Vermieter will seinen alten Hausanschluss nicht wechseln
BERNBURG/MZ. - "Die denken, wir Vermieter sind Millionäre", schimpft Telle, der auch Mitglied des Bernburger Stadtrates ist und seinen privaten Streit mit dem Verband zum Thema im Stadtrat machen wollte.
Grund für die Auseinandersetzung zwischen dem Eigentümer mehrerer Häuser und dem kommunalen Wasserversorgung ist der Umstand, dass der Verband nach und nach alle Hausanschlüsse mit Bleirohren austauscht. Das verursacht Kosten beim Wasserversorger wie auch bei den betroffenen Grundstückseigentümern. Kosten, die Rainer Telle jedenfalls nicht tragen möchte. Aus seiner Sicht will der Verband diesen Streit nun auf dem Rücken seiner Mieter austragen. Dass in seinem Haus das Wasser abgestellt wurde, erfuhr er telefonisch von den Mietern, als er in der Antarktis war.
Appell an den Stadtrat
Betroffen ist aber weniger der zahlungsunwillige Vermieter sondern die Mieter. Weil es in der Martinstraße 16 nun schon seit Tagen kein fließendes Leitungswasser mehr gibt, wandte sich Mieterin Gabriele Beckert in der Bürgerfragestunde an den Stadtrat. "Ich komme zu Ihnen mit einem akuten, ärgerlichen Problem. Mir bleibt jedoch kein anderer Weg", sagte sie als Vertreterin von drei Mietparteien. "Seit 1. Februar ist bei uns das Wasser abgestellt." Grund sei, dass der Vermieter aus welchen Gründen auch immer, den Hausanschluss nicht erneuern lassen wolle.
"Wir Mieter wussten von der Sache nichts. Und plötzlich standen wir ohne Wasser da." Der Vermieter sei zu diesem Zeitpunkt im Urlaub und nicht zu erreichen gewesen. Mit vielen Mühen sei es schließlich in Absprache mit dem Wasserverband möglich geworden, "dass wir wenigstens alle zwei Tage auf der Straße uns ein paar Eimer Wasser holen können. "Das ist eine Zumutung ohne Gleichen", so Frau Beckert.
Auch bei der Polizei sei sie vorstellig geworden, so Frau Beckert, aber auch da habe ihr niemand helfen können. Das sei eine privatrechtliche Sache, da könne die Polizei nichts tun, zumal es keine Personenschäden gebe, habe die Auskunft der Beamten gelautet. "Ich weiß inzwischen nicht mehr, was ich machen soll. Der Vermieter bleibt hart, der Wasserverband bleibt hart", so die verzweifelte Mieterin. Schließlich gelang es Oberbürgermeister Henry Schütze, zwischen den Mietern und dem Verband zu vermitteln. Das Wasser läuft wieder, allerdings nur befristet. Denn immerhin wohnt noch eine alte Dame, die 86 Jahre alt und herzkrank sei, im Haus.
Grenzwerte für Blei
"Zu diesem konkreten Fall werde ich nichts sagen", so Werner Schulze, der Geschäftsführer des Wasserverbandes in einem Gespräch mit der Mitteldeutschen Zeitung. Seit einigen Jahren werden in Bernburg alle bleihaltigen Hausanschlüsse ausgetauscht. Grundlage dafür ist die Trinkwasserverordnung des Bundes, die im Jahr 2001 vor dem Hintergrund einer EU-Richtlinie novelliert wurde. Festgelegt werden darin Grenzwerte für Blei im Trinkwasser. "Um die zu erreichen, muss das Blei aus den Anschlüssen", so Schulze. Dafür hat der Gesetzgeber eine Frist bis 2013 gesetzt.
Noch rund 600 Anschlüsse
In rund 2 500 bis 3 000 der rund 17 000 Hausanschlüsse in Bernburg wurden auch Bleirohre verarbeitet. Während andere Wasserverbände ihr Austauschprogramm schon beendet haben, müssen in Bernburg noch rund 600 Hausanschlüsse gewechselt werden. "Wir schaffen nur 150 bis 200 Anschlüsse im Jahr und werden damit bis 2013 alle gewechselt haben", ist Schulze sicher. Dabei geht der Verband straßenweise vor. Dazu werden die Arbeiten mit anderen Baumaßnahmen koordiniert. Sperrmaßnahmen und Baustellensicherungen seien dann nur einmal nötig. "Das spart Kosten, auch für die Hauseigentümer", sagt der Geschäftsführer.
Dabei ist ihm völlig bewusst, dass niemand gern die 400 bis 1300 Euro für einen neuen Hausanschluss zahlt. Vor allem Vermieter nicht, weil sich die Kosten nicht auf die Mieten umlegen ließen. Bis zum Petitionsausschuss des Landtags gingen die Beschwerden einiger Hauseigentümer. Recht habe jedoch der Verband bekommen. Denn die Trinkwasserverordnung nehme nicht nur die Wasserversorger sondern auch die Grundstückseigentümer in die Pflicht.
Etwa eine halbes bis ein Jahr vor dem Austausch der Hausanschlüsse werden die Eigentümer das erste Mal vom Verband informiert. "Dann sehen sich unsere Leute alles vor Ort an und schließlich schicken wir ein Schreiben mit der Kostenkalkulation", so Schulze. Auch im Informationsblatt "Der Napper" wurde im Vorfeld über den Austausch der Trinkwasser-Hausanschlüsse informiert. "Wenn jemand das Geld wirklich nicht aufbringen kann, ist es möglich, mit uns eine Ratenzahlung zu vereinbaren", so der Geschäftsführer.
Kündigung als letzter Schritt
Kritischer wird es aus der Sicht von Schulze, wenn sich ein Hauseigentümer weigert, seinen Part beim Austausch des Hausanschlusses zu übernehmen. "Wir dürfen die neue Leitung nicht an den alten bleihaltigen Hausanschluss anschließen", so Schulze. Dann bleibe dem Verband nur, den Versorgungsvertrag zu kündigen und das Wasser abzustellen. Aber das werde dem Hauseigentümer vorher angekündigt, damit dieser reagieren kann.
Das will Rainer Telle nicht akzeptieren. Ihm soll erst mal einer beweisen, dass es wirklich notwendig ist, die Hausanschlüsse zu wechseln, um den Bleigehalt im Wasser auf 0,001 Milligramm je Liter Wasser zu senken, stellt er sich stur. Der Wasserverband könne ihn zum Wechsel seines alten Hausanschlusses nicht zwingen.