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DDR-Musical DDR-Musical: Vor dem Vergessen bewahren

Von Sophia Möbes 03.02.2014, 19:19
Das Ostrockmusical begeistert die Zuschauer im Kurhaus.
Das Ostrockmusical begeistert die Zuschauer im Kurhaus. PÜLICHER Lizenz

BERNBURg/MZ - Seit der Uraufführung 2009 in Tangermünde tourt das Stendaler Ensemble mit dem Musical „Über sieben Brücken“ durch das Land, und war bereits zum dritten Mal im ausverkauften Bernburger Kurhaus. Das Stück begann bereits an der Saaltür. Grenzsoldaten in DDR-Uniformen verlangten die Pässe der Zuschauer, unterstützt von einem Helfer der Volkspolizei.

Das Bühnenbild zeigt eine Strandbar in Warnemünde. Eine Putzfrau (Julia Lehmann) bedient bei ihrer Arbeit witzig altbekannte Klischees wie das „Pfeffi“-Trinken aus der Flasche unter dem Tresen oder den Einsatz von Spucke beim Tische reinigen. Sie hat einen Neffen, Micha (Dirk Soukup), in Westberlin, der sie finanziell unterstützt. Auch er erfüllt alle Vorurteile bis hin zum Angebot, Westgeld „zu einem vernünftigen Kurs zu tauschen“. Musiktitel wie „Du kennst die Eisdame nicht?“, „In der Mocca-Milch-Eisbar“ und „Versuch es doch mal mit Champagner“ oder „Hurra, hurra, der Bus ist da, wir fahren an den FKK“ verleiten zum Schmunzeln, reißen das Publikum aber noch nicht vom Hocker. Das ändert sich bei „Erna kommt“, „Du hast den Farbfilm vergessen“ und „Jetzt kommt dein Süßer“. Entscheidend weiter getragen wird die Handlung durch den Wunsch von Kellnerin Nicole und ihrem Freund Tommy (Holger Götzky), die Welt sehen zu wollen, und Tommy, der in einer Band spielt, möchte so gern Jeans und eine „richtige“ Gitarre.

Micha bietet an, beide mit Hilfe seines „OM Blaubär“, eigentlich Peter aus Sachsen (Torsten Ladwig), in den Westen zu schmuggeln, gegen ein Entgelt. Doch der Fluchttunnel ist nicht fertig. Also muss der Mercedes als Fluchthelfer-Fahrzeug dienen. Damit kann aber nur eine Person geschmuggelt werden. Als Micha und Peter dem Pärchen offenbaren, dass erst nur Tommy in den Westen kann, verabschieden sie sich.

Nach vielen Wirrungen trifft auch Nicole im Westen ein. Jetzt wäre das Glück der beiden perfekt, tönten da nicht von der anderen Seite der Mauer die unterschiedlichsten Geräusche und Nachrichten herüber: Die Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR sind im Gange, „Wir sind das Volk-Rufe“, die Flucht von 3000 DDR-Bürgern von Ungarn aus.

Dieser Teil lebt auch von Titeln wie „Ich liebe jede Stunde“, „Der Himmel schweigt“, und schließlich der „Sonderzug nach Pankow“, im Hintergrund begleitet von „Mauerspechten“ und einem Feuerwerk. Das Stück wird von vielen liebevollen Gags unterstützt: Die Schlagersüßtafel spielt mehrfach eine Rolle, Tante Erna singt das Honecker-Bild als ihren „Hugo“ an und trommelt darauf ein, damit er ihr die Tür öffnet, die „Aktuelle Kamera“ berichtet über Erntehelfer in Stendal und AK-Sprecher Klaus Feldmanns Porträt weist auf die Pause hin. Die Witze sorgen für eine gewisse Leichtigkeit in ernsten Situationen.

Erstaunlich, wie das Ensemble mit Songs von Karat, den Puhdys, Veronika Fischer, Silly, Nina Hagen, Ute Freudenberg und weiteren eine Liebesgeschichte der Wendezeit glaubwürdig und gekonnt vermittelte, die das Publikum am Ende nicht auf den Stühlen hielt.