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Das Dorf in dem die Engel(s) wohnen

Von HEIKO WIGRIM 20.12.2009, 16:36

ENGELSDORF/MZ. - Und da man Engel gemeinhin kaum einmal zu Gesicht bekommt, ist auch Engelsdorf auf keiner Landkarte zu finden. Und doch existiert es, denn das Ortseingangsschild weist den Namen groß und deutlich schwarz auf gelb aus.

Einer der Bewohner von Engelsdorf ist Hanno Engel. Er kann Licht in die Sache mit dem Dorf der Engel bringen. "Engelsdorf heißt eigentlich Cörmigk, Neue Siedlung." Mit der Gebietsveränderung zum 1. Januar 2010 wechselt der Ort nach Könnern. "Der Volksmund nennt die Stelle hier Hohendohndorf", sagt Engel. Doch nach dem Krieg hielt sich für lange Zeit der Name "Bönigs Höhe" für den Flecken.

"Mein Großvater Walter Bönig hat hier 1949 den Grundstein für diese Siedlung gelegt, indem er ein Betonwerk errichtete", erzählt Engel. Eigentlich war Walter Bönig ein Luftfahrtpionier und hatte in den 30er Jahren ein Luftbildunternehmen. "Gleich nach dem Krieg war es Aus mit der Fliegerei und auch später durfte es kein privates Flugunternehmen geben." Neben dem Betonwerk betrieb sein Großvater noch Landwirtschaft. "Bis 1960 hat mein Großvater noch hier gelebt. Als man ihm dann seine Firma weggenommen hat, ist er in den Westen gegangen."

Seine Eltern blieben, dafür wurden sie ebenfalls enteignet und mussten Miete zahlen für ihr eigenes Haus, in dem sie wohnten. "1973 durften sie ihr eigenes Haus von der Gemeinde kaufen." Ende der 70er Jahre wurde das Betonwerk geschlossen, es arbeitete wohl nicht mehr rentabel genug. "Ich habe 1984 das Grundstück mit dem Betonwerk gemeinsam mit meiner Frau Angela gekauft", erinnert sich Engel. Bedingung des Kaufs war, dass er auf dem Gelände ein Haus bauen darf. "Wir wollten, dass das Gelände hier in Familienbesitz bleibt", erklärt Engel den Kauf. Im Außenbereich einer Gemeinde zu bauen, sei weder damals noch heute einfach gewesen. Aber schließlich klappte es. Nach der Wende habe auch sein Bruder hier sein Haus gebaut - er kombinierte Firmensitz und Privathaus.

"Auf die Idee, unseren jetzigen Familienstammsitz 'Engelsdorf' zu nennen, ist mein Vater Rudi, Fleischermeister im Ruhestand, gekommen", blickt Hanno Engel zurück. Der ließ sich einfach ein kleines gelbes Ortsschild anfertigen und am Rande der Siedlung aufstellen. Am 11. Juni 2000 sei dies gewesen. "Anlässlich seines 72. Geburtstages im Jahr 2003 haben wir ihm das große Schild geschenkt", enthüllt Hanno Engel das Geheimnis des Ortsnamens. Das Schild übrigens war zu DDR-Zeiten ein Ortseingangsschild und ist von den Abmessungen größer als die heute üblichen. "Wir müssen es nur bald aktualisieren lassen - dort steht nämlich noch 'Landkreis Bernburg' drauf, aber Engelsdorf liegt ja bekanntlich im Salzlandkreis."

In Engelsdorf hat es nach Engels Worten auch schon eine Volkszählung gegeben. "Hier wohnen derzeit neun Personen, zwei Hunde, zwei Pferde, eine Katze, diverse Ziervögel und fünf Hühner."

Probleme mit den Behörden befürchtet Hanno Engel nicht. "Das ist hier alles Privatbesitz - von der Hauptstraße vorn bis hier hinten, wo unsere Häuser stehen." Und in seinem Garten oder auf seiner Wiese könne man bekanntlich aufstellen, was man wolle. "Selbst die Polizei war schon mal hier und hat sich das Schild angeschaut. Die haben sogar Fotos gemacht." Passiert sei aber nichts. Schließlich störe das Schild niemanden. Und inzwischen heiße die Siedlung eben Engelsdorf. "Mein Bruder hat sogar mal eine Postkarte bekommen, auf der als Adresse Engelsdorf angegeben war."

Die Engel von Engelsdorf sind recht rührige Leute. Immerhin vier Firmen haben sich in dem Flecken angesiedelt. "Alternative Energieerzeugung" heißt die Firma von Hanno Engels Frau Angela. Sein Bruder Gundolf betreibt die Firma "Engel Elektrotechnik". Das Unternehmen "Engel Hydraulikservice" gehört seinem Bruder Jochen. Hanno Engel selbst ist Chef der Firma "Finanzdienstleistungen in Sachsen-Anhalt".

Es gib noch viel mehr Parallelen zu den "echten" Engeln. Beispielsweise lieben Engel die Musik - und ebenso die Engel von Engelsdorf. "Ich selbst habe bis zur Wende in Köthen bei "Sensit" Keyboard gespielt", zählt Hanno Engel auf. Bruder Jochen hat eine eigene Band: "Crazy May". Nichte Anica Engel spielt Saxophon und singt bei "Skowl". Und Neffe Marcus ist Schlagzeuger in diversen Projekten - beispielsweise bei "Mina Harker". "Er war auch in Bernburg bei dem Geheimauftritt von Annemarie Eilfeld als Schlagzeuger dabei."

Engelsdorf hat in diesem Jahr auch eine eigene Glocke bekommen. "Ich habe das Dach des alten Brunnenhauses saniert und dabei eine Glocke in den neuen Dachstuhl einbauen lassen", erzählt Hanno Engel. Momentan sei er noch dabei, eine Läutordnung zu erarbeiten. Fest steht schon: "Geläutet wird bei einem Engel-Geburtstag morgens um 10 Uhr." Auch an Feiertagen soll der helle Fis-Ton über das Anwesen der Engel erschallen.

Selbst das Privileg der Engel, fliegen zu können, macht ihnen Hanno Engel streitig. Den Wolken ein Stück näher ist er, wenn er sich mit seinem Flyke - einem dreirädrigen Drahtesel mit Gleitschirm und Propellerantrieb - in die Lüfte erhebt. "Ich bin Schönwetterpilot", gibt Hanno Engel zu, der bei seinen Rundflügen aber immer den Fotoapparat dabei hat. Sein "Flughafen" liegt übrigens auf der Wiese des Hobbyfliegers Armin Bungestab aus Bobbe bei Drosa.

In Engelsdorf wohnt übrigens ein freundliches Volk. Verlässt man das Anwesen, grüßt die Ortsausgangstafel: "Tschüss bis bald in Engelsdorf".