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Saale Saale bleibt bis 2030 Bundeswasserstraße : Bau des Saale-Kanals rückt in weite Ferne

Von Torsten Adam 29.03.2016, 11:22
Die Berücksichtigung des Elbe-Saale-Kanals im Bundesverkehrswegeplan ist für die Fahrgastschifffahrt eine gute Nachricht, stellt sie doch die Unterhaltung der Saale und ihrer Schleusen mindestens bis zum Jahr 2030 sicher. Größere Güterschiffe werden den Fluss aber weiterhin im Mündungsbereich kaum passieren können.
Die Berücksichtigung des Elbe-Saale-Kanals im Bundesverkehrswegeplan ist für die Fahrgastschifffahrt eine gute Nachricht, stellt sie doch die Unterhaltung der Saale und ihrer Schleusen mindestens bis zum Jahr 2030 sicher. Größere Güterschiffe werden den Fluss aber weiterhin im Mündungsbereich kaum passieren können. engelbert pülicher

Bernburg - „Ein Schiff wird kommen“ hat einst Lale Andersen als „Mädchen von Piräus“ gesungen. Zwar nicht seit Veröffentlichung dieses Ohrwurms 1960, aber immerhin seit nunmehr 25 Jahren warten Unternehmen entlang der Saale darauf, dass die Prophezeiung des Schlagers in Erfüllung geht. Sie werden sich mindestens noch einmal so lange gedulden müssen, bis ein Gütertransport über den Wasserweg möglich ist.

Der Saale-Kanal, der wegen des direkten Durchstichs in die Elbe bei Barby eigentlich Elbe-Saale-Kanal heißen müsste, ist zwar im neuen Bundesverkehrswegeplan berücksichtigt, jedoch nur als „Weiterer Bedarf“ eingestuft. Ein Baubeginn innerhalb des Planungszeitraums bis 2030 ist damit praktisch ausgeschlossen, der Bau selbst würde nochmal rund zwölf Jahre in Anspruch nehmen. Und so wird es vorläufig weiterhin nicht möglich sein, die Saale in ihrem sich stark schlängelnden Mündungsbereich mit größeren Schiffen zu befahren.

Es herrscht dennoch Zufriedenheit

Dennoch zeigen sich die im Saale-Bündnis zusammengeschlossenen Befürworter des Vorhabens, dessen Kosten vom Bund nunmehr auf 133,8 Millionen Euro geschätzt werden, zufrieden. Denn das wichtigste Ziel sei manifestiert, der Fluss bleibt eine vom Bund unterhaltene Wasserstraße.

„Davon profitiert vor allem der immer stärker werdende Wassertourismus“, sagt Manfred Sprinzek, Präsident des Vereins zur Hebung der Saale-schifffahrt (VHdS). „Die Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan zeigt, wie richtig wir mit unseren Vorstellungen liegen. Die Diskussion ist noch nicht zu Ende geführt, auch das weiß ich.

Potenzial nicht ungenutzt lassen

Aber wir können das Potenzial der Saale nicht einfach ungenutzt liegen lassen, wenn wir mit allen unseren Argumenten für die wirtschaftliche und touristische Entwicklung dieses Landstriches streiten“, äußerte sich Landrat Markus Bauer (SPD), der die Mehrzahl der Bevölkerung hinter sich weiß. Bei einer Umfrage des Berliner Info-Meinungsforschungsinstituts vor fünf Jahren hatten von gut 1000 befragten Bürgern in der Region 62 Prozent für eine objektive Prüfung des Kanalbaus plädiert, 29 Prozent waren dagegen.

Zu den Kritikern gehören der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder (AHA). Beide verweisen darauf, dass die Firmen die Deutsche Bahn stärker für Transporte nutzen sollten.

„Sie hat auf der Strecke Halle-Magdeburg nur eine Auslastung von 30 Prozent“, behauptet AHA-Vorsitzender Andreas Liste, wird aber vom neuen Bundesverkehrswegeplan widerlegt. Darin ist die Bahnlinie, die die beiden sachsen-anhaltischen Großstädte verbindet, als überlastet gekennzeichnet. Ein Engpass, der durch Investitionen in den Streckenausbau bis 2030 beseitigt sein soll.

BUND-Kritik überrascht

Dass der BUND gegen den Kanal kämpft, der als Alternative zum Lkw-Gütertransport deutlich klimafreundlicher wäre, überrascht nur auf den ersten Blick: die Lobbyarbeit des Naturschutzverbandes im Rahmen des Aktionsbündnisses „Pro Schiene“ wird von der Deutschen Bahn hauptfinanziert.

Ein schwerwiegendes Argument gegen den Kanalbau halten die Gegner allerdings in der Hand: den Klimawandel und die damit verbundene steigende Niederschlagsarmut in Mitteldeutschland. „Auch wenn Güterschiffe auf der Saale nach dem Kanalbau ganzjährig verkehren könnten, macht die freifließende Elbe den Binnenschiffern einen Strich durch die Rechnung“, sagt Iris Brunar vom BUND. Vor dem Hintergrund deren langer und unberechenbarer Niedrigwasser sei kein planbarer Gütertransport möglich.

Im Elbe-Abschnitt zwischen Barby und Mittellandkanal gab es laut Wasser- und Schifffahrtsamt Magdeburg von 1997 bis 2012 durchschnittlich nur an 135 Tagen im Jahr eine Fahrrinnentiefe von mindestens 2,50 Meter, die die für die Saale angedachten Europaschiffe benötigen würden. Jedoch könnten selbst bei nur 1,60 Meter nach Angaben von Ingo Klinder vom Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt zwei sogenannte Schubleichter noch 1000 Tonnen tragen, was ungefähr einer Ladung von 35 Lkw entspricht.

In den Bundesverkehrswegeplan darf kein Projekt aufgenommen werden, für das kein positives Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) zu erwarten ist. Der prognostizierte Wert muss also größer als 1,0 sein. Für den sieben Kilometer langen Elbe-Saale-Kanal, der zwischen Calbe und Tornitz beginnt und nahe der Barbyer Fähre an der Elbe endet, ließ der Bund vor vier Jahren durch das Essener Planungsbüro Planco ein Gutachten erstellen. Dieses hatte zum Ergebnis, dass der Bau unrentabel ist, weil das NKV zwischen 0,24 und 0,58 liegt. Zu Grunde gelegt wurde dafür die erwartete Transportkapazität, die Planco mit insgesamt 230 000 bis 560 000 Tonnen pro Jahr angab. Nicht nur das Landesverkehrsministerium zweifelte an diesen Angaben, auch MZ-Recherchen ergaben, dass die Zahlen durch Planco offenkundig manipuliert worden waren. So gaben allein die vier Bernburger Großunternehmen Esco, Solvay, Schwenk und EAB an, zusammen mehr als eine Million Tonnen Güter jährlich verschiffen zu wollen.

Das Land Sachsen-Anhalt stellte kurze Zeit später ein Gegengutachten vor, bei der LUB Consulting in Auftrag gegeben. Das Dresdner Ingenieurbüro errechnete ein Transportvolumen von 1,5 Millionen Tonnen und ein positives NKV von 1,93. Aber auch daran gab es Kritik. So seien verstärkt auftretende Niedrigwasserstände der Elbe, die keine verlässlichen Transporte nach Fahrplan zulassen, nicht ausreichend  berücksichtigt worden. Dies schätzte Professor Ulrich Zabel von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ein, der  auf Wunsch des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der vehement gegen den Kanalbau ist, beide Gutachten prüfte.

Im Zuge der Vorbereitung des Entwurfs des Bundesverkehrswegeplanes 2030 forderte der Bund vom Land im Frühjahr 2015 aktuellere Transportmengen ab. Eine von LUB Consulting vorgenommene Abfrage unter den Saale-Anrainern ergab ein nochmals deutlich höheres Güterpotenzial von nunmehr 2,55 Millionen Tonnen jährlich. Laut sachsen-anhaltischem Verkehrsministerium würde das NKV damit sogar auf mehr als 2,0 steigen. Das bedeutet, der Kanal würde doppelt so viel Nutzen bringen wie kosten.

Tatsächlich ist im Entwurf des Plans aber der Wert 0,2 zu lesen. Ein Zahlendreher? Eine Erklärung aus dem Bundesverkehrsministerium steht noch aus. Im erläuternden Informationssystem Prins findet man für das Projekt „Saalekanal bei Tornitz“ stattdessen einen NKV-Wert von 0,3. „Aus unserer Sicht bildet keiner dieser Werte das wirkliche Potenzial des Saale-Seitenkanals ab“, sagt Peter Mennicke, Pressesprecher im Landesverkehrsministerium.

Massiven Streit zwischen dem Bund und einem Land um einen Kanal gab es schon einmal. Ende der 1970er Jahre ging es  um den Bau des 4,7 Milliarden Euro teuren Rhein-Main-Donau-Kanals, aus dessen Zweidrittel-Finanzierung die SPD-geführte Bundesregierung aussteigen wollte. Die bayrische CSU-Landesregierung setzte sich - begleitet von massiven Protesten durch Umweltaktivisten - 1982 letztendlich trotzdem durch. Zehn Jahre später fuhren die ersten Schiffe. Auch damals hatte Planco im Vorfeld für den Bund das Gutachten erstellt. Die falsche Prognose: eine Jahresfracht von 2,7 Millionen Tonnen rechnet sich nicht, jede investierte Mark würden lediglich einen Nutzen von 52 Pfennig bringen. Auch damals konterte das Land mit einem Gegengutachten: Das Münchner ifo-Institut sagte 5,5 Millionen Tonnen Fracht und Wirtschaftlichkeit voraus. In der Realität  werden laut „Welt“ inzwischen im Jahresdurchschnitt 6,75 Millionen Tonnen erreicht - der Kanal rechnet sich. Und weit über alle Erwartungen hinaus boome auch der Kreuzfahrt-Tourismus.

Höhere Akzeptanz vor Ort

Im Zuge der nun folgenden Öffentlichkeitsbeteiligung zur fachlichen Überprüfung der Angaben im Bundesverkehrswegeplan will der VHdS Änderungen einfordern. So sollen die aktuellsten Zahle in die Neuberechnung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses einfließen. Und auch die Idee des ehemaligen Schönebecker Flussbereichsleiters Christian Jung soll noch einmal thematisiert werden, erklärt Manfred Sprinzek. Christian Jung hatte eine Einbeziehung der Kiessand-Tagebauseen vorgeschlagen, durch die der Kanal als ungedichteter Bau verlaufen könnte.

Eine nach wie vor vom Bund ungeprüfte Idee, die auch nach Auffassung des Landesverkehrsministeriums einige deutliche Vorteile bringt. So könnte neben geringeren Baukosten diese Trassenführung möglicherweise auch den problematischen Grundwasserstand im Saale-Elbe-Winkel besser regulieren. „Aber auch touristische Aspekte und eine höhere Akzeptanz vor Ort sprechen aus unserer Sicht dafür“, so Sprecher Peter Mennicke.