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Eskalation: Abriss wegen Verfall? Streit in Bernburg - Vermieter hat Bewohnern von Hofgemeinschaft gekündigt: Die bleiben, auch ohne Strom und Wasser

In einer Wohngemeinschaft an der Staßfurter Straße im Bernburger Stadtteil Waldau eskaliert ein Streit zwischen Vermieter und Mietern.

Von Thomas Weißenborn Aktualisiert: 08.06.2023, 11:08
Sabrina Hamann und Guntram Schierenberg müssen sich Wasser zum Waschen und Kochen mit Eimern aus einer benachbarten Scheune holen. In ihrem Haus hat der Vermieter das Wasser abgestellt.
Sabrina Hamann und Guntram Schierenberg müssen sich Wasser zum Waschen und Kochen mit Eimern aus einer benachbarten Scheune holen. In ihrem Haus hat der Vermieter das Wasser abgestellt. (Foto: Thomas Weißenborn)

Bernburg/MZ - „Stell mir den Strom wieder an. Dann kann ich mich um eine neue Wohnung kümmern und bin hier in Kürze verschwunden“, sagt Guntram Schierenberg, als er seinem Vermieter gegenübersteht. „Es gibt keinen Strom mehr“, erwidert Willem Volbeda unversöhnlich. In einer Wohngemeinschaft in Waldau ist der Streit zwischen den fünf Mietern und dem Vermieter eskaliert.

Haus mit langer Geschichte

Dabei hatte alles so harmonisch angefangen. Im Jahr 2008 hatte Willem Volbeda aus den Niederlanden das alte Gutshaus an der Staßfurter Straße gekauft. Das Gebäude hat eine bewegte Geschichte. Fürstin Friederike zu Anhalt Bernburg ließ es Mitte des 19. Jahrhunderts bauen. Sie war sehr sozial eingestellt. Das Haus ist seinerzeit zur Rettung armer verlassener Kinder errichtet worden. Sie erhielten ein Dach über den Kopf, wurden versorgt und sind meist in landwirtschaftlichen Berufen geschult worden, um später für sich selbst sorgen zu können. Viele Bernburger kennen die Einrichtung aus DDR-Zeiten noch als „Station Junge Naturforscher und Techniker“ sowie als Internat des Lehrerbildungsinstituts.

Traum einer funktionierenden Hofgemeinschaft

Als Willem Volbeda das Haus übernahm, war es „eigentlich nur noch eine Ruine“, erzählt er. Mit viel Eigeninitiative hat er im Laufe der Jahre den Verfall gestoppt und das Gebäude so gut es ging saniert. Er ist selbst in der Baubranche tätig und sein Wissen und Können kamen ihm dabei zugute. Um nicht alles allein stemmen zu müssen, lud er Interessenten ein, für wenig Geld in einer Art Hofgemeinschaft auf dem Grundstück zu wohnen. Nur ein Beitrag für Strom und Wasser wurde verlangt. Dafür sollten die Mieter bei der Sanierung der Wohnungen helfen. Es war der Traum einer funktionierenden Gemeinschaft.

Seit vier Jahren wohnt Sabrina Hamann mit ihrer Familie in einem der Nebengebäude. Ebenso der 73-jährige Guntram Schierenberg. Insgesamt fünf Mieter leben zurzeit mit auf dem Grundstück des Holländers. „Anfangs lief auch alles gut“, erzählt Guntram Schierenberg. „Doch seit ungefähr zwei Jahren gibt es ständig Streit.“

Vermieter will Haus abreißen

Diese Auseinandersetzung scheint seit Anfang dieses Jahres völlig aus dem Ruder zu laufen. Gegenseitige Vorwürfe machen die Runde und vergiften die Atmosphäre. „Die Kosten für Strom und Wasser haben die Mini-Beiträge der Mieter bei weitem überstiegen“, erklärt Willem Volbeda. Außerdem habe er festgestellt, dass das Fundament des Nebengebäudes, in dem die Mieter wohnen, desolat ist. Und tatsächlich kann man manche Sandsteine, auf denen das Backsteingebäude errichtet ist, mit der Hand aus dem Fundament ziehen. Es sei so sanierungsbedürftig, dass das Haus nur noch abgerissen werden könne, schätzte Willem Volbeda selbst ein und sprach seinen Mietern mit dieser Begründung im Frühjahr die Kündigung aus. Drei Monate gab er ihnen Zeit, sich eine neue Wohnung zu suchen.

„Die Begründung mit dem Fundament ist Quatsch“, glaubt Guntram Schierenberg. Um beweisen zu können, dass es wirklich so schadhaft ist, dass ein Abriss unumgänglich ist, sei ein amtliches Gutachten nötig - er schaltete einen Anwalt ein. Der Mieter ist der Meinung: „Die Kündigung ist gegenstandslos.“

Inzwischen ist die Kündigungsfrist verstrichen. Willem Volbeda legte daraufhin eine härtere Gangart ein. Vor zwei Monaten stellte er seinen Mietern den Strom ab. Seitdem sind seine Stromkosten von monatlich 618 Euro auf 80 Euro gesunken, behauptet er. Wer zuvor so viel Energie verbraucht haben soll, lässt sich nicht nachvollziehen. Es gibt für das gesamte Grundstück nur einen Zähler.

Nach Strom nun auch Wasser abgestellt

Vor zwei Wochen drehte Willem Volbeda seinen Mietern auch noch das Wasser ab. Zum Waschen und Kochen müssen Guntram Schierenberg und Sabrina Hamann fortan aus einer Scheune nebenan das Wasser mit Eimern holen. Da es keinen Strom gibt, nutzen sie seit Wochen Campingkocher. „Zum Waschen gehe ich manchmal ins Hallenbad“, klagt Guntram Schierenberg.

Vermieter demoliert Dach am eigenen Haus

Doch es kam noch schlimmer. Eines Abends beobachtete er, wie Willem Volbeda aufs Dach stieg und begann, die Ziegel mit einem Hammer zu zerschlagen. „Das halbe Dach hat er zertrümmert“, behauptet Guntram Schierenberg. „Wenn jemand sein eigenes Dach kaputt macht, muss ich mich fragen, wer hier den Dachschaden hat“, sagt er.

Vermieter Willem Volbeda will die Gebäude abreißen und hat angefangen, die Dachziegel zu entfernen.
Vermieter Willem Volbeda will die Gebäude abreißen und hat angefangen, die Dachziegel zu entfernen.
(Foto: Guntram Schierenberg)

„Ich habe mit dem Abriss begonnen. Das habe ich doch angekündigt“, erklärt Willem Volbeda dazu. Die Wohnung, die sich unter dem Loch im Dach befinde, hätte außerdem gar nicht bewohnt sein dürfen. Guntram Schierenberg habe diese unerlaubt bezogen, erklärt der Holländer.

Die Situation ist offensichtlich völlig verfahren. Guntram Schierenberg erklärt, den Vorgang bereits angezeigt zu haben. „So kann man mit Menschen nicht umgehen“, sagt er und hofft, dass am Amtsgericht der Fall bald bearbeitet wird.