Kritik am Pflege-TÜV Pflegeheime in Bernburg: Warum es bei der Qualitätskontrolle an Transparenz fehlt
Sie sind oft kompliziert, unter Verschluss oder gar nicht vorhanden: Bei Prüfberichten für Heime fehlt Transparenz. Warum die Häuser selbst Kritik üben.

Bernburg/MZ - Die Entscheidung für einen Platz im Altersheim ist keine einfache. Schließlich ist es oft die letzte Heimstatt der Senioren, viele Jahre leben sie mitunter in den Einrichtungen. Doch wie gut ist die Pflege in den Häusern der Region? Wo liegen die Stärken und Schwächen der Heime? Um Angehörigen und Interessenten dabei eine Orientierung zu geben, werden die Einrichtungen regelmäßig geprüft und die Berichte anschließenden veröffentlicht. Zumindest sollte das so ein. Allerdings: Im Salzlandkreis ist es für die Bürger mitunter nicht einfach, einen Blick auf die Bewertungen zu werfen.
Denn anders als etwa in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern haben Angehörige und Bewohner in Sachsen-Anhalt bereits seit 2014 keinen Einblick in die Prüfberichte der Heimaufsicht. Grund ist ein Gerichtsurteil, das diese Pflicht aussetzt. Laut Krankenkassen werden die Prüfungen in Sachsen-Anhalt daher mitunter gar nicht mehr durchgeführt. Dabei sollen sie Mängel - etwa bei der Personalausstattung oder der Pflegequalität - aufdecken.
Prüfberichte laut Heimen wenig hilfreich
Mehr noch: Laut einer MZ-Umfrage sind inzwischen auch die Bewertungen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK), der die Heime ein- bis zweimal im Jahr unter die Lupe nimmt, meist nur unter großem Aufwand einsehbar. Die Einrichtungen kritisieren: Die Berichte seien ohnehin wenig hilfreich.
Die Bewertungen seien schlicht „praxisfern“, sagt Michael Fritzsching, Leiter des ASB-Pflegeheims „Rosenblick“ in Bernburg. „Mich hat noch keiner danach gefragt“, so der Heimleiter. Denn: Vor drei Jahren wurde das Bewertungssystem umgestellt. Gab es zuvor eine Durchschnittswertung nach dem Schulnotensystem für jede Einrichtung, müssen Interessenten jetzt seitenweise Punktewertungen für kleinteilige Aspekte der Pflege durchwälzen. Dutzende sogenannte Indikatoren werden für jeden Heimbewohner erfasst. Für Laien sei das kaum verständlich, sagt Fritzsching. „Man hat es verkompliziert.“ Unter Verschluss sei der aktuelle Bericht aus dem vergangenen Jahr indes nicht, betont er. „Jeder hat bei uns die Möglichkeit, danach zu fragen.“ Man wolle schließlich nichts verheimlichen.
Die, die es betrifft, sollen einfach vorbeikommen.
Michael Fritzsching, Heimleiter
Auch im Seniorenwohnpark des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Bernburg werden die Prüfberichte laut Leiterin Adina Kiefer nicht mehr veröffentlicht. „Das geht nicht mehr, weil es jetzt nach dem Punktesystem bewertet wird. Es sind jetzt riesengroße Kataloge“, sagt Kiefer. Zu unübersichtlich, zu lang, zu kompliziert. Dabei stand ihr Haus nach dem alten System gut da: Eine 1,2 bekam der Wohnpark zuvor laut Kiefer.
Bernburger Pflegeheime beklagen hohen Aufwand
Nicht nur für Bewohner und Angehörige hat das Punktesystem laut den Heimen Nachteile, auch für das Personal selbst: Wohnparkleiterin Kiefer beklagt den hohen Aufwand der Bewertungen. Dutzende Fragen für jeden ihrer rund 60 Bewohner müsse sie beantworten. „Der Zeitaufwand ist extrem.“
Eine Ausnahme ist das Altenpflegeheim „Jeanettestift“ in Bernburg: Laut Heimleiterin Harriet Ködelpeter liegt hier der aktuelle MDK-Prüfbericht aus. „Es gibt einige Angehörige, die danach fragen“, so Ködelpeter. Transparenz schafft die Veröffentlichung des Berichts aus ihrer Sicht jedoch kaum. „Ein Laie kann das gar nicht verstehen. Das war mit den Schulnoten vorher besser.“ Die Wertung ihres Heims zuvor: eine 1,3.
ASB-Heimleiter Fritzsching sieht in den Schulnoten den Grund für die Umstellung des Bewertungssystems: Nahezu alle Einrichtungen hätten Bestnoten bekommen, das habe die Differenzierung erschwert. „Es ist der Eindruck entstanden, dass man zu gut war“, so Fritzsching. Auf der Webseite des Bernburger ASB-Heims prangt noch der MDK-Bericht von 2019. Der „Rosenblick“ erhielt ebenfalls eine 1,3.
Pflegeheime in Bernburg raten zum Vor-Ort-Termin
Kompliziert, unter Verschluss oder gar nicht vorhanden: Auf die Prüfberichte können sich Angehörige und Bewohner als Orientierungshilfe also nicht verlassen. Wie sollen sie dann das richtige Heim wählen?
Fragt man die Einrichtungsleiter in Bernburg, ist die Antwort einstimmig: Wer sich wirklich ein Bild von der Qualität der Pflege machen will, sollte einen Vor-Ort-Termin vereinbaren. „Die, die es betrifft, sollen einfach vorbeikommen“, sagt Michael Fritzsching. Schließlich sei ein Prüfbericht - ob Punktesystem oder Schulnote - nur eine Momentaufnahme. Den besten Eindruck bekomme man nur im Heim selbst. „Das ist doch entscheidend.“ Das sieht auch Heimleiterin Ködelpeter so: „Das Meiste erfährt man in der Praxis. Wir haben nichts zu verstecken.“
Krankenkassen bemängeln indes mangelnde Transparenz bei der Qualitätskontrolle der Heime. So kritisiert etwa Axel Wiedemann, Landesgeschäftsführer der Barmer in Sachsen-Anhalt, die fehlenden Prüfberichte der Heimaufsicht im Land: „Die Qualitätsberichte der Heimaufsicht sollten für Pflegebedürftige und deren Angehörige transparent, niederschwellig und barrierefrei verfügbar sein“, mahnt er an.
Das Sozialministerium in Magdeburg verweist indes auf die Bewertung durch den MDK: Die ausführlichen Berichte können Angehörige und Bewohner im Internet zum Beispiel auf der Webseite www.pflegelotse.de einsehen.