 Uhr. Vorher findet ein Festgottesdienst statt, der 14 Uhr beginnt.