Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: 91-Jähriger veröffentlicht Buch
LINGENAU/MZ. - "Ich schreibe aus Lust am Leben." Der das sagt, heißt Herbert Ziegelmeier, ist 91 Jahre alt und lebt in Lingenau. Und er schreibt wirklich gern. Was der ehemalige Lehrer in all den Jahren an Gedichten, Anekdoten und Beobachtungen zu Papier brachte, liegt nun in einer Auswahl gedruckt vor.
Was ist dem Autor wichtig, um es an andere weiterzugeben? Aussagen wie "Hohl und leer steht der Tag an der Straße der Zeit und denkt nur in Minuten" oder "Klingst du weltenweit hinaus, fruchtet auch das Taube. Deine Botschaft hör ich wohl, weil ich fest dran glaube" spannen Bögen aus den Erfahrungen der Vergangenheit zu Gegenwärtigem. Überhaupt liegt ein wichtiger Reiz von Ziegelmeiers Texten darin, dass sich hier jemand zu Wort meldet, der in Sachen Bildung und Formverständnis einer Generation entstammt, von der es nur noch wenige Vertreter gibt und noch weniger dem Leben so intensiv Zugewandte.
"Sie glaubten noch an sich und an die Erfüllung ihres Lebens", resümiert er im Gedicht "Eine Bitte". Und an anderer Stelle: "Ich suche nicht das Glück der blauen Blume, das abseits in vergessenen Winkeln blüht. . Ich suche dich im Kampf mit Schwierigkeiten, die unser Stürmen vor uns aufgestellt." Wer Welthaltigkeit bei Ziegelmeier sucht, der wird nicht enttäuscht werden. Immer wieder geht es auch um grundsätzliche Dinge: Ist die Welt erkennbar? Kann ein Leben auch ohne die Erfüllung aller Wünsche erfüllt sein? Wie wichtig ist es, bis an Grenzen zu gehen? Gibt es Dinge zwischen Himmel und Erde, die da sind und doch nicht erklärt werden können?
Der Autor gibt Antworten auf Fragen, die er sich selbst wohl nicht nur einmal stellte. Und dann offenbart er noch eine weitere Seite von sich: die des Charmeurs, der über die Frauen versucht, diese Welt zu verstehen.
Wer mit über neunzig noch ohne Brille und Gehstock auskommt, einen Geländewagen fährt und mehrmals pro Woche nachts auf einen Hochstand klettert, um der Jagdleidenschaft nachzugehen, dem nimmt man es ab, wenn er noch nach dem "Urgrund des weiblichen Seins" sucht. So lässt er die Schilderung eines Festes provokatorisch mit den Sätzen enden: "Sie mögen es zu Hause wie die Tiere getrieben haben. Der chiffrierte Auftrag der Arterhaltung. Wir Empfindsamen nennen es Liebe."
Wer die Dinge so beim Namen nennt, der sieht auch dem eigenen Alter klar ins Auge. Der Text "Oktoberschnee" beginnt mit den Worten: "Die Blätter des Baumes führten ihre Lebenssäfte über Zweige, Äste und Stamm zu den Wurzeln zurück. Sie bereiteten sich auf ihre Traumreise vor" und endet mit der Aussage: "Sie ahnten: Ein neuer Frühling wird kommen und neue Träume bringen."
Herbert Ziegelmeier kam 1919 in Holzweißig zur Welt, wuchs in Friedersdorf auf, wurde nach dem Krieg Neulehrer und studierte nebenher Mathe und Physik. Er unterrichtete an der Geschwister-Scholl-Schule sowie an der Erich-Mühsam-Schule in Greppin. Bis zur Rente 1985 war er Direktor der Wolfener Heinrich-Heine-Schule.
Bei einer Lesung im Mehrgenerationenhaus in Wolfen fanden Ziegelmeiers Texte bei einem zahlreich erschienenen, vorwiegend älteren Publikum großen Anklang. Er schien den Nerv dieser Menschen getroffen zu haben. Diese in ihrer Entstehung vom Verein für Kultur und Lebenshilfe Bitterfeld begleitete Publikation ist im Buchhandel erhältlich.
Herbert Ziegelmeier: "... ich werde immer träumen", edition winterwork, ISBN: 978-3-943048-39-1, 87 Seiten, 6,90 Euro