Die etwas andere Gartensparte Strenzfeld II bei Bernburg ist die etwas andere Gartensparte: Kein Strom, aber viel junge Pächter

Strenzfeld - Das Unkraut steht hüfthoch. Die Hecke ist nicht verschnitten. Und Gemüsebeete sucht man vergeblich. Wer nun meint, dieser Garten wäre nicht bewirtschaftet, der irrt.
In der Gartensparte „Strenzfeld II“ gibt es einige Parzellen, die nicht den üblichen Vorstellungen eines ordentlichen deutschen Kleingartens entsprechen. Man sehe das allgemein nicht zu eng, meint der Vereinsvorsitzende Siegmar Brandt.
Schon allein, weil unter den Pächtern auch zahlreiche Studenten sind, die eben nicht jeden Tag Zeit haben, ihren Garten zu pflegen. Dennoch wolle man die jungen Leute nicht missen. „Wir wollen vor allem zufriedene Pächter haben“, betont Brandt, der selbst seit etwa zwölf Jahren in der Sparte einen Garten bewirtschaftet.
Angelegt im Jahr 1969, gab es ursprünglich 100 Kleingärten mit je 200 Quadratmeter Fläche
Gegründet wurde die Anlage 1969 von der Hochschule. Seinerzeit zogen viele junge Leute in die Neubaublocks, weiß Horst Wiegand, der älteste Pächter in der Sparte. Damit jene neuen Mieter damals auch die Möglichkeit hatten, einen Garten zu bewirtschaften, legte man in unmittelbarer Nähe die Kleingartensparte an, die später noch einmal erweitert wurde, sodass insgesamt über 100 Gärten à 200 Quadratmeter zur Verfügung standen.
Doch die reichten bei weitem nicht aus, so groß sei die Nachfrage gewesen, erzählt Wiegand. „Daher wurden die Gärten verlost.“ Er selbst und seine Frau hatten Glück: Ihnen wurde ein Garten zugelost, obwohl sie an jenem Tag gar nicht da waren.
Und sie sind bis heute leidenschaftlich dabei, obwohl es lange Zeit weder Wasser noch Strom gab. Erst nach der Wende haben die Kleingärtner beim Bau einer Wasserleitung mit angepackt. „Strom haben wir aber nach wie vor nicht“, sagt Wiegand.
Nach 1990 wurde eine Wasserleitung verlegt, Strom gibt es aber keinen in Strenzfeld II
Weil aber nach und nach auch mehr Gärten leer standen, unter anderem, weil die Pächter wegzogen, drohte der Anlage vor einigen Jahren sogar das Aus: Als die Stadt Bernburg vor vier Jahren ein Kleingartenkonzept erarbeitete, gehörte Strenzfeld II zu jenen Anlagen, die platt gemacht werden sollten.
Doch dann habe man aktiv Studenten geworben - nicht auf die konservative Weise am Schwarzen Brett. Sondern über moderne Kommunikationswege, wie etwa Facebook. Tatsächlich ging diese Überlegung auf. 16 Gärten sind zurzeit an Studenten verpachtet. „Ohne sie geht es nicht mehr“, sagt Brandt.
Dabei bekämen sie spezielle Verträge, die sich eben an den Rhythmus der Studenten anpassen, ergänzt sein Stellvertreter Matthias Bley. Zwei dieser Studenten sind Valentin Busch und Tim Sawras, die gleich den ersten Garten ganz vorn bewirtschaften.
16 Kleingärten in der Sparte Strenzfeld II sind inzwischen an Studenten der Hochschule Anhalt verpachtet
Beide studieren Landschaftsarchitektur und wollen sich in der Praxis etwas ausprobieren. Nicht nur beim Gemüseanbau, sondern auch bei der Gestaltung des Gartens. „Es soll vor allem gut aussehen“, meint Tim Sawras. Als sie vor anderthalb Jahren mit dem Studium begonnen haben, haben sie auch einen Ausgleich gesucht.
Zumal sie im Wohnheim leben und somit ein bisschen grüne Freifläche vermisst haben. Beide haben bisher nur wenig Erfahrung als Kleingärtner: Während der Hallenser Valentin Busch als Kind seinen Großeltern etwas zur Hand ging, hat der Köthener Tim Sawras den Eltern ein wenig über die Schultern geschaut.
In ihrem eigenen Garten können sie sich nun etwas ausprobieren - und natürlich auch mit Freunden zum Grillen verabreden. Sie haben allerdings nicht über die Sozialen Medien, sondern - ganz klassisch - über Mundpropaganda von der freien Fläche erfahren, die sie nun nach und nach nach ihren Vorstellungen herrichten.
Individuell gestaltet ist auch der Garten des zweiten Vorsitzenden Matthias Bley. Ein Hingucker ist beispielsweise der selbst gebaute Ofen. Hier backen der 40-Jährige und seine Partnerin selbst Brot und Pizza. Auch das Gewächshaus haben die beiden selber gebaut. Bis der Garten überhaupt nutzbar war, hätten sie zwei Jahre gebraucht, erzählt Bley.
Er sei völlig verwildert gewesen. Inzwischen wachsen hier wieder Blumen und Gemüse. Und noch eines zeichnet diesen Garten aus: Es ist der einzige, in dem es Strom gibt. Bley selbst hat sich eine kleine Solaranlage auf seine Laube gebaut, so dass er beispielsweise einen Kühlschrank anschließen an.
„Unsere Tochter Pauline soll sehen, wie etwas wächst, was man selber angebaut hat“, sagt ihre Mutter Anika Voß
Strom, ja den vermissen Anika und Sebastian Voß schon so manches Mal. Etwa, wenn sie sich Freunde in ihrem Garten einladen. Dann gibt es weder Licht noch gekühlte Getränke. Ansonsten aber genießen sie die Auszeiten in ihrem Garten, den sie seit rund elf Jahren gepachtet haben.
Ihre Tochter Pauline war gerade ein paar Monate alt, da habe sich die Gelegenheit ergeben, einen Garten zu bekommen. „Sie soll auch sehen, wie etwas wächst, was man selber angebaut hat“, sagt Anika Voß, die an der Hochschule in Strenzfeld Landschaftsarchitektur studiert hat.
Sie selbst sei ein Dorfkind, erzählt die 36-Jährige. Und so ein Stück weit fühlt sie sich in ihrer grünen Oase wie auf dem Land. Obendrein war hier seinerzeit genug Platz, für die Tochter einen eigenen „Spielplatz“ zu bauen - mit Rutsche, Schaukel und Trampolin. Denn einen richtigen Spielplatz gebe es ja in Strenzfeld nicht, erzählt Anika Voß. Ihr Mann schätzt vor allem, dass er im Garten vom Job abschalten kann. (mz)

