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Gabriele und Michael Hinzdorf aus Bernburg Gabriele und Michael Hinzdorf aus Bernburg: Buchhändler aus Leidenschaft

Von Maximilian Mühlens 11.02.2017, 06:45
Gabriele und Michael Hinzdorf verkaufen seit mehr als 26 Jahren Bücher - sie haben vor allem einen großen Kreis an Stammkunden.
Gabriele und Michael Hinzdorf verkaufen seit mehr als 26 Jahren Bücher - sie haben vor allem einen großen Kreis an Stammkunden. Engelbert Pülicher

Bernburg - Mit großen Augen stehen zwei Schülerinnen vor der „Bücherstube am Boulevard“. Eine lehnt sich an die gläserne Eingangstür und drückt diese mit ihrem Körpergewicht auf. Gabriele Hinzdorf, die Besitzerin des Buchladens, begrüßt die beiden herzlich und fragt, welchen Wunsch sie haben.

Die Schwestern lernen das Klavierspielen und für ihren Musikunterricht brauchen sie einen neuen Kalender, am liebsten aus Leder. In der edlen Kladde sollen dann alle wichtigen Termine eingetragen werden. Im letzten Jahr hätten sie eine solche auch schon bei Gabriele Hinzdorf gekauft und seien sehr zufrieden gewesen.

Die Geschäftsinhaberin zeigt den jungen Mädchen verschiedene Hefte und schließlich fällt die Entscheidung auf eines, das nicht in Leder eingebunden ist. „Das ist fast noch schöner“, sagt eine der Schülerinnen freudestrahlend. Mit der neuen Kladde in der Hand geht sie zu einer Bücherauslage und erkundigt sich, ob es bald einen Fortsetzungs-Roman gibt. Gabriele Hinzdorf geht zu ihrem Computer, tippt schnell ein paar Informationen ein und muss sie leider enttäuschen. „Aktuell ist keine Fortsetzung vorgesehen, aber vielleicht im Herbst“, so die 59-Jährige.

Seit 1990 am Boulevard in Bernburg

Allein die Frage hat Gabriele Hinzdorf aber schon sehr gefreut. „Das beruhigt mich immer wieder und zeigt mir, dass nicht alles verloren scheint und junge Mädchen sehnsüchtig auf eine Fortsetzung warten“, so die Buchhändlerin.

Zusammen mit ihrem Ehemann Michael Hinzdorf hat sie vor mehr als 26 Jahren die „Bücherstube am Boulevard“ eröffnet und in dieser Zeit sehr viel erlebt.

„Im September 1990 haben wir unser Geschäft eröffnet“, erinnert sich die Buchhändlerin. Schon immer waren Bücher und das gedruckte Wort ihre Leidenschaft. Als Bibliothekarin hat sie in der ehemaligen DDR gearbeitet, ihr Mann war zuerst Chemiefacharbeiter, später dann Ingenieur-Ökonom. Vom Buchhandel hatten beide keine Ahnung. Es war ein Wagnis mit der die Hinzdorfs nach dem Zerfall der DDR ihr Geld verdienen wollten.

Früher waren sie Bibliothekarin und Ökonom

„Die Immobilie in der heutigen Lindenstraße haben wir damals schon besessen“, erklärt Michael Hinzdorf, der vor allem die Zahlen des Geschäftes im Blick behält. Früher beherbergte das Haus eine Textilfirma, die aber auszog. „Gerade nach dem Umbruch musste man sich damals Gedanken machen, womit man seinen Unterhalt bestreiten wollte“, erzählte Gabriele Hinzdorf. Auf keinen Fall wollte sich das Ehepaar irgendeine Arbeit „aufdrücken“ lassen, sondern selber entscheiden, was sie bis zur Rente machen können.

Und da die ehemalige Bibliothekarin insgeheim schon öfters mit dem Gedanken eines Buchladens spielte, sollte dieser in Erfüllung gehen. Ganz so leicht war der Start dann aber doch nicht - er war sehr holprig. Schuld daran war die Umbruchzeit. Die Mauer fiel zwar am 9. November 1989, offiziell aufgelöst wurde die DDR aber erst am 3. Oktober 1990.

Rat des Kreises verweigerte Erlaubnis

Vor der Auflösung bemühte sich Familie Hinzdorf um eine nötige Gewerbeerlaubnis. Der sogenannte „Rat des Kreises in Bernburg“ verweigerte dem Ehepaar eine solche Erlaubnis allerdings. Der Rat bezweifelte, dass die Bücherliebhaber mit ihrem Geschäft einen ordentlichen Umsatz machen könnten. „Das war uns aber egal, wir wollten auf unser eigenes Risiko mit dem Laden starten“, so Gabriele Hinzdorf.

Nach einem längeren Hin und Her bekam sie den langersehnten Stempel und die damit verbundene Erlaubnis. Damit war der erste kleine Schritt getan, allerdings wollte sie der Leipziger Kommissions- und Großbuchhandel (LKG) nicht direkt in Datei aufnehmen. Der LKG war der zentrale Buchgrossist der DDR.

Goldgräber-Stimmung

Irgendwann war es dann aber soweit und auf der Leipziger Buchmesse konnten die Hinzdorfs im März 1990 die ersten Kontakte zu Verlagen und Groß-Buchhändlern knüpfen. „Es war damals eine volksfestartige Stimmung“, erinnert sich die 59-jährige Buchhändlerin. Endlich konnte sie beherzt nach Büchern greifen ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Zusammen mit einem örtlichen Tischler bauten sie ihren Geschäftsraum in der Lindenstraße um und fühlten die Regale mit Büchern.

Noch heute ist es für Gabriele Hinzdorf ein „magisches Gefühl“, wenn Pakete mit neuen Büchern ankommen. Damals war der Buchhandel,eine Goldgrube. „Wir hatten keine große Konkurrenz - an Weihnachten standen wir regelmäßig vor leeren Regalen“, erinnert sich die Geschäftsfrau.

Konkurrenz in der Nachbarschaft und im Web

Nun sind die Zeiten härter: In unmittelbarer Nachbarschaft hat ein Bücherriese am Boulevard ein Geschäft eröffnet und im Internet lassen sich ebenfalls schnell und einfach Bücher bestellen. Nicht zu vergessen: Die eBooks, die man sich auf den Tablet-Computer laden kann. „Wir haben uns einer Genossenschaft angeschlossen, der mehr als 700 kleine Buchläden angehören“, erklärt Gabriele Hinzdorf. Diese bietet auch einen speziellen Internet-Buchlieferservice an. Und nicht zuletzt sind es die vielen Stammkunden, die der „Bücherstube am Boulevard“ treu bleiben.

Mehr Informationen unter:www.genialokal.de/buecher-hinzdorf  (mz)

Die „Bücherstube am Boulevard“ in der Lindenstraße 20d.
Die „Bücherstube am Boulevard“ in der Lindenstraße 20d.
Pülicher