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Überfall auf Imbissbetreiber in Bernburg Überfall auf Imbissbetreiber in Bernburg: Hohe Haftstrafen wegen versuchten Totschlags

02.05.2014, 09:25
Der Prozess gegen neun mutmaßliche Neonazis im Landgericht in Magdeburg
Der Prozess gegen neun mutmaßliche Neonazis im Landgericht in Magdeburg dpa Lizenz

Magdeburg/dpa - Im Prozess um den Überfall auf einen aus der Türkei stammenden Imbissbetreiber 2013 in Bernburg hat das Landgericht Magdeburg mehrjährige Haftstrafen verhängt. Vier der neun Angeklagten aus der rechten Szene seien des versuchten Totschlags, der gefährlichen Körperverletzung und einer von ihnen auch der Beleidigung schuldig, urteilte die Kammer am Freitag. Die 24- bis 31-Jährigen sollen zwischen fünf und acht Jahre plus zwei Monate ins Gefängnis. Fünf Mitangeklagte wurden freigesprochen.

Einer Verurteilung wegen eines rassistisch motivierten Mordversuchs entgingen die Angeklagten, weil dies laut Gericht nicht nachzuweisen war. „Wir hatten zu prüfen, ob Ausländerhass als niedriger Beweggrund in Betracht kommt“, sagte der Vorsitzende Richter Dirk Sternberg. Ausländerfeindlichkeit habe mitgespielt, es seien auch rassistische Sprüche gefallen. Aber: „Es ist nicht zweifelsfrei feststellbar, dass dass das tragende Motiv war.“

Vielmehr sei es am 21. September 2013 eine spontane, nicht geplante Tat auf dem Bahnhof von Bernburg gewesen, erklärte Sternberg. Dabei habe Alkohol eine Rolle gespielt - die Angeklagten wollten einen Junggesellenabschied feiern. Ein Zeuge habe außerdem gesagt, das Opfer selbst habe einen Stock geschwungen - was der damals 34 Jahre alte Angegriffene bestritt.

„Brutale, menschenverachtende Tatausführung“

Zu Lasten der Angeklagten wurde die „brutale, menschenverachtende Tatausführung“ bewertet: Die Männer hatten ihrem Opfer auch ins Gesicht getreten, als es schon wehrlos am Boden lag. Ohne Notoperation von mehreren Schädelbrüchen hätte der Mann Gutachten zufolge nicht überlebt. Auch die Freundin des Opfers und ein weiterer Mann wurden angegriffen und verletzt.

Dass die neun Angeklagten im Alter von heute 24 bis 33 Jahren der rechten Szene angehören, hatten sie teilweise selbst eingeräumt. Auch Tätowierungen und Vorstrafen wiesen darauf hin. Nach der Urteilsverkündung wurde ein 28 Jahre alter Verurteilter noch im Gerichtssaal verhaftet; die drei anderen saßen bereits in Untersuchungshaft. Einer der Freigesprochenen war Anfang der Woche auf freien Fuß gekommen.

Der Anwalt des Opfers, Sönke Hilbrans, kritisierte das Urteil. Die Täter hätten als Gruppe gehandelt. „Eine Verurteilung wegen versuchten Mordes wäre richtig gewesen.“ Er prüfe nun eine Revision. Sein Mandant erlitt bei dem Angriff bleibende Verletzungen am Auge und ihm stehen weitere Operationen bevor. Die Staatsanwaltschaft hatte in dem Prozess langjährige Haftstrafen für alle neun Angeklagten gefordert, die Verteidigung fast durchweg auf Freispruch plädiert.

Der 34-jährige türkischstämmige Betreiber dieses Imbisses im Bernburger Bahnhof ist bei einem Angriff schwer verletzt worden.
Der 34-jährige türkischstämmige Betreiber dieses Imbisses im Bernburger Bahnhof ist bei einem Angriff schwer verletzt worden.
Engelbert Pülicher Lizenz