Wieder Tellereisen ausgelegt Wieder Tellereisen ausgelegt: Gefährlicher Freigang für Milly

Biendorf - Fünf Tage und fünf Nächte. Solange war Milly, die kleine schwarz-weiße Katze von Bernhard Baldauf und seiner Frau Uta, verschwunden. Solange haben sie vergeblich nach dem Tier gesucht und darauf gewartet, dass sie am Morgen vor der Küchentür sitzt.
So, wie sie es immer getan hatte. An den 25. Januar, den Tag, als Milly plötzlich wieder auftaucht, kann sich Baldauf genau erinnern.
„Ich war gerade unterwegs, als meine Frau mich anrief und sagte: Milly ist wieder da“, erzählt der Biendorfer. „Ich habe mich beinahe verschluckt, als ich das gehört habe.“
Hoffnung schon aufgegeben
Zu diesem Zeitpunkt hatte er die Hoffnung auf eine Rückkehr seiner damals erst fünf Monate alten Katze bereits aufgegeben. Die Erleichterung ist entsprechend groß - bis seine Frau am Telefon hinzufügt. „Ich traue mich gar nicht, es zu sagen, aber Milly hat nur noch zwei Beine.“
Bernhard Baldauf fährt daraufhin so schnell es geht nach Hause. Als er die Verletzungen an Millys Beinen sieht, ist er sich sicher: Die Katze muss in ein Tellereisen getreten sein. Die Knochen beider Hinterbeine seien völlig zerschmettert gewesen, berichtet Baldauf, wie durchgebrochene Stöcker.
Mit seiner Schlagkraft könnte ein Tellereisen die filigranen Knochen einer jungen Katze leicht zerstören. Nur die Sehnen überstehen das Zuschnappen einer solchen Falle meist. „Wahrscheinlich hat Milly ihr Fell und die Sehnen durchgeknabbert, bis sie frei war“, vermutet der Rentner.
Fallen im Wohngebiet ausgelegt?
Damit erging es Milly ähnlich wie einer Katze in Köthen, der erst vor kurzem ein Hinterbein amputiert werden musste, nachdem sie in eine Tierfalle, vermutlich ebenfalls ein Tellereisen, getreten war.
Sowohl in Köthen als auch in Biendorf muss sich diese Falle direkt in einem Wohngebiet befunden haben.
Bernhard Baldauf und seine Frau wohnen am Ende einer ruhigen Straße. Auf der einen Seite befindet sich ein Feld, auf der anderen sind Einfamilienhäuser und Gärten. Waschbären würden sich hier ausbreiten, berichtet Baldauf.
Vermutlich wurde deshalb auch das Tellereisen aufgestellt. Aber der Rentner betont: „Solche Fallen sind einfach unmenschlich und sollten bei keinem Lebewesen angewandt werden.“
In der EU ist das Aufstellen von Tellereisen seit 1995 verboten. Wer es dennoch tut, verstößt gegen das Tierschutzgesetz und macht sich strafbar. Da jedoch Besitz und Vermarktung der Fallen erlaubt sind, ist es heute noch relativ leicht, Tellereisen zu kaufen.
Bernhard Baldauf und seine Frau fahren nach Millys Rückkehr mit ihr in die Tierarztpraxis von Angelika Todte nach Köthen, wo sie von einer Kollegin behandelt wird.
Fäulnis hatte bereits eingesetzt
Auch die schließt nicht aus, dass die Verletzungen von einer Tierfalle stammen. Beweisbar sei das jedoch nicht. Weil bereits die Fäulnis eingesetzt hat, ist eine Amputation der Unterschenkel von Millys Hinterbeinen die einzige Option.
Die Frage ist: Wollen ihre Besitzer das? Bernhard Baldauf denkt daran, wie seine Katze es trotz Frost und schweren Verletzungen geschafft hat, zu überleben und entscheidet: Wenn ein Tier fünf Tage für sein Leben kämpft, darf es nicht eingeschläfert werden.
Millys Unterschenkel werden kurz unterhalb der Knie amputiert. Drei Tage verbringt sie in der Klinik, dann kann sie nach Hause, wo sie die nächsten zehn Tage - versorgt mit Antibiotika und Schmerzmitteln - in einem großen Käfig verbringt.
Tierärztin hat mehrere Fälle erlebt
Tierärztin Angelika Todte hat bereits mehrere Fälle erlebt, bei denen eine Katze ein oder zwei Hinterbeine verloren hat oder diese von Geburt an nicht bewegen konnte.
„Junge Katzen sind unglaublich“, sagt sie. „Die bauen ihre Muskulatur dann um und nehmen alles auf die Vorderhand.“ Wenn man sehe, wie diese Katzen durch die Gegend schießen, komme der Moment, an dem man denkt: Ja, sie können so leben.
Ob unter den behandelten Katzen schon mal eine war, die durch ein Tellereisen verletzt wurde, kann Angelika Todte nicht mit Sicherheit sagen. „Wir hatten einmal den Verdacht, aber vor langer Zeit. Man muss mit solchen Verdachten vorsichtig sein.“
Katze hat ihr Schicksal akzeptiert
Milly hat ihr Schicksal mittlerweile akzeptiert. In rasantem Tempo flitzt sie durch das Wohnzimmer, alleine durch die Kraft ihrer Vorderbeine und mit Hilfe ihres Schwanzes, mit dem sie sich auf dem Boden abstützt. Der Wunsch, nach draußen zu gehen, wächst.
Bernhard Baldauf und seine Frau tragen die Katze täglich mehrere Runden ums Haus, auch Enkelsohn Hannes kümmert sich und geht mit ihr an einer Leine spazieren.
Am Freitagmorgen schließlich lässt Baldauf sie das erste Mal wieder alleine raus. „Mir war etwas mulmig zumute“, gesteht er. Aber alles geht gut, nach einer Stunde kehrt Milly unversehrt zurück. Ihr zweites Leben, wie Bernhard Baldauf es nennt, hat begonnen.
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Die Fälle aus Köthen und Biendorf sind nicht die einzigen, in denen eine Katze durch eine Tierfalle verletzt wurde. Wie das Polizeirevier Salzwedel mitteilte, ist dort am Dienstagabend eine weitere Katze in ein Tellereisen getreten. Ihr musste ebenfalls ein Bein amputiert werden.
Das Tier hatte sich nach Polizeiangaben mit dem Tellereisen zurück in den Vorgarten seiner Besitzer geschleppt, die die Straftat anzeigten. Bislang ist nicht bekannt, wo und von wem das Fangeisen aufgestellt wurde.
Die Salzwedeler Polizei weist noch einmal darauf hin, dass durch aufgestellte Tellereisen auch Menschen, insbesondere kleine Kinder, verletzt werden können.
Das Tellereisen (auch Fangeisen, Fußeisen oder Tellerfalle) ist eine aus Stahl gefertigte Falle zum Fang von Raubtieren. Da die Wahrscheinlichkeit sehr groß ist, dass das Tier nicht sofort getötet wird und lebend mit schmerzhaft eingeklemmten Gliedmaßen in der Falle hängen bleibt, entspricht der Gebrauch des Tellereisens nicht der Waidgerechtigkeit und ist nach dem Jagdgesetz in Deutschland verboten. EU-weit ist die Verwendung von Tellereisen seit dem 1. Januar 1995 verboten.
(mz)