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125 Jahre mit viel Phantasie 125 Jahre mit viel Phantasie: Aromenproduzent Esra feiert sein Jubiläum in Thalheim

Von Christine Färber 29.10.2018, 10:13
Im stets 16 Grad warmen Drogenlager sucht Christina Witt die Grundbausteine für eine neue Aroma-Rezeptur zusammen.
Im stets 16 Grad warmen Drogenlager sucht Christina Witt die Grundbausteine für eine neue Aroma-Rezeptur zusammen. André Kehrer

Thalheim - Im Wein steckt Sonne, im Likör Phantasie. Der Volksmund wird es wissen. Und, guckt man den Mitarbeitern von Esra über die Schulter, dann spürt man, dass es so sein muss.

Dieses 125 Jahre alte Familienunternehmen mit heute sieben Mitarbeitern, Hersteller von Essenzen vor allem für Liköre, Trinkbranntweine und Limonaden, ist ein Meister seiner Klasse. Christina Witt, Ökotrophologin, hat’s quasi in der Nase, wie das Aroma stimmig wird. Bei Esra nämlich ist der Kunde König, hier geht es nach seinem Kopf. Und da ist es egal, ob einer ein Kilo kauft oder 1.000.

„Melonenlikör, Spargelschnaps, ,ein modernes Getränk’ eben - was stellt man sich darunter vor“, fragt Geschäftsführerin Regina Loth. „Da müssen wir uns Gedanken machen. Aber auch das kriegen wir hin.“ Manchmal, sagt sie und muss dabei kichern, kauft sie eine Flasche von diesem oder jenem ihrer Kunden. „Ich will wissen, was sie aus unserem Produkt gemacht haben. Wir liefern ja nur die Aromen. Ethanol und Zucker, die Trägerbasis, mischen sie selbst dazu“, erklärt sie.

Zig getrocknete Kräuter, Fruchtschalen und andere Grundzutaten lagern in metallenen Fässern

Das Labor ist Christina Witts Bereich. Und das Drogenlager, in der in zig metallenen Fässern die getrockneten Kräuter, Fruchtschalen und andere Grundzutaten lagern: Enzian und Angelikawurzel, Pomeranzen, Angostura und Zitwerwurzel und vieles, wovon der botanische Laie noch nie gehört hat. Zwei, manchmal drei Tonnen werden in der Woche verarbeitet. Das heißt, in elf Riesentöpfen angesetzt, so dass sie das Beste von sich als Essenz abgeben.

Die absolute Rarität ist Guajak-Harz. „Das kommt in den Bohnekamp rein“, sagt sie. Ein guter Bohnekamp, verrät die Frau vom Fach, vereint über 40 Kräuter. Doch welche, wie viele und in welcher Mischung - das bleibt das Geheimnis. Und darauf kann sich der Kunde verlassen: Welche Aromen für seinen Likör er auch immer haben will - kein anderer wird das Rezept je erfahren. Da hilft die größte Verlockung nicht. Und auch keine Drohung. Denn das ist ein Schatz, der bei Esra gehütet wird wie das Augenlicht. Denn es ist ein Kapital: Verschwiegenheit.

Die Kunden - zehn große und 45, die es ganz individuell haben wollen - sind vor allem in den Ost-Bundesländern, doch hat sich der Name Esra schon weiter rumgesprochen. „Erfolg in der Nische“ - das ist das Motto der Firma. Und das ist Wirklichkeit. Die Kunden wissen, was sie haben, wenn sie mit Esra arbeiten. „Ich liebe die, die mit uns anfangen und groß werden. Das ist wie so ’ne Ehe“, sagt Regina Loth. „Wir wollten mal die große Welt erobern“, erzählt sie, lächelt und schüttelt den Kopf, „das haben wir gleich wieder sein lassen. Wir sind glücklich in der Nische, was anderes wollen wir gar nicht.“

Nach der Flut 2002 ist der Betrieb von Raguhn nach Thalheim umgezogen

Und warum auch? Der Betrieb, der seinen angestammten Platz in Raguhn nach der Flut 2002 gegen einen Standort in Thalheim getauscht und allein für den Neubau mit Anlagen 1,2 Millionen Euro investiert hat, ist seit zwei Jahren schuldenfrei.

„Darauf sind wir stolz, dass wir das hingekriegt haben“, sagt sie. „Wir sind ein gutes Unternehmen, ein stetiges. Klein, aber fein. Bei Esra geht man nicht arbeiten, um Geld zu verdienen, hier ist man mit dem Herzen dabei.“ Genau das schätzen offensichtlich Kunden wie Lieferanten und Mitarbeiter.

„Manche sind schon über 30 Jahre hier - Christine Schmidt, die Seele vom Betrieb, die 1976 anfing. Also muss die Mitarbeiter ja was halten“, sagt Regina Loth, die aber auch zurückblickt auf eine Zeit, in der sie das Ding zu sechst stemmen mussten, in der der in Jahren ausgebildete und so erhoffte Azubi ,Tschüss’ sagte, als private Interessen hintenan standen. „Das hat uns noch mehr zusammengeschweißt.“

Die studierte Ökonomin, die aus der Filmfabrik kommt, hat 1989 in ihrem Heimatort Raguhn bei Esra in der Buchhaltung angefangen. Zunächst der Kinder wegen. 1999 hat die Unternehmerfamilie sie gefragt, ob sie die Geschäfte führen will. „Ich bin in den ganzen Jahren die einzige, die nicht aus der Eigentümerfamilie Erben kommt, aber ich gehöre dazu“, sagt sie fröhlich. (mz)

Friedrich Pohle und Carl Erben gründeten 1893 eine Fabrik für ätherische Öle und Essenzen. Eigentümer ist noch heute die Familie Erben.

Das Hauptgeschäft sind Aromen, die der Kunde selbst weiterverarbeitet. Der Name Esra ist nie auf einem Etikett zu lesen. Das gehört zur Firmenphilosophie wie auch die Geheimhaltung von Kundennamen.

Limonade-Aromen werden u. a. in Zahna verarbeitet.

Chefin Regina Loth: mit Herz und Seele dabei
Chefin Regina Loth: mit Herz und Seele dabei
André Kehrer
Zum Jubiläum und nur für Mitarbeiter
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André Kehrer