Corona und wirtschaftliche Folgen Corona und wirtschaftliche Folgen: Angezogene Handbremse im Fuhrpark

Bernburg - Es ist kein gutes Zeichen für ein Taxiunternehmen, wenn der gesamte Fuhrpark auf dem Hof steht. Die Autos müssen fahren, um Geld reinzubringen. Bei Sven Altzschner dreht sich seit Tagen und Wochen nicht mehr viel. Als Taxiunternehmer spürt er die Auswirkungen von Kontaktsperren, Schulschließungen und ausfallenden Großveranstaltungen unmittelbar. Und mit voller Wucht.
„Seit zwei Wochen habe ich Einbußen in Höhe von 90 Prozent“
„Seit zwei Wochen habe ich Einbußen in Höhe von 90 Prozent“, sagt der Chef über acht Fahrzeuge und sechs Angestellte. Knapp drei Fahrten pro Tag - mehr sind es nicht im Moment. Vor allem der ausbleibende Schülerverkehr trifft ihn hart: „Der macht etwa die Hälfte aller Fahrten aus.“ Aber auch sonst: Die Leute gehen nicht mehr raus, treffen sich nicht mehr, fahren seltener zum Einkaufen. Was ihm geblieben ist, sind nur einige wenige Daueraufträge. So fährt er noch Blut fürs Krankenhaus und einige Krebspatienten, die für die Bestrahlung jeden Tag in die Klinik müssen.
Kurzarbeit hat der 50-Jährige für seine Fahrer bereits angemeldet, aber er könne sie auch nicht komplett nach Hause schicken: „Wir haben eine Betriebspflicht, es kann ja immer mal was passieren. So wie neulich erst, als ein älterer Herr im Treppenhaus seiner Wohnung gestürzt war und ins Krankenhaus gebracht werden musste.
Kommt keine Hilfe, geht in zwei Monaten das Licht aus
„Wenn die zugesicherten Hilfen nicht kommen, machen wir hier in zwei Monaten das Licht aus“, fasst Sven Altzschner die dramatische Lage zusammen. Denn die monatlichen Kosten in Höhe von etwa 20.000 Euro für Personal und Fuhrpark sind einfach zu hoch, wenn die Einnahmen derart gering sind. Zumal er ja auch ständig investieren muss.
„Jedes meiner Autos fährt knapp 100.000 Kilometer im Jahr, hält also drei oder vier Jahre.“
Und als wäre das nicht schon schlimm genug, droht bei all dem auch noch die Gefahr der Ansteckung mit dem Corona-Virus. Schließlich sitzt man mit den Kunden in einem engen Auto. Deshalb nehmen Sven Altzschner und seine Fahrer nur noch einen Gast pro Fahrt mit – und zwar hinten rechts, um möglichst viel Platz dazwischen zu lassen. Er habe sich auch schon überlegt, nur noch mit Großraumtaxis zu fahren. „Aber die älteren Leute kommen schlechter in diese Fahrzeuge rein.“
Auch eine Plexiglasscheibe zwischen der Vorder- und Rückbank sei keine Lösung: „Die nimmt der Tüv nicht ab.“ Wenn die bei Vollbremsung zu Bruch ginge oder der Fahrgast dagegen pralle, könne Schlimmes passieren.
Krankenfahrten als Rettung
Deutlich entspannter ist die Lage bei Wolfram Judenhahn. „Bei mir hat sich nicht viel geändert“, sagt der Herr über drei Taxis. Das liegt vor allem daran, dass er sich weitgehend auf Krankenfahrten spezialisiert hat, die auch in Corona-Zeiten noch stattfinden - solche von Dialyse- und Strahlenpatienten zum Beispiel. Schülertransporte hat er ohnehin nicht. Zwar sei die Laufkundschaft merklich weniger geworden, „aber bislang werden wir noch gebraucht“.
Allerdings geht ihm langsam das Desinfektionsmittel aus, mit dem er den Innenraum seiner Autos regelmäßig putzt. Selbst unter den kleinen Taxiunternehmen sticht Wolfram Judenhahn mit seinen drei Fahrzeugen noch einmal heraus. Doch dank der festen Fahrten, die von den Krankenkassen bezahlt werden, kann er sagen: „Noch ist Arbeit da, noch muss ich keinen Konkurs anmelden.“
Aktuelle Situation ist eine andere Liga als bisherige Ereigenisse
Im vergangenen Jahr hatte das Taxiunternehmen Altzschner mit Sitz am Zepziger Weg seinen 30. Geburtstag gefeiert. Sven Altzschners Vater Wilfried habe mit einem grünen Wartburg angefangen. Vieles habe man in dieser Zeit erlebt und überstanden. Die Währungsumstellung etwa, als der Euro die D-Mark ablöste. „Keiner wollte damals Geld ausgeben.“
Aber die aktuelle Situation sei noch mal eine ganz andere Liga. „Es wäre traurig, wenn es so zu Ende geht.“ Doch schon im nächsten Satz schwingt auch wieder etwas Hoffnung mit: „Bevor wir hier komplett zuschließen, versuchen wir so lange durchzuhalten, wie es geht.“ (mz)