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Straßenausbaubeiträge Straßenausbaubeiträge in Bernburg: Anliegern im Sanierungsgebiet wird bis zu 12 Prozent Rabatt gewährt

Von Torsten Adam 06.01.2019, 09:55
Ob Anwohner für die Pflasterreparatur in der Beethovenstraße in Bernburg zahlen müssen, ist noch ungeklärt.
Ob Anwohner für die Pflasterreparatur in der Beethovenstraße in Bernburg zahlen müssen, ist noch ungeklärt. Pülicher

Bernburg - Vier Bundesländer haben Straßenausbaubeiträge abgeschafft, ähnliches wird derzeit in Sachsen-Anhalt heiß diskutiert. Welche Vor- aber auch Nachteile dies für Grundstückseigentümer hätte, darüber sprach MZ-Chefreporter Torsten Adam mit Finanzdezernentin Silvia Ristow und Stadtentwicklungsdezernent Holger Dittrich aus der Stadtverwaltung Bernburg.

Was halten Sie persönlich von einer Abschaffung der Beitragspflicht?
Silvia Ristow: Ich habe an der Stelle zwiespältige Gefühle. Bürger sind durch die Beiträge zum Teil hohen Belastungen ausgesetzt. Ich teile auch nicht die These, dass durch den Straßenausbau unbedingt der Grundstückswert in selber Höhe steigt. Andererseits wird der Bedarf an Erneuerungen rasant steigen, wenn man den Menschen sagt, das kostet sie nichts. Außerdem sind Straßenausbaubeiträge nur Teil eines Portfolios, zu denen auch Erschließungs- oder Ausgleichsbeträge gehören.

Holger Dittrich: In meiner Brust schlagen ebenfalls zwei Herzen, aber aus einem anderen Grund. Ich bin bei Anliegerversammlungen immer derjenige, der den Ärger zu spüren bekommt. Es würde meiner Gesundheit sicher gut tun, würden die Beiträge wegfallen. Dies würde aber zu neuen Ungerechtigkeiten führen, weil beispielsweise zwei Drittel des Stadtzentrums, die als sogenanntes Sanierungsgebiet ausgewiesen sind, von einer Neuregelung nicht betroffen wären.

Wie viel Geld müssen die Menschen im Sanierungsgebiet denn zahlen?
Dittrich: Nach Abschluss des Sanierungsziels in dem Viertel wird für die damit verbundene Wertsteigerung des Grundstücks ein Ausgleichsbetrag zwischen 5 und 15 Euro je Quadratmeter erhoben.

Ristow: Wir bieten aber einen Rabatt von derzeit bis zu zwölf Prozent an, wenn die Anlieger eher zahlen. Von dieser Möglichkeit haben bereits 69 Prozent der Grundstücksbesitzer Gebrauch gemacht. Dieses übliche Verfahren ermöglicht uns, mit dem eingenommenen Geld weitere Sanierungsmaßnahmen anzugehen.

Dittrich: Das Sanierungsgebiet wird jedoch voraussichtlich im Jahr 2023 aufgehoben.

Ristow: Jede weitere Baumaßnahme wird anschließend straßenausbaubeitragspflichtig für die Grundstücksbesitzer werden, wenn sich die Gesetzeslage nicht ändert. Der oben genannte Sanierungsbetrag für das Territorium unterliegt der Bundesgesetzgebung, weil dort auch Fördermittel des Bundes investiert worden sind.

Im Landtag stehen die Beiträge zur Debatte. Erwarten Sie da eine baldige Entscheidung?
Dittrich: Ja, im Verlauf des nächsten Jahres. Mein Eindruck ist, dass das Thema für den Kommunalwahlkampf genutzt werden soll. Aber wir alle wissen, dass der Teufel im Detail steckt. Inhaltlich besteht eine völlig falsche Erwartungshaltung der Öffentlichkeit.

Inwiefern?
Ristow: Zwar haben sich SPD-Landtagsabgeordnete zunächst öffentlich für ein Ende der Beitragspflicht ausgesprochen, ebenso die Linke und meines Wissens nach auch die AfD.

Aber laut dem vorliegenden Gesetzentwurf der Koalition aus CDU, SPD und Grünen soll bei den Straßenausbaubeiträgen alles so bleiben wie bisher. Lediglich bei Kanalbauten soll künftig auf Gebühren umgestellt werden können.

Unterm Strich könnte das für den Bürger sogar teurer werden, weil eine Gebühr über Anlagenutzungsdauern bis zu 80 Jahre kalkuliert wird und wiederkehrend bezahlt wird statt auf einen Schlag.

Falls der Landtag nichts zeitnah beschließt, befürchten Sie dann, dass Betroffene auf Teufel komm raus einen Ausbau verzögern bis die Beitragspflicht eventuell fällt?
Ristow: Nein, das kann ein Bürger grundsätzlich gar nicht. Die Vorhaben werden entsprechend der Notwendigkeit vom Hauptausschuss oder Stadtrat beschlossen.

Dittrich: 2019 ist dennoch bis auf in der Johann-Rust-Straße keine beitragspflichtige Maßnahme vorgesehen, die einen Privaten betrifft. Wir erhoffen uns natürlich Klarheit, wie es danach weitergeht.

Wie würde die Stadt künftig den Straßenausbau finanzieren wollen, wenn die Anlieger nichts mehr zahlen müssen? Haben Sie, Frau Ristow, da als Finanzdezernentin eine Idee?
Ristow: Ohne Kompensation durch das Land müssten wir Kredite aufnehmen, müssten andere Investitionen streichen oder den Schuldenabbau reduzieren.

Dittrich: Der Straßenausbau im Bernburger Haushalt ist trotz der Anliegerbeiträge schon jetzt unterfinanziert. Wir bräuchten jedes Jahr ungefähr eine Million Euro, um den Sanierungsstau in der Infrastruktur nicht weiter zu vergrößern.

Tatsächlich können wir nur etwa die Hälfte davon ausgeben. Laut unseren Berechnungen würde ein kompletter Ausbau der Straßen in der östlichen Stadterweiterung (zwischen Boulevard und Bahnhofstraße) und in der südlichen (zwischen Gröbziger und Olga-Benario-Straße) allein rund 25 Millionen Euro kosten.

Haben Sie vielleicht einen Vorschlag für eine Lösung, die allen Interessenlagen gerecht werden könnte?
Dittrich: Nein, das halte ich für ausgeschlossen.

Ristow: Ungerechtigkeiten sind nicht zu unterbinden, wenn es einen Stichtag gibt. Das betrifft übrigens alle Finanzbereiche des Lebens, sonst könnte man ja nie etwas ändern.

Auch bei den jetzigen Berechnungsparametern ist absolute Gerechtigkeit nicht herzustellen. Ist die Straßenfrontlänge eines Grundstücks richtiger als die Grundstücksgröße oder die Geschossigkeit des darauf stehenden Gebäudes? (mz)

Die Dezernenten Silvia Ristow und Holger Dittrich im Interview mit der MZ.
Die Dezernenten Silvia Ristow und Holger Dittrich im Interview mit der MZ.
Engelbert Pülicher