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MZ-Serie Traditionsgeschäfte  MZ-Serie Traditionsgeschäfte in Bernburg: Alles für das Tier

Von Torsten Adam 22.10.2017, 08:55
Eileen Briege (links) und Christiane Peglow, Mitarbeiterinnen der Filiale am Güstener Stammsitz, verpassen unter den Augen von Geschäftsführer Norman Nicolaus dem Hund einer Kundin ein neues Geschirr.
Eileen Briege (links) und Christiane Peglow, Mitarbeiterinnen der Filiale am Güstener Stammsitz, verpassen unter den Augen von Geschäftsführer Norman Nicolaus dem Hund einer Kundin ein neues Geschirr. Engelbert Pülicher

Bernburg - Zehn Filialen in Sachsen-Anhalt und Sachsen, knapp 100 Mitarbeiter, 25 Auszubildende - aus der einstigen Güstener Mini-Zoohandlung von Norbert Nicolaus hat sich in 37 Jahren ein mittelständisches Familienunternehmen entwickelt, das in der Region erste Adresse für viele Tierhalter ist.

Traditionsgeschäfte in Bernburg: Als Hilfskraft angefangen 

Als der Firmengründer im März 1980 einen Arbeitsvertrag als Hilfskraft eines gerade mal acht Quadratmeter großen Zoofachgeschäftes unterschrieb, hätte er sich diese Erfolgsgeschichte nicht träumen lassen.

„Enttäuscht über die Perspektivlosigkeit eines parteilosen Diplom-Ingenieurs in einem sozialistischen Großbetrieb sowie über die behördliche Ablehnung eines Antrages zur Eröffnung einer Eisdiele, konnte es nur heißen: Nun erst recht!“, schrieb der später auf tragische Weise ums Leben gekommene

Norbert Nicolaus zum 25-jährigen Jubiläum seiner Firma 2005.

Traditionsgeschäfte in Bernburg: Der Wunsch nach Selbständigkeit 

Im Staßfurter Sodawerk beschäftigt, war sein Wunsch nach Selbstständigkeit so groß, dass er in seiner Heimatstadt unbedingt einen Laden übernehmen wollte.

Da eine Neueröffnung zu DDR-Zeiten nur schwerlich möglich war, blieb nur die Übernahme von Geschäften.

„Ein Miederwarenladen, ein Eisenwaren- und ein Futtermittelhandel standen in Güsten zur Auswahl“, erinnert sich seine damalige Ehefrau Evelin.

Dass sich ihr erst 29 Jahre alter Mann für letztere Möglichkeit entschied, sollte sich nach der Wende als wahrer Glücksfall entpuppen, war der Bedarf von Tierhaltern doch riesig.

Daran zu denken war in den 80er Jahren freilich noch nicht. 1982 folgte erst mal der Umzug aus dem engen Raum in ein Haus an der Bahnhofstraße, das mit 30 Quadratmetern mehr Platz bot.

Hier hatte sich der Jungunternehmer zuvor den Traum von der eigenen Eisdiele erfüllen wollen, nun also betrieb er stattdessen einen Zooladen.

Traditionsgeschäfte in Bernburg: Es war viel Kreativität gefragt

Um an Tiere und Futter zu kommen, war Kreativität gefragt. „Vater riss sich dafür ein Bein aus, zuckelte jede Woche mit einem B 1000 und Anhänger quer durch die Republik, in den Ferien durfte ich auch mit“, erinnert sich Sohn Norman, der früher als geplant die Geschäfte übernehmen musste.

Wie seiner Mutter ist ihm besonders der unerträgliche Gestank des Katzenfeuchtfutters in einem thüringischen Betrieb im Gedächtnis geblieben.

Als Norbert Nicolaus, im Laden von einer Mitarbeiterin und Mutter Selma als Rentnerin unterstützt, zur Armee abkommandiert wurde, war guter Rat teuer.

„Ich habe mir extra Urlaub im RFT-Fernsehwerk genommen und bin mit dem Barkas losgefahren, um Ware ranzuschaffen“, erzählt Evelin Nicolaus.

Traditionsgeschäfte in Bernburg: Expansion nach dem Mauerfall

Die Chance zur Expansion eröffnete sich nach dem Mauerfall. „Wer es richtig anpackte damals, konnte sich seine Träume verwirklichen und das Unternehmen nach eigenen Wünschen entwickeln“, sagt Norman Nicolaus.

Sein Vater setzte auf einen neuen Laden in Güsten, der am Ortsausgang in Richtung Ilberstedt im August 1991 mit einer Verkaufsfläche von knapp 500 Quadratmetern eröffnete.

Als zu dieser Zeit die Einkaufszentren wie Pilze aus dem Boden schossen, „versuchten wir dort frühzeitig Mietverträge zu bekommen“, berichtet der 40-Jährige. Unter anderem auch 1996 in Bernburg am Zepziger Weg.

Traditionsgeschäfte in Bernburg: Die rot-Weiße Optik macht's

Seit 2001 Franchisenehmer der Handelskette Zoo und Co., haben die Läden eine einheitliche Anmutung in rot-weißer Optik. Als zehnte Filiale kam vor sieben Jahren eine im Magdeburger Flora-Park hinzu.

Es muss nicht zwangsläufig die letzte sein. „Wir schauen uns weiter um“, betont Norman Nicolaus, der seit 2000 in der Firma arbeitet.

Nach der Schule ging er zunächst zum Bundesgrenzschutz. „Irgendwie konnte ich mich dort nicht entfalten. Es war immer einer da, der sagte, was ich zu machen hatte.“

Diesem beruflichen Korsett wollte er entfliehen - wie einst sein Vater, der 2013 mit seinem kleinen Privatflugzeug nahe Eisenach aufgrund gesundheitlicher Probleme abstürzte. Norbert Nicolaus wurde nur 62 Jahre alt.

Seiner Familie hinterließ er ein bestelltes Feld, wenngleich die geplante Geschäftsübernahme durch die beiden Kinder früher als erwartet kam.

Ein langjähriger Wegbegleiter, Unternehmensberater Albrecht Jakob, half durch die schwere Anfangszeit, die Geschäftspartner hielten zur Stange.

Traditionsgeschäfte in Bernburg: Geschwister führen das Lebenswerk des Vaters fort

Norman Nicolaus leitet heute das operative Geschäft von Güsten aus, seine bei einer Unternehmensberatung in München tätige Schwester Nancy Deppe berät und vertritt ihn. Die Geschwister führen das Lebenswerk ihres Vaters fort, haben jüngst alle Filialen renovieren lassen.

„Und wir tun viel für die Weiterbildung unserer Mitarbeiter, denn die Verantwortung für die Haltung eines Tieres ist groß“, sagt der Geschäftsführer.

Hier seien die gesetzlichen Anforderungen immer weiter gestiegen, viele Konkurrenten würden deshalb neben dem Heimtierbedarf gar keine Tiere selbst mehr anbieten.

Für Norman Nicolaus ist das keine Option. „Woher sollen die Leute sonst künftig ihre Tiere beziehen? Eine gute Beratung beim Kauf ist dafür einfach nötig“, ist er überzeugt.

Fische und Reptilien bezieht er aus dem Großhandel, bei Ziervögeln, Meerschweinchen, Kaninchen oder Mäusen wird er von regionalen Züchtern versorgt.

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Läden eröffnen, wechseln den Besitzer oder ihren Standort, sie schließen wieder. Und doch gibt es sie noch - die Traditionsgeschäfte in der Region, die teilweise sogar verschiedenste Gesellschaftsformen mit- und überlebt haben. In Bernburg mehr als in den umliegenden Kleinstädten und Dörfern, die aufgrund der niedrigen Kaufkraft noch viel mehr mit der wachsenden Konkurrenz aus dem Internet zu kämpfen haben. Aber eben nicht jede Dienstleistung und jedes Produkt lässt sich heutzutage mit einem Mausklick online nach Hause bestellen. Was wäre das für ein Leben ohne Bäcker, Fleischer, Friseure, Modeboutique, Optiker oder Tabakhändler vor Ort?

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Die MZ stellt in der Serie „Unsere Schaufenster“ einmal wöchentlich Geschäfte im Altkreis Bernburg vor, die mindestens ein Jubiläum gefeiert haben, die es also schon 25 Jahre und länger gibt. Sind Sie selbst Inhaber eines Traditionsladens oder kennen Sie einen, den die MZ in ihrer Serie bisher noch nicht vorgestellt hat? Dann rufen Sie uns doch einfach an unter Telefon 03471/6 52 02 10 oder schreiben eine E-Mail an [email protected] (mz)

Der Miniladen an Güstens Bahnhofstraße kurz nach dem Mauerfall.
Der Miniladen an Güstens Bahnhofstraße kurz nach dem Mauerfall.
privat