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Porträt Porträt: Großvaters Acker

Von torsten adam 15.05.2012, 17:27

löbnitz/MZ. - Erstmals finden die Feldtage der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) in Strenzfeld statt. Vom 19. bis 21. Juni werden zu Europas größter Pflanzenbau-Messe im Bernburger Ortsteil 20 000 Besucher aus der ganzen Welt erwartet. Eine recht kurze Anreise wird dann DLG-Präsident Carl-Albrecht Bartmer haben. Der 51-Jährige wohnt in Löbnitz an der Bode.

Hier bewirtschaftet er seit 21 Jahren den Hof seines Großvaters Herbert Bennecke, der 1945 - wie alle Eigentumsbetriebe, die größer als 100 Hektar waren - zwangsenteignet wurde.

Dass die Feldtage nur ein paar Kilometer entfernt stattfinden, sei reiner Zufall, beteuert Bartmer. Eine DLG-Kommission habe deutschlandweit nach einem festen Standort gesucht, nachdem die alle zwei Jahren stattfindenden Feldtage durch die Bundesrepublik rotiert waren.

"Ich habe mich da rausgehalten, um nicht in Interessenskonflikte zu geraten. Natürlich freue ich mich persönlich, dass die Wahl auf Strenzfeld gefallen ist." Das dortige Internationale Pflanzenbauzentrum biete einfach die besten Voraussetzungen - sowohl vom Know-how als auch den fruchtbaren Böden. "Und wir haben mit dem Land Sachsen-Anhalt nur einen Vertragspartner", nennt der 51-Jährige einen weiteren Vorteil.

Feldtage auch 2014 in Strenzfeld

Die DLG strebe an, die Feldtage dauerhaft in Bernburgs Norden zu etablieren. Auch 2014 werden sie dort stattfinden. "Ob auch 2016 und danach, das hängt vom Erfolg des Konzepts ab", blickt Bartmer voraus. Von einem festen Standort erhoffe sich die DLG mehr ausländische Besucher. Dies zeige die Erfahrung mit der Agritechnica, die inzwischen immer in Hannover stattfindet.

In Lingen an der Ems geboren, ist Carl-Albrecht Bartmer vor 21 Jahren zu seinen familiären Wurzeln zurückgekehrt. Seine Vorfahren waren seit 1735 in der Region ansässig, zunächst in Athensleben als Domänenpächter, später in Staßfurt. Die Bennecke-Hecker & -Company gründete dort unter anderem die zweite Zuckerfabrik Deutschlands, betrieb bei Groß Börnecke einen Braunkohletagebau und besaß große landwirtschaftliche Flächen am Südrand der Magdeburger Börde.

Als die Weltwirtschaftskrise viele Unternehmungen in Existenznöte brachte, sei sein Großvater Mitte der 1920er Jahre nach Löbnitz, einem damaligen Vorwerk, gezogen und habe das Gut erfolgreich durch die Krise gesteuert. Bis 1945. Dann kamen erst die Amerikaner, dann die Russen. "Mein Großvater wurde zwangsenteignet. Er durfte den Hof weiter bewirtschaften, mit einem Treuhänder an seiner Seite. Doch schon ein Jahr später musste er nach einer Warnung Hals über Kopf fliehen", berichtet Bartmer.

Damit sei er dem Schicksal benachbarter Großgrundbesitzer entgangen, die von den Russen interniert wurden und niemals nach Hause zurückkehrten. Herbert Brennecke fand in Bernburg Unterschlupf, ging dann später in die Nähe von Hamburg, um "seine Familie ernähren zu können". Als Landwirt wagte er dort einen Neuanfang.

Kontakt nie abgerissen

Der Kontakt der Familie nach Löbnitz sei in den folgenden Jahrzehnten aber nie abgerissen. "Vor allem die älteren Geschwister meiner Mutter reisten zu DDR-Zeiten oft hierher, meinem Vater als Berufssoldaten und uns als Familie war das nicht möglich. Erst mit der Amtszeit von Willy Brandt wurde das besser", erinnert sich Bartmer.

Von der Wiedervereinigung Deutschlands sei er schon überzeugt gewesen, als daran noch nicht zu denken war. "Ich hätte aber gedacht, dass ich dann ein alter Mann bin", war der heute 51-Jährige davon überrascht, wie schnell das Ende der DDR kam. Der Mauerfall sei für ihn ein Schlüsselerlebnis in seinem Leben.

"Ich wurde 1961 ein halbes Jahr vor dem Mauerbau geboren, mein Sohn 1989 ein halbes Jahr vor dem Mauerfall." Die deutsche Teilung habe aus Sicht seiner Familie genau eine Generation gedauert, sei ihm bei der Taufe seines Sohnes bewusst geworden. Der Filius soll einmal die bäuerliche Tradition der Familie fortsetzen - er studiert derzeit Landwirtschaft. Am besten natürlich in Löbnitz, wohin die Familie 1991 zurückkehrte - zunächst als Pächter des zwischenzeitlich volkseigenen Pflanzenbau-Betriebes.

Schwerer Neustart in Löbnitz

Carl-Albrecht Bartmer, der sich auf dem Hof des Großvaters väterlicherseits vom "Virus" Ackerbau anstecken ließ, Landwirtschaft lernte und in Göttingen studierte, erlebte die turbulente Wende-Zeit als Leiter eines Saatzucht-Betriebes in Schleswig-Holstein. Von seinem Onkel ließ er sich nicht lange fragen, wieder die Äcker seiner Vorfahren zu pflügen. "Der Anfang war sehr schwer als junger Familienvater. Die Technik und das Saatgut mussten über Kredite komplett neu angeschafft werden, der Lebensunterhalt für ein Jahr mitfinanziert werden.

Und dann war das erste Jahr sehr trocken, die Ernte katastrophal." Er habe in dieser "spannenden Zeit" sehr viel gelernt über den Standort im Regenschatten des Harzes. "Die Böden sind sehr gut, aber auch sehr trocken - ganz andere Bedingungen, als ich sie von Schleswig-Holstein kannte." Doch er sei jung und risikobereit genug gewesen, diese Schwierigkeiten zu meistern.

Großvaters Erbe zurückgekauft

1999 und 2002 kaufte Carl-Albrecht Bartmer wesentliche Teile des großväterlichen Betriebes zurück. "Quasi ein zweites Mal." Eine gefühlte Ungerechtigkeit, mit der er sich inzwischen nicht mehr beschäftige. Heute bewirtschaftet der 51-Jährige mit vier Mitarbeitern gut 1000 Hektar Land, auf denen hauptsächlich Weizen, Zuckerrüben, Raps und Körnermais angebaut werden. Die paar Pferde, die auf der Koppel im idyllischen Bodetal stehen, seien eher ein Randbetrieb, sagt der verheiratete Vater eines Sohnes und dreier Töchter. Lebensmittelpunkt für die Familie ist der vom Großvater errichtete Schafstall geworden, der nach einem Umbau seit 1996 als Wohnhaus dient.

Von hier aus steuert Carl-Albrecht Bartmer auch seine Tätigkeit als DLG-Präsident. Im Januar ist er für seine dritte, dreijährige Amtszeit wiedergewählt worden. "Etwa die Hälfte meiner Zeit bin ich für die DLG tätig", schätzt der 51-Jährige. Eine Aufgabe, die nach seiner Meinung vor allem den Fortschritt im Fokus hat. Denn ohne Fortschritt ließe sich die größte Herausforderung der Menschheit, der Kampf gegen den Hunger, nicht bewältigen.

"Dieses Problem mag für viele ganz weit weg sein. Doch um den Lebensmittelbedarf von rund neun Milliarden Menschen auf der Erde in 30 Jahren zu decken, müssen doppelt so viele Lebensmittel wie heute auf gleicher Anbaufläche produziert werden", prognostiziert er und warnt: "In einer per Internet vernetzten Welt werden Menschen in Afrika oder woanders nicht still verhungern, sondern in die Wohlstandsstaaten drängen. Die Geschehnisse in Lampedusa sind nur ein Anfang."

Aus diesem Grunde müsse die Landwirtschaft auch in Sachsen-Anhalt dafür Sorge tragen, dass es nicht nur in den Industriestaaten ausreichend zum Essen gibt." Diesem Ziel habe sich die DLG als weltweites Netzwerk für Agrarexperten verschrieben.