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Prozess vor Amtsgericht Warum die Betreiber einer Plantage jetzt doch noch glimplich davon kommen

Vor fast drei Jahren fanden Beamte in der Verbandsgemeinde Saale-Wipper nach einem anonymen Hinweis eine Indoor-Plantage für den Anbau von Cannabis. Jetzt kam es erst zum Prozess. Dabei profitierten die Angeklagten von allem, was sich seitdem geändert hat.

Von Carsten Roloff 17.08.2024, 06:09
Ein Blick in eine andere Indoor-Plantage. Bei den beschriebenen Fall fanden die Beamten in den 91 Pflanztöpfen nur zwei Cannabispflanzen.
Ein Blick in eine andere Indoor-Plantage. Bei den beschriebenen Fall fanden die Beamten in den 91 Pflanztöpfen nur zwei Cannabispflanzen. (Symbolfoto: dpa)

Bernburg/mz. - Ein anonymer Hinweis hat die Beamten auf die Spur gebracht. Am 25. September 2021 fanden sie in einem Ort in der Verbandsgemeinde Saale-Wipper eine in einer Scheune professionell errichtete Indoor-Plantage mit einem entsprechenden Lüftungs- und Bewässerungssystem für Cannabispflanzen.

Nur für Eigenbedarf

Die Beamten stellten neben 278 Gramm Cannabis außerdem 91 Pflanztöpfe sicher, in denen sich aber nur zwei Setzlinge befanden. Aufgrund der hohen Anzahl von Pflanztöpfen warf die Staatsanwaltschaft den beiden Angeklagten im Alter von 24 und 20 Jahren nicht nur den Besitz, sondern auch den Handel mit Betäubungsmitteln vor.

Die Klienten von Rechtsanwalt Jan-Robert Funck und Jens Stiehler räumten den Besitz ein, bestritten jedoch, dass sie die Droge an andere Menschen verkaufen wollten. Der Anbau der Pflanzen sei für den Eigenbedarf bestimmt gewesen, so Jan-Robert Funck. Bei der Durchsuchung der Scheune und der Wohnung eines Angeklagten konnten die Beamten keine weiteren Drogenfunde machen.

Keine Dealer-Utensilien gefunden

Auch typische Dealer-Utensilien wie Waage oder Tütchen als Verpackungsmaterial sind nicht gefunden worden. Auch eine größere Bargeldmenge wie szenetypisch üblich konnte nicht sichergestellt werden. „Wir haben an der Feuerstelle einige verbrannte Hanfblätter feststellen können. Es ist möglich, dass zuvor einiges an Beweismaterial verbrannt worden ist“, so ein 27-jähriger Polizeibeamter im Zeugenstand.

Gegen den Drogenhandel sprachen auch noch andere Fakten. Die beiden Angeklagten hatten sich in ihrem Leben noch nie etwas zu Schulden kommen lassen. Der eine hat eine Lehre abgeschlossen und geht einer geregelten Arbeit nach. Der andere absolviert gerade eine Ausbildung zum Maurer. „Die meisten Protagonisten, die rechts von mir sitzen, haben weder einen Berufsabschluss, geschweige denn einen Job“, warf Strafrichter André Stelzner im Laufe der Verhandlung ein.

Geldstrafe und Verwarnung

In ihrem Plädoyer forderte die Staatsanwältin für den älteren Angeklagten eine Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 25 Euro und für den jüngeren eine Verwarnung sowie eine Geldauflage in Höhe von 400 Euro. „Ich glaube nicht, dass die Droge nur für den Eigenbedarf bestimmt war. Aber nach der Beweisaufnahme ist der gewerbsmäßige Handel nicht nachweisbar“, sagte die Staatsanwältin.

Das Jugendschöffengericht sah es genauso und verurteilte den 24-Jährigen zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 75 Tagessätzen zu je 25 Euro. Beim jüngeren Mann folgte das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft.

Eine Jugensünde, die drei Jahre zurückliegt

André Stelzner wies die beiden Angeklagten daraufhin, dass sie wegen der neuen Gesetzgebung großes Glück gehabt hätten. „Aus einem Verbrechenstatbestand ist seit dem 1. April 2024 ein Vergehen geworden. Deswegen bedarf es einer völlig neuen Rechtsbeurteilung. Der Gesetzgeber hat gegen alle Bedenken der Justiz und vieler Wissenschaftler Cannabis entkriminalisiert. Dem muss Rechnung getragen werden“, so der Strafrichter in seiner Urteilsbegründung.

André Stelzner betonte aber auch, dass beide Angeklagte aus dem Vorfall ihre Konsequenzen gezogen hätten. „Es war eine Jugendsünde, die nun schon fast drei Jahre zurückliegt“, meinte der Strafrichter.