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Stadtpark Alte Bibel in Bernburg Stadtpark Alte Bibel in Bernburg: Denkmal-Status für Lohelandhaus ein Skandal?

Von Torsten Adam 09.05.2017, 11:45
Das Lohelandhaus steht seit drei Jahren unter Denkmalschutz.
Das Lohelandhaus steht seit drei Jahren unter Denkmalschutz. Engelbert Pülicher

Bernburg - Die sechs Din-A4-Seiten, die Jürgen Weigelt (CDU) vor einigen Tagen an jedes Stadtratsmitglied und die Verwaltungsspitze im Bernburger Rathaus verschickt hatte, entbehren nicht einer gewissen Brisanz.

Enthalten sie doch die Recherchen des ehemaligen Museumsdirektors zum umstrittenen Lohelandhaus im Stadtpark Alte Bibel, ganz speziell zu dessen Rolle in der Zeit des Nationalsozialismus.

Sein Fazit, während der jüngsten Stadtratssitzung vorgetragen, fällt vernichtend aus: „Ich halte es für einen Skandal, dass dieser KdF-Tanztempel, von NS-Gnaden errichtet, heute noch ein Denkmal ist.“ KdF ist die Abkürzung für die nationalsozialistische Gemeinschaft „Kraft durch Freude“.

Weigelt geht damit auf Konfrontationskurs zum Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie, das die stark sanierungsbedürftige Immobilie vor drei Jahren ohne Anhörung der Stadt Bernburg als Baudenkmal eingestuft hatte - und damit zumindest vorerst den beabsichtigten Abriss verhinderte.

2013 hatte der Stadtrat nämlich mehrheitlich beschlossen, das Lohelandhaus aus privater Hand zu erwerben, abzureißen und auf der Fläche bis zu 40 Stellflächen gegen die Parkplatz-Knappheit in der Innenstadt zu schaffen.

NS-Zeit ausgeblendet

Weigelt kritisiert nun, dass die Denkmalschützer die NS-Zeit in ihrer Begründung, warum das Objekt unbedingt erhaltenswert ist, gänzlich ausgeblendet haben. Darin heißt es wörtlich: „Die Eintragung als Baudenkmal erfolgte aufgrund der geschichtlichen und kulturell-künstlerischen Bedeutung der ehemaligen (...) Gymnastikhalle.“

Welche Rolle spielte die Loheland-Bewegung tatsächlich im Dritten Reich? Die Quellenlage dazu ist spärlich. Im Archiv der Loheland-Stiftung sind aus der Zeit zwischen 1930 und 1945 keine Unterlagen mehr vorhanden. Sie sind „bezeichnenderweise alle vernichtet“ worden, wirft der Ex-Landtagsabgeordnete damit die Frage auf, ob ein dunkles Kapital der Reformbewegung bewusst aus der Geschichtsschreibung getilgt worden ist?

Fest steht laut Weigelt, dass sowohl in der hessischen Loheland-Siedlung als auch im Bernburger Lohelandgarten nach der Machtergreifung der Nazis 1933 nationalsozialistische Lehrinhalte aufgenommen wurden. Ab 1934 führte Gymnastiklehrerin Magdalene Trenkel demnach KdF-Sportkurse durch. Später wurden im Lohelandgarten und im neuen Gymnastikhaus Nachmittage für den Bund Deutscher Mädel (BDM), den weiblichen Zweig der Hitlerjugend, gestaltet. „Dies war wohl letztlich auch eine wesentliche Begründung für den Kauf des Geländes sowie für die Baubeantragung“, glaubt Weigelt.

Verkauf für eine Reichsmark pro Quadratmeter

Im März 1935 stimmte der Stadtrat dem Verkauf des Lohelandgartens an Trenkel für eine Reichsmark pro Quadratmeter zu. Zu dieser Zeit war laut Weigelt bereits sichergestellt, dass im Rat der Stadt unter Vorsitz des nationalsozialistischen Oberbürgermeisters Eggert und unter Teilnahme des NSDAP-Kreisleiters Petri keine Entscheidung gegen die Vorgaben und Interessen der Nazis getroffen wurde.

Bei einer Festveranstaltung anlässlich ihrer 25-jährigen Tätigkeit als Gymnastiklehrerin habe sich Trenkel 1940 ausdrücklich bei OB Eggert für dessen persönlichen Einsatz für den Bau ihres Gymnastikhauses bedankt. „Ohne Trenkels Dienst am neuen System hätte es sicher kein Protegieren seitens der nationalsozialistischen Stadtspitze gegeben“, ist Weigelt überzeugt.

„Sie hätte die Entnazifizierung nach dem Krieg kaum überstanden“, hält es Stadtrat Eberhard Balzer (Die Linke) für ausgeschlossen, dass Trenkel eine überzeugte Faschistin war. Schließlich habe sie in der DDR noch bis 1963 Kinder unterrichtet. Weigelt entgegnet, dass es nicht um Trenkel, sondern allein den Denkmal-Status des Lohelandhauses gehe.

Stadtrat und Ausschüsse wollen Thema behandeln

Paradox anmuten dürfte, wenn ausgerechnet Balzers Partei wie bisher weiter um den Erhalt eines Objektes kämpfen sollte, das mit Unterstützung der Nazis gebaut worden war. Doch stellt sich beim zweiten Hinsehen die Frage, ob sämtliche baulichen Zeugnisse aus der NS-Zeit automatisch keine Daseinsberechtigung mehr haben.

Eine Antwort darauf geben muss nun das Landesamt für Denkmalpflege. Aber auch der Stadtrat und seine Fachausschüsse werden sich in den kommenden Wochen mit der Zukunft des Lohelandhauses beschäftigen, kündigt Oberbürgermeister Henry Schütze (parteilos) an.

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Magdalene Trenkel, 1894 in Zerbst geboren, absolvierte ihre schulische Ausbildung am Lyzeum in Bernburg, wo ihr Vater Paul später als Direktor des Gymnasiums tätig war. Die junge Frau ließ sich nach dem Schulabschluss in klassischer Gymnastik bei Hedwig von Rohden und Louise Langgaard ausbilden, die beide 1919 am Fuße des hessischen Rhöngebirges die Reformsiedlung Loheland gründeten.

Trenkel erreichte 1918 ihren Abschluss als diplomierte Lehrerin und gab in der Folge in ihrem Studio in Weimar Kurse als Gymnastiklehrerin, auch für Studenten des Bauhauses. 1923 kehrte sie nach Bernburg zurück, wo sie den Rest ihres Lebens verbrachte.

In der Stadthalle auf der Alten Bibel gab sie Gymnastikkurse, ab 1926 bei schönem Wetter auch im nahen Lohelandgarten, wo 1935/ 36 ihr eigenes Gymnastikhaus entstand. Noch bis 1963 betreute sie hier Kinder mit Haltungsschäden. Vier Jahre später starb Trenkel in Bernburg. (mz)