Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Die wundersame Reise eines historischen Schrankes
RAMSIN/MZ. - Bei einem Ausflug nach Tangermünde, den Eberhard Zeunert, Leiter der Abteilung Triathlon und Ausdauersport der SG Chemie Wolfen, gemeinsam mit einigen Sportfreunden zur 1000-Jahr-Feier 1999 unternommen hatte, wurde der geschichtlich interessierte Zeunert bei einem Bummel durch die Altstadt in einem Geschäft auf einen Schrank aufmerksam. Dieser wurde dort zu Dekorationszwecken genutzt. "Turnverein Ramsin, gegründet am 5. Juni 1882, stand da zu lesen", gibt Zeunert seine Eindrücke von damals wieder.
Zu diesem Zeitpunkt habe er aber nicht mit Sicherheit sagen können, ob es sich um das Ramsin im Altkreis Bitterfeld handle oder ob es vielleicht in der Nähe von Tangermünde ebenfalls einen Ort gleichen Namens gibt. Trotzdem hat er seinen Freund Bernd Vetter gebeten, ein Foto zu machen. Vielleicht könne man etwas herausbekommen, so seine damaligen Überlegungen. Doch die schnelllebige Zeit hatte diese Gedankengänge rasch überholt.
Dieser Tage nun rückte durch einen Zufall dieser Umstand wieder ins Blickfeld des Bauleiters. Seine Firma, Erd- und Tiefbau Bitterfeld, ist seit November dabei, zwei Wohnblocks in Sandersdorf abzureißen. "Im Rahmen der Entkernung wird von uns unter anderem überprüft, ob sich vielleicht noch etwas in den Briefkästen befindet." Dabei fiel Zeunert ein Amtsblatt der damaligen Gemeinde Sandersdorf in die Hand - "Der Lindenstein" vom Juni 2004. "Beim Durchblättern bin ich auf einen Artikel gestoßen, in dem es darum ging, was vor 100 Jahren in der Zeitung stand", erzählt Zeunert.
Im besagten Beitrag war in einem Absatz auch von Ramsiner Vereinen die Rede. So habe im "Bitterfelder Tageblatt" vom Juni 1907 gestanden, dass am nächsten Sonntag der hiesige Turnverein, dessen Gründer der Rittergutsbesitzer Paul Schmidt gewesen sei, sein 25-jähriges Stiftungs-Fest feiern wird. "Da habe ich zurückgerechnet und bin darauf gekommen, dass der Verein demnach im Juni 1882 gegründet worden ist", sagt Zeunert. "Und deshalb bin ich mir jetzt sicher, dass der Schrank, den ich vor elf Jahren in Tangermünde entdeckt habe, mit hoher Wahrscheinlichkeit in Verbindung mit dem hiesigen Ramsin steht", klingt es wie ein kleiner Triumph. Doch hier enden die Recherchen von Zeunert. Denn er konnte sich beim besten Willen nicht mehr an den Namen des Geschäftes erinnern. Und deshalb habe er auch nicht herausfinden können, durch welche Umstände besagtes Möbelstück dort gelandet sei.
Die MZ ging der Sache nach und wurde fündig. "Es ist richtig, ein solcher Schrank, dem allerdings die Türen fehlen, steht bei uns im Laden", sagte die Inhaberin des Geschäftes "Dekoratives Wohnen", Dörte Düsedau, am Telefon. Doch über Details könne nur ihr Ehemann Uwe Auskunft geben. Denn dieser hatte das gute Stück vor vielen Jahren mitgebracht. Er habe damals eine Abrissfirma gehabt, die ihres Wissens auch im Bitterfelder Raum tätig gewesen sei.
Das bestätigte der Ehemann und erzählt: "Wir haben in den 90er Jahren für die Treuhand lange in Bitterfeld gearbeitet. Und dabei habe ich auch besagten Schrank entdeckt." Wo? Das könne er heute nicht mehr sagen. Mit geschultem Blick hatte Uwe Düsedau erkannt, dass es sich bei besagtem Teil um etwas Besonderes handelt. "Wir arbeiten alte Möbel auf und verkaufen sie dann im Geschäft", setzt er erklärend hinzu. Auch diesen Schrank, dem schon damals die Türen fehlten, habe er soweit aufgearbeitet, dass er wieder ein Hingucker ist und so auch besagten Herrn aufgefallen sein muss. Und dann meint er noch: "Falls es in Ramsin den Verein noch gibt oder eine Neugründung des einstigen Turnvereins ins Auge gefasst wird, dann stelle ich selbstverständlich den Schrank zur Verfügung."
Doch den Verein gibt es schon lange nicht mehr. Wie der Ramsiner Ortschronist Wilfried Feja auf Anfrage erklärt, habe der Turnverein Ramsin vermutlich zu Beginn des Zweiten Weltkrieges aufgehört zu existieren. Und eine Neugründung habe es nicht gegeben.