Fahrlehrer Stefan Repert aus Bernburg Fahrlehrer Stefan Repert aus Bernburg: Endlich sein eigener Chef

bernburg - Als das Förderprogramm Ego-Pilot Ende 2014 auslief, drohte auch das Ende der Existenzgründer-Begleitung. Doch unter dem Dach der Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WFG) des Salzlandkreises berät Holger Naumann seitdem weiter Menschen der Region vor dem Sprung in die Selbstständigkeit.
Unterstützt wird der Geschäftsführer dabei von Nadine Finke und Marion Kallas. 117 Menschen nutzten das kostenlose und regionalkompetente Angebot im zurückliegenden Jahr und damit schon deutlich mehr als noch 2015, als 75 Gründungsinteressenten den Weg ins Bernburger Kurhaus fanden.
Viele Gründer sind unzufriedene Angestellte
40 Prozent der Gesprächspartner im Vorjahr befanden sich in einem Angestelltenverhältnis, mit dem sie unzufrieden waren, beispielsweise wegen fehlender Aufstiegsperspektiven, sagt Marion Kallas. Oft würden die Interessenten bei der Beschäftigung mit dem notwendigen Businessplan dann allerdings feststellen, dass sie als Selbständige die Sozialversicherungskosten zu 100 Prozent allein tragen müssen, ergänzt Holger Naumann.
„Für einen Anfänger sind da im Monat schon mal rund 450 Euro weg, hinzu kommen unter anderem Ladenmiete und Personalkosten“, so der WFG-Geschäftsführer, der es begrüßt, wenn sich die Gründer - soweit möglich - erstmal im Nebenerwerb mit ihrer Geschäftsidee versuchen. „Sie können dann überprüfen, ob die Kunden bereit sind, dafür zu zahlen, und im zweiten Schritt in den Haupterwerb gehen.“
Bei einem Viertel der Besucher des vergangenen Jahres mündeten die Gespräche in der unternehmerischen Selbstständigkeit. 20 Gründungen waren im Vollerwerb zu verzeichnen, zehn im Nebenerwerb.
„Uns geht es um Nachhaltigkeit, nicht um die Quote"
Relativ häufig platzte der Traum von der eigenen Gaststätte. „Weil wir mit unseren Informationen vor Schaden bewahren und Risiken aufzeigen“, erklärt Holger Naumann. Nicht jeder, der zu Hause mal tapeziert habe, könne gleich einen Malerbetrieb gründen, denn im Handwerk gelte weiter die Meisterpflicht. „Uns geht es um Nachhaltigkeit, nicht um die Quote, schließlich tragen wir auch Verantwortung für die Gründer und deren Familien“, verdeutlicht der WFG-Geschäftsführer.
Um den Start besser zu meistern, können Gründer, die Arbeitslosengeld I oder II beziehen, auf finanzielle Unterstützung hoffen, sagt Marion Kallas. Einen Rechtsanspruch gebe es nicht, das liege im Ermessen von Arbeitsagentur und Jobcenter. Grundvoraussetzung dafür sei ein Businessplan. Wer sich in die Selbständigkeit wagt, sollte dies nicht ohne Schulungen tun.
Mehrere Kurse im Angebot
Im Salzlandkreis qualifiziert das IGZ Inno-Life Schönebeck die Teilnehmer in einem Vorgründerkurs über 60 Unterrichtsstunden und in einem Begleitkurs über 200 Stunden zu Beginn der Selbständigkeit. In den Seminaren, die in Bernburg, Schönebeck und Staßfurt angeboten werden, wird den Gründern unter anderem das Know-how in Recht, Werbung oder Buchführung gelehrt.
Rückgrat der regionalen Wirtschaft
Für Holger Naumann sind die Kleingründungen das Rückgrat der regionalen Wirtschaft. Angesichts eines aktuell negativen Saldos aus Gewerbean- und abmeldungen seien sie wichtiger denn je. Der teilweise akut gewordene Fachkräftemangel bremse allerdings den Gründerdrang. „Angesichts vieler freier Arbeitsstellen bevorzugen die Leute eine Festanstellung gegenüber einer risikobehafteteren Selbständigkeit“, zeigt der WFG-Geschäftsführer die logische Folge auf.
Einer, der ins Risiko gegangen war, ist Stefan Repert. Seit zehn Jahren als Lehrer bei verschiedenen Fahrschulen der Region beschäftigt, wollte der Gerlebogker endlich sein eigener Chef sein. Anfang des Vorjahres reifte der Entschluss dazu, bei WFG-Beraterin Nadine Finke erhielt er die „fehlenden Prozente“ des nötigen Wissens. Derart gut gerüstet, eröffnete der 33-Jährige am 1. September in der Bahnhofstraße 19a in Bernburg „Stefans Fahrschule 83“. Er ist damit nicht nur jüngster Fahrschul-Inhaber der Saalestadt, sondern unterbreitet auch spezielle Ferienkurse, in denen das theoretische Wissen zum Führerschein-Erwerb in sieben Tagen statt sieben Wochen vermittelt wird.
Ein solches Alleinstellungsmerkmal sei grundsätzlich von Vorteil, um am Markt erfolgreich zu sein, glaubt Holger Naumann. Egal in welcher Branche. Und tatsächlich blickt Stefan Repert optimistisch in die Zukunft. Seine Existenzgründung hat er bislang nicht bereut. „Ganz im Gegenteil, ich kann jetzt schalten und walten, wie ich will. Wenn es weiter so gut läuft, muss ich über eine Angestellte fürs Büro nachdenken.“
Wer über eine Existenzgründung nachdenkt, kann sich nach vorheriger Terminvereinbarung unter Telefon 03471/301-208 oder E-Mail
[email protected] kostenlos beraten lassen. (mz)
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83 Prozent der 30 von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WFG) begleiteten Unternehmensgründungen im vorigen Jahr im Salzlandkreis gab es im gewerblichen Bereich. Führend war der Dienstleistungssektor (10), gefolgt von Handwerk (4), Gesundheit und Sozialwesen (2). Gewerbe angemeldet wurden aber beispielsweise auch im Bereich Online-Marketing, Fahrzeugaufbereitung, Kunststoff-Recyling, Umweltservice sowie Garten und Landschaftsbau. 17 Prozent der Neugründungen entfielen auf freiberufliche Tätigkeiten wie Hebamme, Physiotherapie, Podologie, Fahrschule und Dozententätigkeit.
57 Prozent der neue Existenzen bauten sich Männer auf. Nach bisherigen Erfahrungen der WFG heißt das - entgegen gängiger Klischees - aber nicht, dass Männer grundsätzlich risikofreudiger sind.
Zu Beginn stehen meist Solo-Gründungen. Mitarbeiter werden erst dann eingestellt, wenn sich die Unternehmung etabliert hat.
40 Prozent der Existenzgründer des Vorjahres gaben dafür ein Beschäftigungsverhältnis auf. 27 Prozent bezogen bis dato Arbeitslosengeld, 20 Prozent Hartz IV.
Mehr als die Hälfte der Interessenten kamen aus dem Raum Bernburg (54 Prozent), gefolgt von Aschersleben und Staßfurt (jeweils 21 Prozent) sowie Schönebeck (4 Prozent).
12 Interessenten nahmen an einem Vorgründerkurs teil, 13 weitere besuchten den Gründerqualifizierungskurs.
