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Der antifaschistische Sockel ist nach Recherche kleiner

Von CARSTEN STEINBORN 02.10.2009, 16:31

BERNBURG/MZ. - Eine seiner Lesungen "endete im Tumult", wie er selbst sagt. Der Grund: Manche antifaschistische Biografie gab bei genauer Betrachtung nicht das her, was offizielle Lesart in der DDR war.

Aha-Effekt bleibt aus

Das schon machte Hirschingers Vortrag zu Bruno Hinz im Bungesaal des alten Bernburger Rathauses spannend. Und sie brachte manch Neues über den gebürtigen Bernburger Hinz, auch wenn der große Aha-Effekt bei den Zuhörern ausblieb. Unterm Strich blieb die Erkenntnis, dass Hinz kein herausragender KPD-Führer war, zu den ihn die SED-Oberen einst gemacht hatten. Aber er war der Kommandeur des Thälmann-Bataillons, als solcher aber kein befähigter Militär. Hirschinger spricht Hinz nicht ab, mutig gegen die Faschisten gekämpft und sein Leben gegeben zu haben. Charakterisiert Hinz jedoch als Stalinisten.

Angelegenheit der Bürger

Die Überlegung, ob allein der Kampf gegen den Faschismus reicht, eine Sporthalle und eine Straße in Bernburg nach Hinz zu benennen, lässt der Referent indes offen. Das, so meint er, sei die Sache der Bernburger. Aus seiner eigenen Sicht, so lässt er dann aber doch in der Diskussion wissen, reichten diese Fakten nicht aus.

Eine Meinung, die Peter Schwalme aus Bayern nicht teilen möchte. Er ist der Schwager von Erika Hutzler, der Nichte von Bruno Hinz. Sie ist die Tochter von Marianne Latoschinski, der Schwester von Bruno Hinz, die die Nazis 1944 in Plötzensee ermordeten. Wenn eine Stadt jemanden hat, der im Kampf gegen den Faschismus sein Leben gelassen habe, soll sie sein Andenken auch wahren, so Schalme, der sich freute, am Rande der Veranstaltung mit Hagen Bauer zusammenzutreffen. Bauer ist ein Enkel von Bruno Hinz. "Wir erforschen erst seit kurzem die Geschichte der Familie", so Schalme, dem an den Fakten, die Hirschinger gesammelt hatte, viel lag.

Gewohnt hat Bruno Hinz in der Korngasse 7 in Bernburg, wo bis zur Wende eine Tafel an den Kommunisten erinnerte. Offen musste auch Joachim Grossert in seiner Anmoderation lassen, warum eine Tafel für Marianne Latoschinski in der 1960er Jahren verschwand. In den Akten der KPD aus den 1920er Jahren taucht Hinz nicht auf - anders als zum Beispiel Erich Besser. Belegt ist indes ein Zeitzeugenbericht, nachdem Hinz aus Bernburg fliehen muss. Die KPD ist in der Illegalität, es gibt Verräter unter den Genossen und die Nazis haben ein Kopfgeld auf Hinz ausgesetzt. Der erfährt davon und flieht ins Ausland. Die letzte Karte erhält die Familie 1937 aus Frankreich.

Gefallen vor Madrid

Hinz hat wohl auch eine Offiziersschule in der Sowjetunion besucht und wird deshalb der Kommandeur des Thälmann-Bataillons. Es ist das dritte Bataillon der 11. Internationalen Brigade. Zeitzeugenberichte widersprechen sich. Für die einen ist er der bei den Soldaten beliebte militärische Führer. Andere Berichte, die näher an den Ereignissen in Spanien liegen, sprechen von Kriegsmüdigkeit und militärischen Fehlern. Im August 1937 fällt Hinz bei den Kämpfen vor Madrid. Vor einem Frontalangriff des Bataillons wagt er sich aus der Deckung und wird von einer Kugel in die Brust getroffen.

Was Hirschinger kritisiert, ist der antifaschistische Heldenkult der DDR-Oberen um Hinz. Der Referent will versachlichen. Sonst, so Hirschinger, bleibt auch heute nur das in Erinnerung, was in der DDR aus der Biografie von Hinz, einem mutigen Mann, gemacht wurde.