"Opfern ein Gesicht geben" Mareen Alburg Duncker erinnert mit Schmuckstücken an getötete Behinderte: Arbeit in der Gedenkstätte für Opfer der NS-Euthanasie Bernburg

Bernburg - Attraktiv ist sie gewesen und gebildet. Sie war bereist. Und selbstbewusst muss sie gewesen sein. So viel zumindest kann Mareen Alburg Duncker schon über Susette Freund sagen. Die 45-jährige Hallenserin versucht sich gerade ein Bild von jener Susette Freund zu machen, die im Alter von knapp 52 Jahren im Rahmen der NS-„Euthanasie“ in der damaligen Landes-Heil- und Pflegeanstalt Bernburg ermordet wurde.
Weil sie eine Jüdin war. Um möglichst viel von Susette Freund zu erfahren, sichtet Alburg Duncker Bilder und liest alles, was sie in die Hände kriegen kann. Denn sie möchte ihr am Ende ein einzigartiges Schmuckstück widmen, das zu Susette Freund passt. Schmuckstücke seien als Grabbeigaben schon seit jeher üblich gewesen, als Zeichen der Wertschätzung für einen geliebten Menschen, sagt die Künstlerin.
Kunststiftung Sachsen-Anhalt fördert zehn Künstler mit Stipendien
Ermöglicht wird dies durch das Heimatstipendium der Kunststiftung Sachsen-Anhalts. Insgesamt fördert die Stiftung zehn Künstler mit jeweils 12.000 Euro, die in den kommenden Monaten in kleineren Museen oder ähnlichen Einrichtungen kreativ tätig sein werden.
Die Gedenkstätte stand für Mareen Alburg Duncker zunächst gar nicht zur Debatte. „Ich dachte, das Thema ist zu schwer“, sagt die 45-Jährige. Aber der Besuch vor Ort Anfang des Jahres habe sie nicht nur ergriffen.
Er habe auch nachgewirkt, erzählt die Schmuckkünstlerin, die in einer Ateliergemeinschaft eigene Schmuckkreationen entwirft. Für fünf bis sechs Opfer, die in der NS-Zeit in Bernburg getötet wurden, möchte Alburg Duncker Schmuckstücke anfertigen.
„Ich möchte den Opfern damit ein Gesicht geben“, sagt die gebürtige Berlinerin, die seit ihrem Studium an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle lebt. Sie möchte mit ihrer Sprache „aber auch ein Zeichen setzen“, sagt Alburg Duncker und meint damit den mehr oder wenig offen gezeigten Rassismus gegenüber anderen Kulturen und Religionen.
Mareen Alburg Duncker lebt seit ihrem Studium an der Burg Giebichenstein in Halle
Wie es schon damals bei Susette Freund der Fall war. Die Jüdin wurde, wie die Künstlerin selbst, in Berlin geboren. Während Freunds Mann nach der Trennung nach Amerika übersiedelte und dort in der Filmbranche arbeitete, blieb sie mit der gemeinsamen Tochter Gerda in Berlin.
1937 habe Susette Freund zugestimmt, dass die seinerzeit Elfjährige zum Vater in die USA zieht, erzählt Alburg Duncker. Sie hat ihre Tochter nie wieder gesehen: Susette Freund kam mit einem Transport aus dem KZ Ravensbrück nach Bernburg und wurde am 12. März 1942 in der Gaskammer ermordet.
Dass überhaupt so viel über die Tochter eines Musik-Antiquars bekannt ist, ist vor allem der Verdienst ihres Enkels, der sich um die Aufarbeitung der Geschichte bemüht habe, erzählt Ute Hoffmann, die Leiterin der Gedenkstätte in Bernburg. Alburg Duncker hat nun die Idee, für Susette Freund einen Armschmuck anzufertigen.
Die behinderte Ruth Rosa Mühlmann starb 1941 im Alter von 21 Jahren
Weit weniger bekannt ist über das Schicksal von Ruth Rosa Mühlmann. Mareen Alburg Duncker weiß nur, dass sie aus den Neinstedter Anstalten im Harz - einem Heim für geistig behinderte Kinder - kam. Von einer Scharlach-Erkrankung als kleines Kind hatte sich die gebürtige Magdeburgerin nie richtig erholt und war seither geistig und körperlich behindert.
Ihre Familie habe sie dennoch geliebt und regelmäßig besucht, erzählt Alburg Duncker. Rosa Mühlmann wurde nach Bernburg „verlegt“ und am 31. März 1941 vergast. Sie wurde gerade einmal 21 Jahre alt.
Für sie wird die Schmuckkünstlerin wahrscheinlich einen Anhänger in Filigrantechnik anfertigen, in dem Fotos aufbewahrt werden können. „Ich finde die Idee mit den Schmuckstücken wunderbar, weil sie so ungewöhnlich ist.
Schmuck bringt man nicht unbedingt mit der Gedenkstätte in Verbindung“, sagt Ute Hoffmann. Dieser soll dann am Ende auch der Öffentlichkeit präsentiert werden - und zwar dauerhaft, im Foyer. „Das Stipendium soll auch einen bleibenden Effekt haben“, sagt Ines Godazgar, bei der Kunststiftung für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.
Auch für zumindest einen Angehörigen wird Alburg Duncker etwas Bleibendes schaffen: Sie möchte einen Gedächtnisschmuck herstellen, einen kleinen Ring, in Filigrantechnik könnte sie sich vorstellen. (mz)