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Augenoptik Hüfner in Bernburg Traditionsgeschäfte in Bernburg: Mode-Accessoire statt Makel

Von Torsten Adam 16.01.2017, 11:15
Ralf Hüfner (vorn) und sein Team vom Optiker-Fachgeschäft: Steffi Knechtel (links), Ingo Peter und Ilona Grunert.
Ralf Hüfner (vorn) und sein Team vom Optiker-Fachgeschäft: Steffi Knechtel (links), Ingo Peter und Ilona Grunert. Engelbert Pülicher

Bernburg - Nein, eine große Sause hat es nicht gegeben. Dabei hätten Ralf Hüfner und sein Team vom gleichnamigen Optikergeschäft in Bernburg allen Grund zum Feiern: Am Sonntag jährte sich die Eröffnung des Ladens durch Ralf Hüfners Vater Klaus zum 50. Mal. Es gibt nur noch wenige Geschäfte in der Region, die ein solches Jubiläum vorweisen können.

Tradition reicht noch weiter zurück

Tatsächlich hat der Verkauf von Brillen im Haus Wilhelmstraße 13a eine noch viel längere Tradition. Nach MZ-Recherchen hatte Wilhelm Frank bereits 1934 seinen Optiker-Laden hier eingerichtet und bis zum Ruhestand 1967 betrieben. Ausgerechnet sein Schwiegersohn Wolfgang Helling machte ihm später Konkurrenz - ein paar Häuser weiter die Straße hinauf eröffnete dieser 1960 sein eigenes Geschäft.

Beide Läden existieren bis heute - es sind die einzigen der Stadt, die es schon zu DDR-Zeiten in diesem Handwerk gab und der Verstaatlichung entgingen, die auch den bis dahin weitgehend unbehelligt gebliebenen Optikern ab Mitte der 80er Jahre drohte.

Der Traum von der Selbständigkeit

Als Klaus Hüfner davon erfuhr, dass in Bernburg ein Laden übernommen werden könnte, zögerte der Optikermeister nicht lange und griff zu. Bis dato in Halle angestellt, erfüllte sich der gebürtige Thüringer seinen Traum von der Selbstständigkeit und zog mit der Familie saaleabwärts. Unterstützt von seiner Ehefrau als Gesellin führte er unter seinem Namen ab 15. Januar 1967 das Franksche Geschäft weiter.

Viel Masse, wenig Klasse

Das Angebot an die Kunden damals ist mit dem von heute nicht mehr vergleichbar. „Viel Masse, wenig Klasse“, schätzt Sohn Ralf Hüfner die Brillenauswahl von einst ein. Nahezu alles sei damals in Rathenow produziert worden. „Die Gläser mit dem Carl-Zeiss-Zeichen kamen gar nicht aus Jena, sondern waren lediglich Ausdruck bester Qualität“, klärt er auf.

Der heute 55-Jährige ließ sich frühzeitig fürs Handwerk seiner Eltern begeistern. Auch wenn es gar nicht sicher war, dass er den Laden mal übernehmen würde dürfen, da die DDR-Staatsführung eine Übernahme privater Geschäfte durch die Kinder zwischenzeitlich ausschließen wollte. Doch es kam glücklicherweise anders.

Gang an die Meisterschule wurde verwehrt

Als Ralf Hüfner die EOS „Karl Marx“, das heutige Carolinum besuchte, ergab sich wieder die Möglichkeit, den Betrieb in Familienhand zu lassen. Der Junge machte sein Abitur, absolvierte den Grundwehrdienst in der NVA und nahm seine Lehre auf.

„Die Gesellenprüfung habe ich nur mit der Note 1,1 abgeschlossen“, sagt Ralf Hüfner schmunzelnd. Die sofortige Aufnahme an der einzigen Meisterschule der DDR in Jena war ihm jedoch verwehrt, eine Wartezeit von sechs bis acht Jahren drohte.

Dann folgte doch das Studium nebenbei

Doch wiederum hatte der Bernburger Glück. Das gerade in der Republik neu eingeführte Modell eines berufsbegleitenden Studiums bot Ralf Hüfner die Chance, weiter im elterlichen Laden und parallel an seinem Meisterbrief arbeiten zu können. Drei Wochen Praxis wechselten mit einer Woche Studium in Eisleben und Jena ab. „1989 hatte ich den Meisterbrief in der Tasche.“

Tod des Vaters zwang zur Übernahme

Und er sollte ihn schon bald wider Willen benötigen. Der Tod seines Vaters im Alter von nur 64 Jahren zwang Ralf Hüfner 1992, den Laden zu übernehmen. Er renovierte ihn, ließ ihm jedoch seinen Charme der traditionellen Holz-Optik. Die Gewerberäume in dem Haus, das seine Eltern in den 1980er Jahren gekauft hatten, erweiterte der gebürtige Weimarer nach hinten.

Er richtete unter anderem einen modernen Beratungsraum für Kontaktlinsen-Kunden ein, wo er in den Pausen ab und zu auch auf dem Cello übt. Seit sechs Jahren spielt er das große Musikinstrument, seine Frau Heike Klavier. „Wir sind eine musikalische Familie. Man ist nie alt genug für sowas“, sagt das Gründungsmitglied der Bernburger Musikschule.

Neben seinen Angestellten Steffi Knechtel und Ingo Peter steht auch Ilona Grunert noch immer als gute Seele im Laden. Sie fing hier im September 1968 als Lehrling an und blieb dem Geschäft zeitlebens treu. „Ich möchte nicht den ganzen Tag zu Hause sitzen“, ist sie froh, auch als Rentnerin noch ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen zu können.

Ilona Grunert ist die Konstante des Ladens

Während Ilona Grunert über nunmehr 49 Jahre die Konstante des Ladens ist, hat sich dessen Angebot mit der Umstellung von der Plan- in die Marktwirtschaft völlig gewandelt. „Gleitsichtgläser, andere Spezialgläser oder taugliche Kontaktlinsen gab es früher gar nicht, heute existieren hunderte Hersteller“, sagt Ralf Hüfner.

Geändert habe sich auch das Nutzungsverhalten der Kunden. „Damals war es normal, die Brille alle zwei Jahre zu wechseln, weil es nichts kostete.“ Heutzutage würden die Träger in der Regel ihre Gläser aus Kostengründen länger behalten. „Mit den Preisen ist aber auch die Qualität gestiegen“, betont der Optikermeister.

Kassenentscheidung hat die Firma nicht aus der Bahn geworfen

Das Ende der Bezuschussung der Brillenkosten durch die gesetzlichen Krankenkassen vor einigen Jahren habe auch den kleinen Familienbetrieb getroffen. „Aber auch das hat uns nicht aus der Bahn geworfen“, sagt Ralf Hüfner. Diesen Einschnitt zu überwinden, dazu hat der Modetrend beigetragen. Brillen gelten heutzutage gerade unter jungen Leuten als hipp und schickes Accessoires, früher waren sie eher ein Makel.

Der 55-Jährige hat festgestellt, dass in Deutschland der Trend zur Brille geht, gerade einmal zwei Prozent der Besucher im Laden wünschen Kontaktlinsen. Und auch die zunehmende Zahl an Computer-Arbeitsplätzen beschert den Optikern einen größeren Kundenkreis.

Wer tritt in seine Fußstapfen?

Über seine eigene Nachfolge verschwendet Ralf Hüfner derzeit noch keine ernsthaften Gedanken. Aus der Familie wird wohl keiner in seine Fußstapfen treten. Eine der beiden Töchter hat im Vorjahr mit ihrem Mann die Rote Apotheke übernommen, die andere wandelt auf den Spuren ihrer Mutter und befindet sich in der Facharztausbildung. „Und die Enkel sind noch zu klein“, sagt Ralf Hüfner.

Sehr wohl steht hingegen fest, was er mit Geldgeschenken macht, die er zum 50-jährigen Geschäftsjubiläum erhält: „Ich engagiere mich seit Jahren für Kinderplanet, einen Verein, der sich in Halle um krebskranke Kinder kümmert.“ Den anderen Teil des Erlöses will er der Musikschule spenden.

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Läden eröffnen, wechseln den Besitzer oder ihren Standort, sie schließen wieder. Und doch gibt es sie noch - die Traditionsgeschäfte in der Region, die teilweise sogar verschiedenste Gesellschaftsformen mit- und überlebt haben. In Bernburg mehr als in den umliegenden Kleinstädten und Dörfern, die aufgrund der niedrigen Kaufkraft noch viel mehr mit der wachsenden Konkurrenz aus dem Internet zu kämpfen haben.

Aber  eben nicht jede Dienstleistung und jedes Produkt lässt sich heutzutage mit einem Mausklick online nach Hause bestellen. Was wäre das für ein Leben ohne Bäcker, Fleischer, Friseure, Modeboutique, Optiker oder Tabakhändler  vor Ort?

Die MZ wird in der neuen Serie „Unsere Schaufenster“ einmal wöchentlich Geschäfte im Altkreis Bernburg vorstellen, die mindestens ein Jubiläum gefeiert haben, die es also schon 25 Jahre und länger gibt. (mz)

Ein Bild aus den 1980er Jahren. Die alten Kachelfliesen am Sockel, längst durch Naturstein ersetzt, entstammen dem einst benachbarten Fleischer.
Ein Bild aus den 1980er Jahren. Die alten Kachelfliesen am Sockel, längst durch Naturstein ersetzt, entstammen dem einst benachbarten Fleischer.
privat