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Luftangriffe, Tote, Verwundete Verheerender Luftangriff der Alliierten am 11. April auf Bernburg: Bahnanlagen zerstört, 84 Tote, neun Vermisste

Von Joachim Hennecke 10.05.2020, 12:56
Die Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg hinterließen auf dem Reichsbahngelände in Bernburg schwere Schäden an Lokomotiven und Waggons.
Die Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg hinterließen auf dem Reichsbahngelände in Bernburg schwere Schäden an Lokomotiven und Waggons. Franz Schmidt

Bernburg - Der letzte Kriegsmonat 1945 brachte in Bernburg noch viel Aufregung. Gegen Ende des Krieges, der am 8. Mai vor 75 Jahren endete, hielten sich in der Saalestadt fast 90.000 Menschen auf - doppelt so viele wie die Einwohnerzahl. Unter ihnen waren 4.000 Evakuierte und Flüchtlinge, außerdem 4.000 Verwundete in 20 Lazaretten. Hinzu kamen die zahlreichen ausländischen Fremd- und Zwangsarbeiter.

Von Oktober 1937 bis zum 12. April 1945 wurden vor den Toren der Stadt Bernburg, in Strenzfeld, von einem der größten Endmontagewerke der deutschen Luftfahrtindustrie etwa 10.000 Flugzeuge der Baureihen Ju52, Ju87, Ju 188, Ju388, He111, He162, Mistel Fw190 und Ju88 montiert, eingeflogen und abgenommen.

Obwohl durch fünf Luftangriffe auf die Junkerswerke und den Fliegerhorst Bernburg im Jahr 1944 (am 20. und 22. Februar, 11. April, 29. Juni und 7. Juli) das Gelände durch Bombentrichter in Mitleidenschaft gezogen war, wurde die Produktion nicht nachhaltig beeinträchtigt.

Die 9. US-Armee rückte aus dem Raum Halberstadt in Richtung Magdeburg vor

Die angloamerikanischen Truppen, vor allem die 9. US-Armee, rückten von Westen her immer weiter nach Mitteldeutschland vor. So marschierten sie aus dem Raum Nordhausen-Halberstadt in Richtung Magdeburg über Bernburg vor. In den Abendstunden des 7. März 1945 wurden über Bernburg Brandbomben abgeworfen. Sie richteten etliche Schäden im Stadtgebiet an.

Am 8. April setzte Gauleiter Rudolf Jordan, in Dessau in seiner Eigenschaft als Reichsverteidigungskommissar, für Bernburg einen neuen „Kampfkommandanten“ ein, den Oberstleutnant Schnitter. Ihm unterstanden in Sachen der Stadtverteidigung der Oberbürgermeister der Stadt, Max Eggert, und Kreisleiter Fritz Himmerich.

Stadtkommandant Schnitter erhielt später den Befehl, die Stadt vor dem Zugriff der Amerikaner, die schon vor Magdeburg und Barby standen, zu retten. Auf der Grundlage des Allgemeinen Befehls des Oberkommandos der Wehrmacht zur „Leistung äußersten Widerstandes“ ließ er vor den Toren Bernburgs und im Stadtgebiet 34 Panzersperren aufrichten, Bäume fällen und den Volkssturm einziehen.

Der Bernburger Volkssturm verfügte über rund 600 Mann, 60 Gewehre, 40 Pistolen und etwa 100 Panzerfäuste. Außerdem ordnete er auch die Sprengung der drei Bernburger Brücken (Eisenbahn-, Annen- und SA-Brücke) an. Die Deutschen Solvay-Werke stellten den Betrieb wegen Kohlenmangel ein.

Fünf Tage vor dem Einmarsch der Amerikaner gab es einen verheerenden Angriff

Wenige Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges und fünf Tage vor dem Einrücken der Amerikaner erlebte Bernburg am 11. April einen auf das Industriegebiet des Eisenbahngeländes gerichteten alliierten Luftangriff:

Gegen 10.15 Uhr näherten sich aus westlicher Richtung in einer Höhe von 2.500 Metern sechs Pulks mit je sechs amerikanischen Flugzeugen. Sie schwenkten nach Süden, um von dort aus die Stadt anzugreifen. Das Ziel waren der Güterbahnhof und die Gleisanlagen zwischen Parkstraße und Solvay-Werk sowie die Eisenbahnbrücke. Erst um 10.20 Uhr heulten die Sirenen.

Um 11.40 Uhr folgte die zweite Welle mit 42 Bombern. Sie hatten das gleiche Ziel. Und sie trafen: Haupt- und Nebengleise, das Bahnbetriebswerk mit Lokomotiven, Drehscheibe und Werkstätten wurden beschädigt, Wasser- und Kohleversorgung lahmgelegt. 500 Waggons wurden zerstört, weitere 180 brannten aus oder wurden schwer beschädigt.

Gleise, Lokomotiven, Waggons und Werkstätten wurden bombardiert

Im Nordosten der Eisenbahnbrücke auf dem anderen Saaleufer fielen auf eine kleine Fläche 56 Bomben. Der starke Südwestwind verhinderte, dass die Brücke getroffen wurde. Getroffen wurden dafür auch die Bahnhofstraße, der Martinsplatz, die Hegestraße und Hegebreite sowie der Friedhof II, der total verwüstet wurde.

Es waren hauptsächlich 500-Kilogramm-Bomben, die niedergingen. Ihre Wirkung war verheerend. 27 Häuser wurden total zerstört (Bahnhofstraße, Martinsplatz, Hegebreite, Hegestraße), 22 Häuser an der Hegebreite wurden schwer beschädigt, 35 weitere dort mittelschwer. Zudem wurden 456 leichte Beschädigungen erfasst. Außerdem traf es mehrere Betriebe, unter anderem die Eisengießerei.

Der Friedhof II bot einen Anblick des Grauens, weil Tote aus den Gräbern geschleudert wurden, Schienen und Achsen von Waggons lagen über hundert Meter weit zerstreut herum. Der Angriff forderte 84 Menschenleben, 25 Personen wurden verletzt, neun vermisst.

Fortsetzung folgt (mz)

Ein tiefer Bombentrichter blieb auf dem Friedhof II an der Parkstraße in Bernburg zwischen den Gräbern zurück.
Ein tiefer Bombentrichter blieb auf dem Friedhof II an der Parkstraße in Bernburg zwischen den Gräbern zurück.
Franz Schmidt
An der Hegebreite blieben nach der Bombardierung Bernburgs nur noch diese Reste eines Hauses stehen.
An der Hegebreite blieben nach der Bombardierung Bernburgs nur noch diese Reste eines Hauses stehen.
Franz Schmidt