Zeitzeugengespräch Zeitzeugengespräch: Klar und ohne Pathos
Bernburg/MZ - „Wir nehmen solche Gelegenheiten wahr, um unseren Unterricht mit Leben zu erfüllen“, sagte Rudi Mitzner. Der Studienrat am Bernburger Gymnasium Carolinum konnte am Montag mit den Schülern des Ethik-Kurses der zehnten Klassen einen Mann begrüßen, der Zeitgeschichte geschrieben hat. Der 86-jährige Gabriel Bach war 1961 stellvertretender Ankläger des Eichmann-Prozesses in Jerusalem.
Adolf Eichmann (1906 bis 1962) war während der Zeit des Nationalsozialismus Leiter des zuständigen Referats im Reichssicherheitshauptamt, das für die Deportation von Juden in die Konzentrationslager verantwortlich war. Gabriel Bach schilderte vor den Schülern, dass er zahllose Dokumente gesichtet hat, um herauszufinden, ob Eichmann ein skrupelloser Massenmörder war oder nicht.
"Millionen von Dokumenten"
Entlastende Argumente für Eichmann hat er nicht gefunden. „In jedem Land gab es Versuche, irgendeine Familie oder eine Person zu retten“, schilderte der Strafjurist seine Eindrücke aus „Millionen von Dokumenten“, die gesichtet wurden. Immer wieder habe es Ausnahmen gegeben, nicht aber bei Adolf Eichmann. Dessen Entscheidungen seien immer negativ ausgefallen. „Eichmann ist der Einzige, der jemals in Israel zum Tode verurteilt wurde“, betonte Bach.
Der 86-Jährige, der auf Einladung des Alternativen Jugendzentrums Dessau in die Region Anhalt gekommen war, wird seit seiner Pensionierung 1997 weltweit eingeladen, um zu berichten. Zuvor hat er seinen Staat bei zahlreichen internationalen Konferenzen vertreten. Die Erinnerung an den Eichmann-Prozess ist für ihn Verpflichtung, sich dafür einzusetzen, dass diese Entmenschlichung sich nicht wiederholen darf.
„Ich bin überzeugt, dass die entscheidenden Leute in den verschiedenen Ländern versuchen, so etwas zu verhindern“, sagte der Besucher. Gabriel Bach hatte viel zu erzählen. Jana Müller vom Alternativen Jugendzentrum sorgte durch einzelne Zwischenfragen dafür, dass der Gast auch persönliche Dinge preisgab. Bach war gemeinsam mit seiner Frau Ruth gekommen. Kennengelernt hat er sie bei einem Prozess, in dem er als Verteidiger und sie als Richterin tätig war. Ruth Bach geborene Arazi ist Tochter eines bekannten Führers der israelischen Verteidigungsorganisation Haganah. „Er war verantwortlich für die Einwanderung von Juden aus Italien oder England und für die Stärkung der Selbstverteidigung“, sagte Bach über seinen Schwiegervater.
"Ich ging in die Theodor-Herzl-Schule am Adolf-Hitler-Platz"
Der 86-Jährige erinnerte sich an seine Jugend in Deutschland. „Ich war ein großer Anhänger von Schalke 04“. Der „Schalker Kreisel“ habe ihn begeistert. Außerdem passte es gut, dass die Schalker Farben Blau und Weiß deckungsgleich waren mit der blau-weißen Uniform der zionistischen Schule, die er in Berlin besuchte. „Ich ging in die Theodor-Herzl-Schule am Adolf-Hitler-Platz, das ist eine Ironie des Schicksals“, sagte der Besucher aus Israel.
Eine Szene aus dem Eichmann-Prozess ist ihm noch heute gegenwärtig. Ein ungarischer Jude hatte berichtet, wie 1944 - ein Jahr nach dem Aufstand im Warschauer Ghetto - die inhaftierten ungarischen Juden auf Geheiß von Eichmann gezwungen wurden, Postkarten zu schreiben, um ihre Familien mit falschen Versprechungen nachzuholen. Als der ungarische Zeuge schilderte, dass seine letzte Erinnerung an seine kleine Tochter daraus besteht, dass ihr roter Mantel langsam als roter Punkt in der Ferne verschwindet, da bekam der stellvertretende Ankläger Bach minutenlang kein Wort heraus.. „Meine eigene Tochter war in demselben Alter und hatte den gleichen roten Mantel“, sagte Bach. Dieses Bild lässt ihn bis heute nicht los.