Drogenszene Diakonisches Werk Bethanien Bernburg: Streetworker kümmert sich ab Oktober um Suchtkranke

Bernburg - Bernburg bekommt wieder einen Streetworker, der sich 30 Stunden pro Woche um Suchtkranke in der Stadt und ihren Ortsteilen kümmern und Präventionsarbeit an Schulen leisten soll.
Der Jugend- und Sozialausschuss hat dem Stadtrat einstimmig die Empfehlung gegeben, dafür jährlich zunächst bis 2023 eine Summe von 53.000 Euro bereit zu stellen. Weitere 15.000 Euro wird ein Sponsor beisteuern, der anonym bleiben will.
FDP-Stadtrat Gerd Klinz gab den Anstoß
Dass Bernburgs Schattenwelt überhaupt wieder in den öffentlichen Fokus gerückt ist, geht auf das Engagement von Gerd Klinz zurück. Der FDP-Stadtrat hatte mit dem Erlös aus dem Benefizkochen im Hotel „Wippertal“ Anfang des Jahres den ersten, wenn auch noch kleinen Grundstein gelegt, wieder über die Finanzierung eines Streetworkers zu reden.
Erst das Land Sachsen-Anhalt, dann der Salzlandkreis hatten die Förderung der Streetwork-Arbeit eingestellt, weil der Bedarf nicht mehr vorhanden sei. Zwar ging der Konsum harter Drogen durch Jugendliche tatsächlich zurück.
Land und Salzlandkreis hatten keine Zuschüsse mehr bezahlt
Aber schlichtweg nur deshalb, weil die Klientel älter wurde. Der Rückenwind-Verein musste seine Arbeit auf diesem Gebiet mangels Geld vor drei Jahren einstellen, seitdem lag sie brach.
Auch wenn sich die Drogenszene nur schwer überblicken lässt, so geben doch vorliegende Statistiken eine ungefähre Vorstellung. Die niedergelassene Suchtmedizinerin Gabriele Jungbluth-Strube betreut zusammen mit einem Arzt der Salus-Klinik 140 schwerst heroinabhängige Menschen in der Saalestadt.
Suchtmedizinerin betreut 140 Heroinabhängige in Bernburg
Die Suchberatungsstelle des Diakonischen Werkes Bethanien registrierte im Vorjahr 289 Ratsuchende aus Bernburg. 65 von ihnen gaben eine Abhängigkeit von Crystal Meth zu.
Nach Einschätzung der Berater liegt die Dunkelziffer aller Konsumenten hierzulande aber viel höher. Die Modedroge Nummer eins habe sich nicht nur in alle Altersschichten geschlichen, sondern lasse auch kaum eine Bildungs-, Berufs- und Milieuschicht aus.
Crystal Meth wirkt besonders verheerend auf den Körper
Wegen des massiven Hirnverfalls, den Crystal auslöst, sind Süchtige kaum in der Lage, vereinbarte Beratungstermine einzuhalten. Hilfsangebote erreichten sie deshalb nicht.
Diese Lücke soll ab 1. Oktober ein Streetworker schließen, indem er sich schrittweise als Vertrauensperson in der Szene etabliert und aktiv ihre Treffpunkte aufsucht. Damit ratsuchende Abhängige andererseits ihn finden, wird er bei Bethanien angestellt.
Streetworker wird beim Diakonischen Werk angestellt
Das Andocken an die Suchtberatungsstelle am Altstädter Kirchhof bietet einen entscheidenden Vorteil, sagte Sozialamtsleiterin Margot Hajek-Hoffmann: „Der Streetworker kann sowohl im Urlaubs- und Krankheitsfall als auch dann, wenn er auf der Straße unterwegs ist, vertreten werden.“
Genau deshalb habe sich die Stadtverwaltung dazu entschlossen, die Diakonie zu kontaktieren und nicht den Rückenwind-Verein. Dieser habe zwar in der Vergangenheit sehr gute Arbeit geleistet, müsste aber ohne die Mitarbeiter von damals ein komplett neues Netzwerk aufbauen.
Bei Rückenwind wäre ein kompletter Neuaufbau nötig gewesen
„Sich dranhängen ist besser als ein kompletter Neuaufbau. Das Geld kann dadurch so effektiv wie möglich eingesetzt werden“, sagte Ausschussvorsitzender Thomas Gruschka (CDU). Auch der anfangs durch den Trägerwechsel irritierte Projekt-Initiator Gerd Klinz ließ sich von diesen Argumenten überzeugen.
„Durch unsere vielfältigen Kontakte und Erfahrungen bin ich optimistisch, dass der Streetworker zeitnah die Brennpunkte in der Stadt ansteuern kann“, sagte Bethanien-Suchtberaterin Annette Völzke. Anders als früher soll sich der neue Kollege nicht nur um Jugendliche kümmern, sondern Drogenkonsumenten jeglichen Alters ansprechen.
Aus gutem Grund: „Fast 80 Prozent der Klienten in der Drogenberatungsstelle sind heute älter als 27 Jahre“, erläuterte Jugendamt-Mitarbeiter Marcin-Jan Franke.
Der Streetworker wird für seine Arbeit auch einen Dienstraum im Sozialzentrum an der Auguststraße bekommen, das als zweite Anlaufstelle für Süchtige eine wichtige Rolle spielen wird. (mz)