Selters für zehn Pfennig Limonaden-Herstellers Joseph Gastrich in Bernburg: Erste Trinkhalle wurde 1896 aufgestellt

Bernburg - Einst gehörten sie zum Bernburger Stadtbild - so könnte es auch heute wieder sein: die sogenannten und beliebten „Gastrichs“ des stadtbekannten Bernburger Limonaden-Herstellers Joseph Gastrich. Er versorgte mit seinen acht eigenen Verkaufs-Häuschen von 1896 bis 1972, also 75 Jahre hindurch, die durstigen Kehlen.
Unternehmer bot in seinem Antrag 50 Mark Jahresabgabe an
Anfang 1896 stellte Mineralwasserfabrikant P. Josef Happ aus Hildesheim, geboren in Geistingen, an den Bernburger Magistrat ein Gesuch um Genehmigung zur Aufstellung von Trinkhallen innerhalb des hiesigen Stadtbezirkes, um aus denselben Selterswasser und Brauselimonade eventuell auch Kaffee und Fleischbrühe verkaufen zu können.
Die Hallen, wie solche bereits in Hildesheim, Halberstadt, Herford und Bielefeld bestanden, sollten in geschmackvoller Weise ausgeführt am Bahnhof, auf dem Marktplatze, am Buschwege, auf dem Waisenhausplatz, auf dem Karlsplatz, an der großen Einsiedelsgasse und an der Bärstraße aufgestellt werden.
Im April 1896 standen sieben Trinkhallen für Selters und Limonade
Happ hatte sich erboten, pro Trinkhalle eine jährliche Abgabe von 50 Mark an die Stadt zu entrichten. Nach kurzer Debatte beschloss der Gemeinderat am 9. Januar 1896 auf Empfehlung der Baudeputation einstimmig, dem Gesuch unter den offerierten Bedingungen widerruflich stattzugeben und dem Magistrat die Auswahl der Plätze zu überlassen.
Eine erste Trinkhalle kam im März 1896 vorerst am Provianthaus zur Aufstellung; Mitte April waren es sieben Trinkhallen, an denen Selterswasser und Limonade erhältlich war.
Große Nachfrage nach Erfrischungsgetränken
In den warmen Junitagen des Jahres 1896 erfreuten sich die sieben aufgestellten Selterswasserhäuschen regen Zuspruchs. Die Nachfrage nach den erfrischenden Getränken war so stark, dass zur Fabrikation derselben sogar die Nacht zu Hilfe genommen werden musste.
Die Kosten der Unternehmer waren allerdings nicht unbedeutend, aber es schien, was nicht so zweifellos war, dass sich die Einrichtung auch bei uns ganz gut rentieren würde. Bald war auch eine Nutzung im Winter geplant, so sollte statt Selterswasser Bouillon, Kaffee und anderes verabreicht werden; die Häuschen sollten nun dann statt des Eiskastens einen Ofen erhalten!
Im Winter wurden heiße Getränke wie Bouillon und Kaffee verkauft
(Bernburger Wochenblatt vom 30.8.1896). Diese Gastrich-Kioske erinnerten im Dekor an kleine Schweizerhäuschen, prägten das Stadtbild und lockten die Passanten besonders in der warmen Jahreszeit mit Selterswasser für zehn Pfennig das Glas oder mit gelber, roter und grüner Brauselimonade (19 Pfennige).
Die 20 Zentimeter hohe Viertelliterflasche aus dickem, grünem Glas hatte einen originellen Glaskugel-Verschluss. Die Füllung der Flasche geschah folgender Maßen: Zuerst kam etwas Limonadensirup mit einem Kurbelapparat in die Flasche, dann kam kohlensaures Wasser hinzu. Die Flasche wurde gedreht, und die Kohlensäure beförderte nun eine Glaskugel in der Halsöffnung von innen gegen einen Gummiring im Hals der Flasche.
Glaskugel verschloss Flaschen mit Brauselimonade
Der Kohlensäureüberdruck des Getränkes sorgte für Haltbarkeit. Geöffnet wurden die Flaschen durch Eindrücken der Kugel mittels Handholz (Holz-Stöpsel). Die Kugel rollte in die beiden Nasen im Flaschenhals zurück und der Inhalt konnte ausgegossen werden. Ein ebenso einfaches wie praktisches Prinzip, zumal die dickwandigen Flaschen so ziemlich bruchsicher waren.
Die Existenz dieser einzigartigen Flaschenart reicht bis zum das Ende des 19. Jahrhunderts zurück, vermutlich brachte Josef Happ diese von einem langjährigen Aufenthalt in Amerika mit. Mit nach Hause nehmen konnte man die Flaschen allerdings nicht. Wer trinken wollte, bekam den Inhalt -– genau ein viertel Liter - in ein Glas gefüllt.
Bude an Ecke Friedensallee/Kollwitz-Straße wurde 1981 abgerissen
Wo waren die Bernburger Gastrich-Buden zu finden? Ab Sommer 1924 wurde die Trinkwasserbude vom Lindenplatz zur heutigen Ecke Friedensallee/Käthe-Kollwitz-Straße verlegt. Sie war die letzte, die ohne denkmalschützerische Überlegung 1981 abgerissen wurde.
Ab 1924 stand auf dem Karlsplatz das einzige Häuschen mit fest gemauertem Unterbau sowie im runden Fachwerkstil. Weitere Buden gab es an der Kreuzung Köthensche-/Bahnhofstraße, in der Friedensallee am Liebknechtplatz (heute Rheineplatz), auf dem Martins- sowie Waisenhausplatz (heute Louis-Braille-Platz), an der Molkerei und in der Nähe des Kurhauses.
Transportable Verkaufsbuden wurden per Pferdewagen umgesetzt
Diese Gastrich-Trinkbude am Eingang des Krumbholzes wurde im März 1931, da der Fußgängerverkehr nunmehr rechts war und durch den bisherigen Zustand der Radfahrerverkehr etwas gestört wurde, auf die rechte Seite verlegt, wo die schöne Breite des damaligen Promenadenweges ein bequemes Nebeneinandergehen und Passieren selbst mehrerer Personen ermöglichte.
Auf Bernburger Ansichtskarten ist eine „Trinkwasserbude“ der Fa. Gastrich auf dem Marktplatz, in unmittelbarer Nähe des Fürst-Wolfgang-Denkmals, zu sehen. Dies war eine transportable Verkaufsbude, die man auf Pferdefuhrwerke laden und so an ihren neuen Standort bringen konnte. (wird fortgesetzt) (mz)