Mann wird bei Explosion in Munitionsfabrik verletzt
Schönebeck/MZ. - Kurz vor halb elf am Freitagvormittag erschüttert ein dumpfer Knall die Stadt. Alteingesessene Schönebecker denken sofort an das Kürzel ACF. Explosionen waren bei den Anhaltinischen Chemischen Fabriken an der Tagesordnung. Doch in ACF gibt es nichts mehr zu sprengen. Dafür haben sich aber im Industriepark West andere Firmen angesiedelt, die auch heute noch mit gefährlichen Stoffen arbeiten.
Niemand am Telefon
Der Anruf bei der Rettungsleitstelle wenige Minuten nach der Explosion ergibt: Ja, es gab eine Explosion, wo genau weiß man nicht. Auch die Polizei kann nur sagen: Irgendwo bei ACF. Weitere Anrufe beim Chemiewerk Schönebeck und bei TRG Cyclamin ergeben: Explosion gehört, aber war nicht auf dem Gelände. Nur bei Lapua geht keiner ans Telefon. "Wir waren ja auch mit anderen Sachen beschäftigt", sagt wenige Stunden später Geschäftsführer Gerald Fetz. Die 35 Mitarbeiter, die zum Zeitpunkt der Explosion im Werk arbeiten, werden evakuiert, ein Krisenstab gebildet.
In der Abteilung, wo der Unfall passiert, arbeiten zu diesem Zeitpunkt zwei Männer. Sie saugen mit einem Spezialstaubsauger Explosivstoffreste auf. Plötzlich gibt es eine Explosion, ein 43-jähriger Mann wird schwer verletzt. Sein rechtes Bein wird stark in Mitleidenschaft gezogen, er erleidet Verbrennungen und wird im Gesicht verletzt. Sein Kollege reagiert geistesgegenwärtig, holt den Mann aus der Gefahrenzone und versorgt dessen Wunden. Ein Feuer, nicht höher als ein Meter, löschen die Lapua-Mitarbeiter selbst.
Auf dem Werksgelände an der Wilhelm-Dümling-Straße trifft zuerst die Polizei ein, es folgen die Feuerwehr und die Notärzte. 29 Kameraden von den Freiwilligen Wehren Tischlerstraße und Bad Salzelmen beginnen mit der Sicherung des Unfallortes. Das Großaufgebot umfasst acht Einsatzwagen. Eine Facheinheit des Landkreises kümmert sich um die Koordination der Arbeiten, Um die ärztliche Versorgung kümmern sich elf Leute. Der Rettungshubschrauber Christoph 36 wartet auf einer Freifläche, um den Schwerverletzten nach Halle in das Spezialklinikum für Verbrennungen, Bergmannstrost, zu fliegen. Das Gewerbegebiet wird für den Verkehr gesperrt.
Es ist kurz vor elf Uhr, als Gerald Fetz sich zum ersten Mal öffentlich äußert. Der Geschäftsführer, der erst seit einem Jahr in Schönebeck arbeitet, ist sichtlich betroffen. "Unsere Gedanken gelten in erster Linie unserem Mitarbeiter", sagt der 43-Jährige. "Das ist ein erfahrener Mann. Wir wissen nicht, was passiert ist." Der Verletzte schwebe nicht in Lebensgefahr, teilt Fetz zunächst mit. Dieser Unfall sei der erste seit 18 Jahren.
Technische Probleme?
Die Spurensicherung trifft wenige Minuten später ein, die Kriminalpolizei nimmt die Ermittlungen auf. Genaues ist bis zum Abend nicht zu erfahren. Die Ermittlungen sollen klären, ob technische Probleme am Staubsauger oder menschliches Versagen die Ursache war. In der betroffenen Werkhalle kümmern sich Feuerwehrmänner unter der Anleitung von Sprengstoffexperten der Polizei um die Räumung der explosiven Stoffe. Fenster, die durch die Druckwelle geborsten sind, werden mit Folie abgedichtet. Die Arbeit steht bei Lapua still. Nur der Mitarbeiter-Krisenstab ist noch vor Ort.
Zwei Mitarbeiter verlassen kurz vor 13 Uhr das Gelände, um Getränke und Essen zu besorgen. Kurz vor 14 Uhr treten Fetz, der Einsatzleiter der Feuerwehr, Uwe Tandler, und Oberbürgermeister Hans-Jürgen Haase, der alle Termine abgesagt hatte, als er von dem Unfall hörte, vor die wartenden Journalisten. Bei der improvisierten Pressekonferenz erklärt Gerald Fetz, dass die Produktion am Montag weitergehen soll: "Die Staubsauger vom betroffenen Typ werden vorerst nicht mehr benutzt." Der Schaden in der Fertigungshalle sei nicht so groß, wie der Knall der Explosion vermuten lässt, so Fetz.
Am Nachmittag teilt ein Sprecher der Klinik Bergmannstrost mit, dass der Zustand des Schwerverletzten doch ernster als zunächst angenommen ist: "Der Mann wird künstlich beatmet und ist sehr schwer verletzt." Noch sprechen die Ärzte von Lebensgefahr.
Die Autorin ist Redakteurin der Schönebecker Volksstimme.