Fragwürdige Geschäfte der Stadt Ehemaliges Theatercafé Schlossstraße Bernburg, Garagen Stauffenbergstraße. Wurden Immobilien unter Wert verkauft?

Bernburg - Die Stadt Bernburg hat nach MZ-Recherchen offenbar über Jahre hinweg kommunales Vermögen teilweise unter Wert verkauft. Aktuellster Fall: Auf Empfehlung der Verwaltung stimmte der Stadtrat in der Vorwoche mehrheitlich dem Verkauf des ehemaligen Theatercafés an einen Investor aus der Region zu und erteilte Oberbürgermeister Henry Schütze (parteilos) das Verhandlungsmandat.
Nach MZ-Informationen soll der Preis bei nur 10.000 Euro liegen. Als die Stadt die leerstehende Immobilie vor vier Jahren erwarb, hatte sie selbst das Zehnfache hingeblättert. Seitdem bot sie das sanierungsbedürftige Haus aus dem Jahr 1880 vergeblich für 109.000 Euro zum Kauf an. OB Schütze sagte, dass der Vertrag noch nicht ausgehandelt sei und er damit auch keinen Preis nennen könne. Zum Verkehrswert machte er keine Angabe.
Oberbürgermeister Schütze will sich zum Verkaufspreis der Immobile nicht äußern
Das Ex-Theatercafé ist nicht das einzige Grundstücksgeschäft, das fragwürdig erscheint. Zuletzt hatte der Verkauf des Garagenkomplexes an der Stauffenbergstraße für Aufsehen gesorgt. Er wurde zum Bodenrichtwert von 30 Euro je Quadratmeter an ein Investorenduo veräußert, das auch Garagenkomplexe an der Wettiner Straße und an der Kalistraße kaufte.
Der Bodenrichtwert gibt allerdings nur Auskunft über den Wert unbebauten Landes. Die darauf stehenden 64 Garagen bekamen die Erwerber quasi gratis dazu. Laut dem Kommunalverfassungsgesetz Sachsen-Anhalt darf kommunales Vermögen jedoch nur zum „vollen Wert“ verkauft werden.
„Bei Grundstücken ist hierunter der Verkehrswert zu verstehen“, erklärt Denise Vopel, Sprecherin des Landesverwaltungsamtes. Veräußerungen unterhalb des Verkehrswertes seien nur zulässig, wenn dies durch „ein besonderes öffentliches Interesse“ gerechtfertigt werden kann. Für den Garagenverkauf dürfte dies zweifelhaft sein.
Verkauf zum Verkehrswert kann ein Verstoß gegen den Grundsatz sparsamer Haushaltsführung sein
In der Regel gilt der Verkehrswert als Mindestpreis. Schon vor zehn Jahren hatte die Behörde alle Kommunen in Sachsen-Anhalt mit einer internen Verfügung, die der MZ vorliegt, angewiesen, dass selbst der Verkauf zum Verkehrswert ein Verstoß gegen den in der Kommunalverfassung verankerten Grundsatz der sparsamen Haushaltsführung sein könnte.
Sollte nämlich vor Vertragsschluss bekannt sein, dass es mehr als einen Interessenten gibt, sei zwingend ein Bieterverfahren zu initiieren, um den bestmöglichen Preis zu erzielen.
Beim Garagenverkauf allerdings unternahm die Stadtverwaltung erst gar nicht den Versuch, weitere potenzielle Käufer ausfindig zu machen. Die Garageneigentümer selbst wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. Sie erfuhren erst Monate später von diesem Deal, der sie aufgrund der Gesetzgebung zum 1. September praktisch enteignete.
Garagen wurden verkauft, ohne dass die Stadtverwaltung versuchte, weitere potenzielle Käufer ausfindig zu machen
Sie sollen nach Kündigung der Pachtverträge ab Januar 2020 für ihre ehemals eigenen Garagen nun 40 Euro pro Monat an die neuen Eigentümer zahlen. Bisher entrichten die Nutzer an die Stadt rund 100 Euro pro Jahr, um deren Kosten zu decken.
Die Verwaltung sieht darin kein Problem: „Die Rundverfügung stellt dar, dass ein Bieterverfahren nur bei vorhandenen Interessenten durchgeführt werden muss“, teilt Sprecher Wolfgang Knopf mit.
Auf kritische Nachfrage zum Garagendeal von Hagen Neugebauer (SPD) in der Stadtratssitzung verteidigte Wirtschaftsdezernent Holger Dittrich das Vorgehen: „Ich warne vor einer öffentlichen Ausschreibung, weil Käufer dann beispielsweise aus Baden-Württemberg kommen würden. Das ist nicht unsere Intention.“
Wirtschaftsdezernent Dittrich verteidigte das Vorgehen beim Verkauf der Garagen
Vielmehr will die Stadt darüber entscheiden, in wessen Hände das kommunale Vermögen übergeht. Besonders heikel macht den Fall allerdings die Konstellation, dass einer der Garagenkäufer ein Parteifreund des zuständigen Dezernenten ist und nach gescheiterter Kandidatur für den Stadtrat von der FDP als sachkundiger Einwohner in den Planungsausschuss berufen wurde.
Das ist jenes Gremium, dem er vor einem Jahr sein Konzept für den Garagenkomplex vorgestellt hatte - unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Rechtlich nicht bindend
„Die Verfügung des Landesverwaltungsamts ist verbindlich für alle Kommunen, um einen einheitlichen Gesetzesvollzug zu gewährleisten“, betont Denise Vopel. Im Gegensatz zu Gesetzen, Rechtsverordnungen oder Satzungen seien Verfügungen im Streitfall für Gerichte jedoch nicht bindend.
Im Rathaus fühlt man sich den Vorgaben der Kommunalaufsicht nicht verpflichtet, weil sie laut eigener Auffassung „lediglich ein Hinweis auf die Rechtslage im Jahr 2009“ und „auch nicht im Vorschrifteninformationssystem Sachsen-Anhalt enthalten und daher keine Verwaltungsvorschrift in diesem Sinne“ seien. (mz)
