Von Bernburg auf die Philippinen Von Bernburg auf die Philippinen: Pflegedienstleiterin reist zur Hilfe

BERNBURG/PALO/MZ - Menschen vergessen schnell. Vor gerade einmal zwei Monaten verwüstete der Taifun „Haiyan“ weite Teile der Philippinen und tötete mehr als 10.000 Menschen. Tagelang gingen die Bilder zerstörter Dörfer und trauernder Menschen um die Welt - dann wurde ihr Schicksal von neuen Nachrichten verdrängt. Nicht so bei Steffi Reiche. Die 40-jährige Pflegedienstleiterin des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) in Bernburg ist vergangene Woche von ihrem zweiwöchigen Hilfseinsatz im Katastrophengebiet, in Palo auf der Insel Leyte, heimgekehrt.
„Es war unwahrscheinlich anstrengend, aber ich habe sehr viel mitgenommen“, fasst Steffi Reiche ihren Einsatz zusammen. Vor allem die Dankbarkeit der Menschen hat sie beeindruckt: „Viele haben so unendlich viel Leid erfahren, manche haben fast alles verloren und dennoch sind sie so herzlich.“ Das Erlebte in Worte zu fassen, fällt der 40-Jährigen nicht schwer - doch es gibt einfach so viel zu erzählen. Zum Beispiel seien sie einer Frau begegnet, die sagte: „,Der Taifun sollte uns treffen, damit wir merken, wie groß die Liebe auf der Welt ist.’ Das hat mich sehr bewegt.“ Der Taifun war für die streng gläubigen Filipinos keine reine Naturkatastrophe, sondern Schicksal. Und dem stellen sie sich voller Optimismus. Das Land befindet sich im Wiederaufbau und so galt es für Steffi Reiche und ihr Team, vor allem offene Wunden und die aufgrund der schlechten hygienischen Bedingungen hervorgerufenen Hauterkrankungen zu behandeln. „Viele Verletzungen waren dem Wiederaufbau geschuldet: Menschen waren vom Dach gefallen, in Nägel getreten oder hatten von umherfliegenden Blechen Schnittwunden davongetragen. Oft drohte auch eine Blutvergiftung.“ Nicht zuletzt aufgrund dessen verteilte die gelernte Krankenschwester unzählige Tetanus-Impfungen.
Eines von zahlreichen Schicksalen
Das Schicksal eines neunjährigen Jungen hat sie besonders berührt. „Seine Mutter hatte ihn zu uns gebracht, weil er auf dem Spielplatz einfach umgefallen war“, berichtet sie. Diagnose: Schlaganfall. Der Junge wurde sogleich von Palo in die wenige Kilometer entfernte Inselhauptstadt Tacloban in das Krankenhaus zu Ärzte ohne Grenzen gebracht. „Wir haben ihn später besucht, da ging es ihm schon besser.“
Es ist eines von zahlreichen Schicksalen, von denen die 40-Jährige während ihres Aufenthaltes erfahren hat. Bis zu 130 Menschen ließen sich täglich in den ASB-Zelten behandeln. Aufgeschlagen hatte man diese direkt vor der Kirche in Palo, keine 50 Meter von einem Massengrab entfernt. Täglich strömten die Bewohner zu den drei Gottesdiensten - der erste begann bereits um 3 Uhr nachts. Dessen ungeachtet verliefen die Nächte im Camp, das rund um die Uhr bewacht wurde, ruhig. Sie habe sich schnell an die Überwachung gewöhnt, meint Steffi Reiche - im Gegensatz zu den selbst gegrabenen Latrinen und den zu Duschen umfunktionierten Feuerlöschern. Noch mehr hatte sie allerdings mit den extremen Wetterumschwüngen von 40-Grad-Hitze zu Monsunregen zu kämpfen.
Heimweh kam nie auf
Heimweh kam hingegen nie auf - auch nicht an Weihnachten und Silvester. „Dank Internet konnte ich mit meiner Familie Kontakt halten“, sagt sie. Zudem habe sie so unter Adrenalin gestanden, dass sie gar nicht unter Heimweh habe leiden können. „Täglich mussten wir neue Herausforderungen bewältigen“, berichtet sie. Improvisation war dabei nicht gerade selten gefragt. „In Bezug auf Katastrophenmedizin habe ich sehr viel dazugelernt.“
Ob sich der Einsatz gelohnt hat? „Auf jeden Fall. Wir konnten viel Leid beheben. Die Menschen sind nun wieder in der Lage, sich selbst zu helfen“, lautet das Fazit der Bernburgerin, die, wenn sich die Gelegenheit bietet, wieder an einem Einsatz teilnehmen möchte. „Ohne die Unterstützung meines Chefs wäre das allerdings gar nicht möglich gewesen. Er hat mir den Rücken freigehalten“, sagt sie.
In zwei Jahren möchte sie nochmals auf die Philippinen reisen - dann aber privat mit ihrem Mann. „Es ist ein tolles Land mit herzlichen Menschen und einer ganz eigenen Mentalität. Ich möchte sehen, wie sich alles entwickelt hat“, so der Wunsch der 40-Jährigen.