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  7. Erster AfD-Bürgermeister: Hannes Loth spricht im Interview über sein Amt in Raguhn-Jeßnitz

Erster AfD-Rathauschef in Deutschland Hannes Loth (AfD) über seinen Start als Bürgermeister von Raguhn-Jeßnitz

Seit September ist Hannes Loth Bürgermeister von Raguhn-Jeßnitz, der erste in Deutschland mit AfD-Parteibuch. Wie ist er in das Amt gestartet und wie geht es weiter in der Muldestadt? Und wie geht er mit dem großen öffentlichen Interesse um?

Von Robert Martin Aktualisiert: 03.01.2024, 15:32
Seit dem 1. September 2023 ist Hannes Loth Bürgermeister von Raguhn-Jeßnitz – und der erste AfD-Bürgermeister Deutschlands.
Seit dem 1. September 2023 ist Hannes Loth Bürgermeister von Raguhn-Jeßnitz – und der erste AfD-Bürgermeister Deutschlands. (Foto: Robert Martin)

Jeßnitz/MZ. - Nur wenige Monate ist es her, dass der heute 43-jährige studierte Landwirt aus Retzau sich zur Wahl stellte, die Nachfolge von Bernd Marbach (parteilos) anzutreten. Ihm gelang es, sich in der Stichwahl gegen den Stadtratsvorsitzenden Nils Naumann (Pro8) durchzusetzen, Loth ist damit der erste Bürgermeister Deutschlands mit AfD-Parteibuch.

Seitdem steht er auch deutschlandweit im Fokus der Öffentlichkeit. Wie er damit umgeht und wie er ins Amt gestartet ist, hat die MZ ihn gefragt. Das Gespräch führte Robert Martin.

Seit über 100 Tagen sind Sie jetzt Bürgermeister. Wie ist es bisher gelaufen?

Hannes Loth: Eigentlich sehr gut. Ich bin bei den Erlebnissen, die ich hatte, oft positiv überrascht, dass vieles gut gegangen ist.

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Überrascht klingt, als wenn Sie nicht damit gerechnet hätten ...

Ja. Gerade, was die Angelegenheiten betrifft, die in den letzten Jahren immer liegen geblieben sind, wie den Haushalt. Da war ich dann doch am Ende sehr begeistert, dass die Mitarbeiter dort so mitgezogen haben und sich dort alle so reingekniet haben, dass wir das mit den Stadträten wunderbar kommuniziert haben, Vieles verständlicher war und sie mitgezogen haben. Das war bemerkenswert, von allen Beteiligten.

Warum wollten Sie dieses Amt denn so sehr haben?

Ich bin hier geboren, hier aufgewachsen, groß geworden. Ich lebe hier. Das ist meine Heimat und ich habe gesehen, dass man die Chance nutzen könnte, auch was für seine Heimat zu tun. Man kommt auch aus dieser Oppositionsrolle im Landtag raus und in eine Position rein, wo man in einem gewissen Spielraum gestalten kann. Man kriegt den direkten Einblick in die Verwaltung. Man sieht, welche Anforderungen überhaupt kommen. Warum manche Dinge überhaupt nicht funktionieren, von denen man als Stadtrat noch überzeugt war, dass sie eigentlich laufen sollten.

Was hat Sie denn am meisten überrascht bisher?

Die Aufgeschlossenheit der Mitarbeiter und auch die große Akzeptanz der Bevölkerung.

Kurz vor Ihrem Amtsantritt haben Sie gesagt, dass „der Druck spürbar“ sei. Hat sich das mittlerweile gelegt?

Der Druck ist immer noch da. Nicht nur, weil er von mir aus kommt, von außen natürlich, aber auch von mir selber. Denn ich will ja was erreichen. Ich will ja was schaffen und ich will was für unsere Stadt machen, damit es besser wird. Und da brauche ich auch Druck, denn wo kein Druck ist, ist es keine Arbeit. Und ich finde das völlig richtig und okay.

Wie äußert sich dieser Druck denn im Amt als Bürgermeister, etwa im Vergleich zum Landtag? Wie äußert sich das bei Ihnen?

Man steht ein bisschen mehr im Fokus der Öffentlichkeit. Wenn man einkaufen geht, dann wird man schon mal angesprochen. „Wieso machst du das denn?“, wird man da gefragt.

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Was sagen Sie da, wenn Sie das gefragt werden?

Die Wahrheit. Warum es so ist, wieso ich das gemacht habe. Dass wir das machen müssen, weil das rechtlich halt so vorgeschrieben ist. Ich beschönige da auch nicht und ich bin auch ganz ehrlich. Wenn ich es selbst nicht hinkriege, sage ich, dass es an mir liegt, weil ich es noch nicht kann. Und ich suche mir dann noch Hilfe von jemandem, der es dann kann, um es zusammen zu schaffen. Ich bin ja an der Verwaltungsspitze.

Sie sind der erste AfD-Bürgermeister Deutschlands. Das Medieninteresse ist seit Ihrer Wahl groß ...

Das kenne ich von der Landtagswahl 2016. Aber die Dimension ist eine andere. Da hat man halt wirklich verschiedene Presseleute kennengelernt. Mit einigen kann man sehr gut, die legen eine seriöse und sachliche Arbeitsweise an den Tag. Sie rufen vorher an und stellen ihre Fragen schon mal am Telefon, damit man sich vorbereiten kann. Aber andere kommen an, halten das Mikro unter die Nase und versuchen einem dann irgendetwas herauszupressen. Das war ein Lernfaktor.

Gegen einige, wie das WDR-Politikmagazin Monitor, sind Sie auch juristisch vorgegangen. Wieso?

Das ist einfach falsch, was auf einem Bild gestanden hat, dass sie veröffentlicht haben. Das war einfach kompletter Unsinn. Man kann ja kritisch berichten. Aber man kann mir nur vorhalten, dass ich Wahlversprechen gebrochen habe, wenn ich sie gegeben habe. Nun wird jeder, der mit diesen Behauptungen kommt, einen Brief bekommen, der ein bisschen was kostet.

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Jahrelang war der Haushalt eine schwierige Angelegenheit in Raguhn-Jeßnitz. Nun wurde ein Haushalt für 2024 beschlossen. Sind Sie zufrieden?

Das war der erste Haushalt, den wir gemacht haben. Wir haben sicherlich nicht alles drin, was unbedingt beachtet werden müsste. Das war ein sehr schneller Haushalt, der nächste wird generalstabsmäßig geplant. Damit werden wir schon im Januar beginnen.

Als AfD-Stadtrat sind Sie noch dafür eingetreten, die Bürger nicht zu sehr zu belasten. Nun sind Sie als Bürgermeister in einer anderen Rolle. Wie gehen Sie mit diesem Widerspruch um?

Da wir uns in der Haushaltskonsolidierung befinden, müssen wir Maßnahmen umsetzen, Gebühren erhöhen, Einsparungen machen. Wir haben versucht, das mit den Betroffenen auszudiskutieren, wo es hingehen soll, was man sich leisten könnte. Vor allem bei den Kitagebühren haben wir lange mit den Eltern zusammengesessen. Wir haben das auch nur so erhöht, dass es human ist. In meiner Zeit als Stadtrat war der Unterschied, dass man uns selten mitgenommen hat bei solchen Sachen. Vieles wurde uns nicht erklärt.

Und nun sind Sie der Bürgermeister. Macht es Ihnen Spaß?

Es macht riesengroßen Spaß. Vor allem der Kontakt zu den Menschen, zu den Leuten draußen und hier im Rathaus. Es ist das Erkennen und Lösen von Problemen, was mich begeistert.

Sie sind der erste AfD-Bürgermeister Deutschlands. Der AfD-Landesverband Sachsen-Anhalt wurde als gesichert rechtsextrem eingestuft. Sehen Sie einen Grund, sich von Parteikollegen und Ansichten zu distanzieren?

Mir ist das Gutachten nicht bekannt, daher kann ich zu dieser Einstufung nichts sagen. Es kommt schon mal vor, dass man andere Meinungen hat als andere Parteikollegen. Das wird dann natürlich auch den Parteikollegen gegenüber so geäußert. Am Ende ist es dann aber natürlich klar, dass man sich hinter der Partei versammelt und dann weiter marschiert in eine andere Richtung. Aber öffentlich würde ich sowas niemals machen. Wir haben unsere Standpunkte und wir stehen dahinter. Und wenn es Diskussionen gibt, dann werden die intern geführt und am Ende wird dann auch ein Kompromiss gefunden. Dann wird der Kompromiss auch so nach außen vertreten.

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Für die Stadt stehen große Projekte an. Wie geht es weiter beim Kita-Neubau in Raguhn und beim Irrgarten in Altjeßnitz?

Bei der Kita geht es voran. Die Übergabe fand statt, der Bau ist jetzt fertig. Jetzt fehlen noch die Außenanlage und die Inneneinrichtung. Die Außenanlage läuft gerade und die Eröffnung soll dann im zweiten Quartal stattfinden. Beim Irrgarten haben wir jetzt die Firma beauftragt, um die Arbeiten zur Verbesserung der Klimaresilienz umzusetzen. Die machen eine Tröpfchenbewässerung unter den Hecken. Die Arbeiten dazu werden im Januar beginnen.

Sieben Jahre Amtszeit liegen vor Ihnen. Wo sehen Sie sich dann?

Das werden wir in sieben Jahren sehen. Ich hoffe, dass wir in sieben Jahren die Herausforderungen, die uns global und national entgegen geschleudert werden, gut überstanden haben. Und dass es möglicherweise mehr produzierendes Gewerbe bei uns in der Stadt gibt, ein paar mehr Arbeitsplätze.

Es wird eine Politik der kleinen Schritte, bei der wir darauf achten werden, dass das, was etwa in den Ortschaften anfällt, auch gemacht und umgesetzt wird. Mir ist wichtig, dass in Zukunft nichts mehr liegen bleibt. Ohne die Aufstockung der Finanzierung der Kommunen vom Land Sachsen-Anhalt wird das aber alles schwer.