Tödliche Angriffe in Psychiatrie Tödliche Angriffe in Psychiatrie: Würgeattacke ohne Grund - 21-Jährige vor Gericht

Bernburg - Wie sicher sind Patienten in der Bernburger Salus-Psychiatrie? Diese Frage stellt sich nach dem gewaltsamen Tod von zwei Menschen im vergangenen Sommer. Sie waren jeweils von ihren Zimmernachbarn angegriffen worden.
In der Nacht zum 3. Juli 2018 hatte ein 89-jähriger Mann in der gerontopsychiatrischen Abteilung seinen einige Monate älteren Zimmermitbewohner erschlagen. Aufgrund seiner ausgeprägten Alzheimer-Erkrankung stufte ein Gutachter den Angreifer als nicht schuldfähig ein.
Auch im zweiten Fall, der sich sechs Wochen später ereignete, geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass die mutmaßliche Täterin für die Attacke nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann. Die 21-Jährige muss sich seit Dienstag wegen Totschlags vor dem Landgericht Magdeburg verantworten.
Sie soll am 14. August gegen 20 Uhr in der Aufnahmestation ihre 91 Jahre alte Zimmermitbewohnerin grundlos gewürgt haben. Laut Anklageschrift brachen bei der Seniorin Zungenbein und Schildknorpel - sie erlag diesen schweren Verletzungen vier Tage später in einem anderen Krankenhaus.
Beschuldigte zuvor obdachlos
Ist die Gefährlichkeit der Beschuldigten, deren Krankheitsbild bisher noch nicht vor Gericht erläutert wurde, in der Salus-Klinik unterschätzt worden? Die 21-Jährige war bis dato zumindest strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Offenbar wird das Angriffspotenzial der gebürtigen Brandenburgerin, die keinen festen Wohnsitz hat, mittlerweile anders eingeschätzt. Justizbeamte führen die stämmige Frau mit dem Kurzhaarschnitt an Händen und Füßen gefesselt in den Gerichtssaal. Seit der Attacke ist sie im Fachklinikum Uchtspringe untergebracht, ebenfalls eine Einrichtung der landeseigenen Salus gGmbH.
Im Fall des 89-Jährigen, der seinen schlafenden Mitbewohner mit seinem Gehstock erschlug, hätte das Aggressionspotenzial im Vorfeld bekannt sein müssen. Denn der an Alzheimer Erkrankte war wenige Tage vor der Tat in die Psychiatrie gebracht worden, weil er seine Ehefrau nicht nur angeschrien, sondern auch mit der Faust ins Gesicht geschlagen hatte. Vor Gericht sagte sie später aus: „Ich habe Angst vor meinem Mann.“ Er war zwei Jahre in russischer Kriegsgefangenschaft. Diese traumatischen Erinnerungen hätten ihn zuletzt immer wieder eingeholt, sagte seine Frau. Warum dem Mann dennoch ein Doppelzimmer zugewiesen wurde, ist unklar.
21-Jähriger droht lebenslange Sicherungsverwahrung
„Die Patienten erhalten nach ihrer Aufnahme eine differenzierte fachärztliche Diagnostik. In diesem Zusammenhang wird auch eingeschätzt, inwiefern aufgrund der Erkrankung eine Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegt, die einer besonderen Überwachung und therapeutischen Einflussnahme bedarf“, sagt Salus-Sprecherin Franka Petzke. Dennoch könne es „in sehr seltenen Ausnahmefällen dazu kommen, dass bei bestimmten psychischen Störungen fremdaggressive Impulse abrupt auftreten und deshalb nicht verhindert werden können, weil sie im Vorfeld nicht erkennbar sind“.
Die beiden Todesfälle hätten für Betroffenheit in der Belegschaft gesorgt und seien auch Anlass, das eigene Handeln selbstkritisch zu prüfen und nach möglichen Verbesserungen zu suchen. Welche das konkret sind, ließ die Salus-Sprecherin offen. Grundsätzlich werde der Weiterbildung des Personals ein hoher Stellenwert beigemessen. Beispielsweise sei in Bernburg ein professionelles Deeskalationstraining etabliert worden, „das Ärzten und Pflegekräften hilft, auch den Umgang mit hoch angespannten Patienten vorausschauend, verständnisvoll und sicher für alle Beteiligten zu gestalten“.
Dauerhaft in die Psychiatrie?
Der 21-jährigen Beschuldigten droht eine lebenslange Sicherungsverwahrung in der Psychiatrie. Vorausgesetzt, die 2. Strafkammer des Landgerichts gelangt zum Schluss, dass sie schuldunfähig ist, die Tat begangen hat und für die Allgemeinheit gefährlich ist. Zu den Vorwürfen gegen schwieg die junge Frau bislang.
Und sie wird auch vor Gericht nicht aussagen, erklärt ihre Verteidigerin. Der Prozess wird am Freitag, 8. März, mit der Vernehmung von sieben Zeugen fortgesetzt. Gehört werden auch zwei Sachverständige. Insgesamt sind vier Verhandlungstage terminiert.
Das Urteil wird am Donnerstag, 14. März, erwartet. (mz)