50-jähriges Bestehen der Baptisten-Gemeinde 50-jähriges Bestehen der Baptisten-Gemeinde: Gottes Liebe als sinnliches Erlebnis
Jessen/MZ. - Eine große "50" zwischen Kapelle und "Arche" in der Freyerstraße kündete am Wochenende von dem Ereignis. Die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde feierte ihr 50-jähriges Bestehen, mit einem Tag der Begegnung und des gemeinsamen Erinnerns am Sonnabend und einem Festgottesdienst am Sonntag Vormittag.
Dazu waren viele Schwestern und Brüder nach Jessen gekommen, die ihren Glaubensweg hier einst begonnen hatten, beziehungsweise irgendwann zu den Gemeindegliedern zählten, inzwischen aber verzogen und über ganz Deutschland verteilt sind. Auch Gäste aus befreundeten Gemeinden der Umgebung wie Wittenberg, Jüterbog, Torgau und aus der Partner-Glaubensgemeinschaft in Meschede, Sauerland, hatten den Weg zur Geburtstagsfeier gefunden.
Bis auf den zuletzt in Jessen tätigen Pfarrer Ronald Hentschel waren alle sechs ehemaligen Prediger der Freikirchlichen Gemeinde zu dem goldenen Jubiläum erschienen. Ralf Peter Greif hielt am Sonntag beim Gottesdienst sogar die Predigt, eine sehr aufrüttelnde, fordernde und in die Zukunft orientierende Predigt.
Insgesamt vermittelte der Jahrestag der Jessener Baptisten-Gemeinde durch die Vertrautheit aller im Umgang miteinander den Eindruck eines großen harmonischen Familienfestes. Das Motto "Gut, dass wir einander haben" hätte dafür nicht treffender gewählt sein können. Gemeindeleiter Frank Peschel machte allerdings gegenüber der MZ auf noch einen Aspekt des "einander Habens" aufmerksam. Nämlich miteinander das Leben der Gemeinde sichern zu können, auch wenn, wie in den zurückliegenden drei Jahren, kein Pfarrer vor Ort ist. Unter anderem deshalb wollen die Jessener in der Perspektive die regionale Zusammenarbeit wieder stärker aufgreifen.
Mit Schautafeln und Videos in der "Arche" sowie Lichtbildern in der Kapelle, vor und nach dem Abendessen, blickten die Gäste am Sonnabend auf die Geschichte der Freikirchlichen Gemeinde zurück. Dazwischen gab es ein Konzert mit der Jessener Kantorei und Musikern aus den eigenen Reihen.
Am 19. August 1951 wurde nach gut einem Jahr Bauzeit die Kapelle in der Freyerstraße eingeweiht. Damit begann faktisch die Eigenständigkeit der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Jessen. Bis dahin hatten die Zusammenkünfte in Privaträumen stattgefunden, betreut von Predigern aus Wittenberg und Zerbst. Die Anfänge des baptistischen Glaubenslebens in Jessen reichen allerdings weiter zurück, bis in die 80-er Jahre des 19. Jahrhunderts.
Die Bezeichnung Baptisten rührt von dem griechischen Wort für "taufen" her und weist auf die Erwachsenen-Taufpraxis hin. Die wiederum ist wie das Spenden statt des Kirchensteuer-Zahlens Teil des Prinzips der Freiwilligkeit in den Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden, die in Deutschland zu einem Gemeindebund zusammengeschlossen sind. Weltweit zählen die Baptisten über 35 Millionen Mitglieder, sind damit eine der größten protestantischen Kirchen.
Ein schwieriges Alter nannte Ralf Peter Greif die 50 Jahre in seiner Predigt. Auf dem ersten Arbeitsmarkt sei man mit 50 kaum noch zu vermitteln, aber "auf dem Arbeitsmarkt Gottes werdet ihr noch gebraucht". Er schloss die Warnung an, im Rückblick auf die vergangenen 50 Jahre nicht stecken zu bleiben, sich zum Rückblick nicht den Rückzug, das Abkapseln gesellen zu lassen. Er forderte auf, den 50. Geburtstag vielmehr zu einem Kassensturz zu nutzen, was ist drin für die Zukunft. Und, ausgehend von der Speisung der 5 000 aus dem Lukas-Evangelium, sagte Greif, "ich habe den Auftrag für euch dabei". Sinngemäß rief er auf, die fünf Brote und die zwei Fische zu nehmen und sie als sattmachende sinnliche Botschaft von Gottes Liebe den Außenstehenden anzubieten, die hungrig sind nach Beachtung, Wertschätzung, nach Verständnis und menschlicher Wärme. "Gottes Liebe ist ein tiefgreifendes sinnliches Erlebnis, keine nüchterne Vorlesung. Überlasst, den Hunger nach Liebe zu stillen, nicht den anderen. Holt die Hungernden an eure Tische!"