1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Bernburg
  6. >
  7. Weltrekord: Seit 2005 besitzt der Niederländer Erik van de Merwe mit Familie Schloss Biendorf: Sammlung von Kuckucksuhren, Grammofonen und Drehorgeln

Weltrekord Seit 2005 besitzt der Niederländer Erik van de Merwe mit Familie Schloss Biendorf: Sammlung von Kuckucksuhren, Grammofonen und Drehorgeln

Von Thomas Weißenborn 07.01.2021, 12:56
Erik van de Merwe in seinem einzigartigen Museum auf Schloss Biendorf.
Erik van de Merwe in seinem einzigartigen Museum auf Schloss Biendorf. Thomas Weißenborn

Biendorf - Erik van de Merwe ist einer der großen Namen in der niederländischen Geschäftswelt. In den vergangenen fünf Jahren hat sich der Mann, der am 30. Dezember seinen 70. Geburtstag feierte, aber mehr und mehr aus dem Geschäftsleben zurückgezogen.

Soweit man bei ihm von Rückzug reden kann. Hatten seine Arbeitswochen früher mehr als 80 Stunden, sind es heute „nur noch“ 30 bis 40 Stunden. Er ist vorrangig mit Beratungs- und Aufsichtsratstätigkeiten beschäftigt und unterstützt außerdem Wohltätigkeitsorganisationen.

Ein solches Arbeitspensum sei für ihn völlig normal, sagt Erik van de Merwe. Noch immer pendelt er jede Woche zwischen Utrecht und Biendorf. 560 Kilometer eine Tour. Normalerweise hält er sich vier Tage pro Woche in den Niederlanden auf, wo er auch seinen Wohnsitz hat.

Während der Corona-Pandemie ist eine solch rege Reisetätigkeit allerdings nicht möglich, deshalb ist er momentan öfter in seinem Biendorfer Schloss als gedacht.

Erik van de Merwe lebt seit 16 Jahren lebt er mit seiner Familie in Biendorf

Erik van de Merwe begann in den 1970er Jahren als Mitarbeiter bei einer der größten niederländischen Banken und stieg zum Vorstandsvorsitzenden auf. Im Laufe seiner Karriere war er unter anderem Vorsitzender im Aufsichtsrat bei Achmea, einem der größten niederländischen Versicherer, Geschäftsführer der Fortis-Bank, Vorsitzender des Aufsichtsrates bei einem der wichtigsten Verlage in den Niederlanden und Mitglied in den Aufsichtsräten der Rabobank und weiteren renommierten Unternehmen des Landes.

Seit 16 Jahren lebt er mit seiner Familie in Biendorf. Der barocke Schlosskomplex aus dem Jahr 1720 war bis dahin im Besitz des Landes Sachsen-Anhalt und stand zum Verkauf. Eine entsprechende Anzeige entdeckte Erik van de Merwe seinerzeit in der Zeitung De Telegraaf.

Der eigentliche Grund für den Erwerb des Schlosses war nicht, dass er einen ruhigen Rückzugsort gesucht hätte. Nein, er benötigte Platz für seine Sammlungen. Viel Platz! Der Niederländer ist ein leidenschaftlicher Sammler. Die Frage ist dabei weniger, was er sammelt, sondern eher, was er nicht sammelt.

Denn sein Interesse an Dingen aller Art ist riesengroß. In den vergangenen fast 30 Jahren hat er auf Flohmärkten oder im Internet eine Vielfalt an Objekten zusammengetragen, die ihresgleichen sucht. Auf Schloss Biendorf fand er endlich den Platz, um seine Schätze entsprechend zu präsentieren. Sich selbst und interessierten Besuchern.

Im Museum Biendorf gibt es Spazierstöcke, Spielzeugautos und Drehorgeln

Was die Gäste im heutigen „Van de Merwe-Museum“ zu sehen bekommen, ist atemberaubend. 1.800 Spazierstöcke hängen an den Wänden und von der Decke, die Sammlung beinhaltet antike Kassen, Kuckucksuhren, Taschenuhren, historische Werkzeuge, Plattenspieler und Grammofone, Teeservices, seltene Porzellanteller, Bügeleisen, tausende Teelöffel, alte Zugketten von historischen Toilettenspülungen (eine davon scheint noch von Königin Juliana gewesen zu sein), Feuerzeuge, Saucieren und Spielzeugautos, Weihnachtsmänner und wunderschöne, intakte alte Drehorgeln.

Nicht zuletzt besitzt Erik van de Merwe die größte Fingerhutsammlung der Welt. Über 77.000 verschiedene Exemplare aus aller Herren Länder nennt er sein Eigen. Für alle Sammlungen hat er extra Vitrinen anfertigen lassen, um die Objekte auch niveauvoll und gut sichtbar zu präsentieren.

Das Schloss Biendorf ist inzwischen der Lebensmittelpunkt für seine Familie geworden. Erik van de Merwe wohnt hier, wenn er in Deutschland ist, gemeinsam mit seiner Frau Gonnie, Tochter Heleen, Schwiegersohn Marco und dem fünfjährigen Enkel Diego. Von Anfang an geplant war das nicht.

Eigentlich wollte der Senior das Schloss wieder verkaufen. Davor sollten einige Pläne verwirklicht werden. Der Schlosskomplex sollte als Bed-and-Breakfast-Hotel, für Hochzeiten und Seminare genutzt werden. Aber daraus ist nie etwas geworden. Aus einem traurigen Grund.

Tochter Heleen meldete sich, kurz nach dem Umzug nach Biendorf im Jahr 2006 bei der Freiwilligen Feuerwehr Biendorf an und verliebte sich dort in ihren Marco.

Das Paar heiratete und ging 2012 auf Hochzeitsreise. Als sie auf den Malediven waren, bekam Marco eine Blutvergiftung, trotz des Antibiotikums, das er wegen eines zuvor gezogenen Weisheitszahnes einnehmen musste.

Der Salzgehalt in seinem Gehirn sank bedrohlich ab. Im Krankenhaus vor Ort versuchten die Ärzte, ihn wieder zu erhöhen. Jedoch zu schnell. Marcos Gehirn trug irreparable Schäden davon. Er ist jetzt behindert, sagt Erik van de Merwe, der die Situation in kurzen, sachlichen Sätzen beschreibt.

„Marco bedarf sehr viel Pflege. Er kann nicht oder kaum reden, nur Töne von sich geben. Geistig ist er noch voll da, sein Verstand ist völlig in Ordnung. Aber er kann kaum gehen, sitzt meist im Rollstuhl. Selbst essen ist schwierig. Es ist tragisch. Es gibt keine Fortschritte.“

„Die größte Freude für mich ist mein Enkel Diego“, sagt Erik van de Merwe

Für die Familie war Marco zu einem Vollzeit-Pflegejob geworden. Er kann keinen Augenblick allein sein, so Erik van de Merwe. „Wir waren siebeneinhalb Jahre nicht im Urlaub. Im Sommer 2019 sind wir dann zum ersten Mal wieder verreist. Marco war während dieser Zeit zwei Monate in einer Klinik.

Meine Tochter und Diego waren mit meiner Frau und mir im Urlaub. Für Heleen war das eine schwere Entscheidung.“ Durch Marcos Krankheit habe sich das gesamte Leben der Familie geändert. Auch deshalb habe er sich entschlossen, kürzerzutreten, sagt Erik van de Merwe.

Um Marco die bestmögliche Pflege und Betreuung zukommen zu lassen und um die Familie etwas zu entlasten, haben van de Merwes für ihren Schwiegersohn eine Pflegeeinrichtung gesucht und vor ein paar Monaten im Harz gefunden. Dort wohnen viele Patienten in seinem Alter. Dort fühlt er sich auch wohl und die Familie weiß ihn in guten Händen. So oft es geht, besuchen van de Merwes ihn, auch wenn es durch Corona sehr schwierig ist.

„Die größte Freude für mich ist mein Enkel Diego“, sagt Erik van de Merwe. Die beiden sind ein Herz und eine Seele. Sie verbringen viel Zeit miteinander. Zum Beispiel mit einer weit verzweigten Modelleisenbahn. Die Züge fahren auf Schienen kreuz und quer durcheinander. 

Van de Merwe Senior ist mindestens genauso begeistert wie sein Enkelsohn beim Anblick des regen Bahnbetriebes. Die ganze Zeit hält er die Hand von Diego. „Komm“, sagt er dann. „Wir gehen nach draußen. Noch mal kurz zur Drehorgel“. Erik van de Merwe spielt auf ihr „Tulpen aus Amsterdam“. Diego baut einen kleinen Schneemann. Van de Merwe lacht. „Solche Dinge machen mich einfach sehr froh.“ (mz)