Ortsverkehrswacht am Limit Ortsverkehrswacht Bernburg wegen Corona am Limit: Dem Verein steht, finanziell gesehen, das Wasser bis zum Hals.

Bernburg - Wer kennt sie nicht - die Mitglieder der Bernburger Ortsverkehrswacht? Auf rund 180 Veranstaltungen waren sie im Jahr 2019 vertreten. Auf Stadt- und Volksfesten, bei Fahrradprüfungen, in Schulen und Kindertagesstätten oder bei Schulungen für Senioren.
Der Bereich der Ortsverkehrswacht umfasst die Altkreise Bernburg und Schönebeck. Allein 33 Kindertagesstätten gibt es in unserem Verbreitungsgebiet, sagt Ralf Beiersdorfer, Geschäftsführer des gemeinnützigen Vereins. Hinzu kommen die Grund- und Sekundarschulen sowie die Gymnasien, ergänzt er. „Vor allem in der warmen Jahreszeit sind wir, außerhalb der Ferien, manchmal an fünf bis sechs Tagen in der Woche unterwegs“, sagt Benno Puschke, langjähriger Mitarbeiter bei der Verkehrswacht.
Von 30 Veranstaltungen blieben 2020 nur zwei übrig
Die insgesamt 16 Mitglieder sind alle aktiv und haben also sehr gut zu tun, weiß Ralf Beiersdorfer. Zumindest war das bis 2019 der Fall. Dann kam im vergangenen Jahr Corona. Die Anzahl der Einsätze schmolz dahin. Fanden im Jahr 2019 unter der Rubrik „Fahr Rad ... aber sicher!“ noch 30 Veranstaltungen statt, waren es 2020 noch ganze zwei. Im Rahmen der Jugendverkehrsschule waren die Mitglieder der Ortsverkehrswacht 2019 insgesamt 48 Mal unterwegs. Davon blieben ein Jahr später noch 16 übrig.
Nicht ganz so dramatisch sieht der Einbruch bei den Einsätzen in den Kindertagesstätten aus. „Kinder im Straßenverkehr“ heißt die Veranstaltungsreihe in diesen Einrichtungen. Von 109 Kita-Besuchen blieben noch 77. „Die Kindertagesstätten sind verrückt nach uns“, sagt Ralf Beiersdorfer. Doch Corona habe ihnen auch dort einen Strich durch die Rechnung gemacht, resümiert er.
Je mehr Einsätze, je mehr Geld gab es
Das Problem ist, dass die Ortsverkehrswacht durch die Deutsche Verkehrswacht und durch die Landesverkehrswacht refinanziert wird. Je mehr Einsätze die Mitglieder haben, um so mehr Geld gibt es. Das ist auch bitter nötig, denn die laufenden Kosten schlagen monatlich zu Buche. Das Einsatzgebiet ist groß, die zu fahrenden Distanzen weit, die Tage sind oft lang. Manchmal acht bis zehn Stunden.
„Um unsere Vorführungen, Tests, Unterrichtseinheiten und Simulationen so interessant wie möglich zu machen, haben wir uns, nach den sehr guten Jahren 2018 und 2019, moderne Technik zugelegt. Ein Fahrradsimulator, bei dem die Teilnehmer vor einem großen Monitor in die Pedale treten und auf unterschiedliche Verkehrssituationen reagieren müssen oder ein Bremssimulator erfreuen sich großer Beliebtheit“, erzählt Ralf Beiersdorfer.
Fixkosten fallen trotzdem an
Auch für die Mitglieder haben sich die Bedingungen verbessert. Mehrere Pavillons und Sitzgarnituren wurden angeschafft. „Unsere Leute können schließlich nicht den ganzen Tag stehen“, so Benno Puschke, der selbst sehr oft im Einsatz ist.
Das alles kostet natürlich Geld. Große Anschaffungen wurden über Leasing- oder Kreditverträge finanziert. Außerdem müssen die Fixkosten für Miete, Versicherungen, Internet oder Handy getragen werden. Die allein belaufen sich auf monatlich rund 600 Euro, rechnet Ralf Beiersdorfer vor. Das hat in den vergangenen Jahren auch alles gut funktioniert, zieht er Bilanz. Auch Dank zahlreicher Sponsoren, die den Verein unterstützen.
Doch durch die Corona-Pandemie verkehrt sich die bisher positive Bilanz ins Gegenteil. Durch fehlende Veranstaltungen brechen die Zuwendungen weg. Das ist aber nicht das einzige Übel. Ralf Beiersdorfer ärgert sich vor allem über die Landesverkehrswacht. 8.000 Euro haben wir im Jahr 2020 beantragt, 2.000 Euro haben wir bekommen, schimpft er. Kürzung, die er nicht nachvollziehen kann. Denn die Fixkosten bleiben.
Die Landesverkehrswacht argumentiert, dass sie nur für den Bereich der Jugendverkehrsschule zuständig ist. Für „Kinder im Straßenverkehr“ und „Fahr Rad ... aber sicher!“ dagegen die Deutsche Verkehrswacht. Sie sieht sich deshalb auch nur für rund ein Drittel der Kosten zuständig.
Salzlandkreis hat Zahlung eingestellt
Auch auf den Salzlandkreis ist Ralf Beiersdorfer sauer. 2018 gab es noch 2.000 Euro vom Landkreis für unsere Arbeit. 2019 waren es schon nur noch 1.000 Euro. Seitdem fließt gar kein Geld mehr. Ohne Begründung, so der Geschäftsführer der Ortsverkehrswacht. In seiner Not hat er in den vergangenen Tagen rund 80 Briefe an Unternehmen und Institutionen mit der Bitte um Unterstützung verschickt.
„Wenn sich finanziell nichts tut, ist spätestens im Mai Schluss“, prognostiziert er. „Dann können wir die laufenden Kosten nicht mehr tragen. Wir sind hier alle im Ehrenamt. Wir machen das nicht, weil wir Langeweile haben. Es ist für uns eine Herzenssache. Wir wollen alle weitermachen. Die Frage ist nur, ob wir das auch können“, sagt er bitter. (mz)