Focus-Ranking Focus-Ranking: Wohnen im Salzlandkreis ist günstig aber auch unattraktiv?

Bernburg/Aschersleben - Nirgends lebt man in Deutschland so günstig wie im Salzlandkreis. Das hat jetzt eine vom Nachrichtenmagazin „Focus“ beim Kölner Sozialforscher Wolfgang Steinle in Auftrag gegebene Studie ergeben. Das klingt zunächst nicht schlecht. Allerdings sorgen die Schlussfolgerungen wie „geringe Jobchancen und wenig Wohlstand“ überwiegend für Kopfschütteln in der Kreisverwaltung in Bernburg. Landrat Ulrich Gerstner (SPD) sprach auf MZ-Anfrage von fragwürdigen Aussagen. Zwar beruhen die Daten auf Angaben der Statistischen Landesämter und der Bundesagentur für Arbeit. Aber: „Parameter wurden willkürlich ausgewählt und nicht immer nachvollziehbar ausgewertet“, ließ er durch seine Pressesprecherin Ingrid Schildhauer mitteilen.
Neben dem Salzlandkreis leben die Menschen auch im Landkreis Stendal, im Altenburger Land (Thüringen) sowie in den Kreisen Elbe-Elster und Prignitz (jeweils Brandenburg) am günstigsten - alles Regionen im Osten Deutschlands. Die teuerste Region ist Frankfurt am Main, gefolgt von Stuttgart und München.
Salzlandkreis ist nicht die schlechteste Region in Sachsen-Anhalt
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Im Gesamtranking belegt der Salzlandkreis zwar nur Platz 365 von 388 untersuchten kreisfreien Städten und Landkreisen. In Sachsen-Anhalt gibt es aber vier Regionen, die noch schlechter dastehen. Und der Salzlandkreis hat seine Platzierung gegenüber einer Studie vor zwei Jahren um 15 Ränge verbessert. Erfolgreichste Region bundesweit ist aktuell Ingolstadt vor Heilbronn und München (siehe „Börde die beste Region im Bundesland“).
Die niedrigen Kosten im Salzlandkreis spiegeln laut Studie auch unattraktive Lebensbedingungen wider. Solche Schlussfolgerungen bringen Gerstner auf die Palme: „Für viele Menschen sind niedrige Kosten wohl eher attraktiv.“ Zudem verstehe man unter Wohnraum und Infrastruktur - einer der Parameter - nicht nur Straßen, Energieversorgung, Müll- und Abwasserentsorgung sowie Telekommunikation, sondern eben auch Schulen, Kitas, das Gesundheitswesen sowie kulturelle Angebote. „Da sind wir meines Erachtens sehr gut aufgestellt“, so Gerstner.
Er findet, dass der Salzlandkreis nicht unattraktiv ist. Denn Attraktivität hänge maßgeblich vom Empfinden der Menschen in der Region ab. „Viele fühlen sich wohl“, sagt der Landrat nach den Erfahrungen, die er in den vergangenen Jahren gemacht habe. „Deshalb kann ich diese Studie nur als oberflächlich, mit geringem Erkenntniszuwachs bewerten.“ Während etwa Bernburg oder Aschersleben nicht explizit erwähnt werden, kommt Staßfurt als „Zentrum des Kostensiegers“ besonders schlecht weg. In dem Bericht heißt es etwas süffisant: Die Stadt an der Bode „bietet mit ihren vielen leer stehenden Häusern und bröckelnden Fassaden ein eher tristes Bild. Dafür ist es wirklich günstig: Ein Zimmer mit Internet kostet 18 Euro die Nacht. In der Innenstadt parkt man kostenlos neben dem Geschäft Preisbombe und erhält eine Bratwurst am Stand für 1,30 Euro. Gegenüber dem Wasserturm fordert ein Plakat des lokalen Stromversorgers die Besucher auf: ,Lieber Kunde, komm und spar.’“
Auch Staßfurts Oberbürgermeister René Zok übt Kritik
Auch wenn die Passage in dem Bericht nicht falsch ist, so hat Staßfurts Oberbürgermeister René Zok (parteilos) nur wenig Verständnis für die Aussagen. „Ich frage mich, wo die Autoren gewesen sind.“ Zumal die zerfallenen Häuser meist nicht in kommunaler Hand, sondern in Privatbesitz seien, häufig auch von Westdeutschen. Auch gebe es in Staßfurt genau das Gegenteil von zerfallenen Fassaden. Zok sagt: „Es gibt zahlreiche Bürger, die sich hier sehr wohl fühlen.“ Dass der Salzlandkreis als unattraktiv gelte, liege auch daran, dass der Osten im Allgemeinen bislang nur die verlängerte Werkbank des Westens sei, so der Rathauschef. Um wirtschaftlich mit anderen Regionen der Republik gleichzuziehen, würden schlicht die finanziellen Mittel fehlen.