Buchbinderei Hesse in Bernburg Buchbinderei Hesse in Bernburg: Handwerk in der vierten Generation

Bernburg - Um eines würden wir Matthias Hesse in diesen Tagen der Hitze und des endlos fließenden Schweißes alle beneiden. Um einen herrlich temperierten Arbeitsplatz in unmittelbarer Nähe der Saale, ganz tief hinten in seiner Werkstatt am Markt 30. Kaum mehr als 20 Grad herrschen in den Räumen, in denen er seiner Arbeit nachgeht.
Und das bald 20 Jahre lang, denn 2018 feiert der Buchbinder in vierter Generation genau dieses Jubiläum. Der Handwerksbetrieb wurde 1906 von seinem Urgroßvater Max gegründet. Es folgten sein Großvater mit dem Dichternamen Hermann Hesse. 1998 hat Matthias Hesse dann den Betrieb von seinem Vater Joachim übernommen. Wie es nach ihm weitergehen wird, weiß Matthias Hesse noch nicht, denn sein Sohn und seine Tochter haben andere Berufe erlernt. „Aber vielleicht steigen ja einmal die Enkel in diesen Beruf ein“, sagt er.
Arbeit mit großer Bandbreite
Noch macht ihm dieser nicht mehr alltägliche Beruf riesigen Spaß. Dass er den ganzen Tag allein arbeitet, stört ihn nicht. Auch daran, dass das Geschäft nicht das gesamte Jahr über gleichmäßig brummt, hat sich Matthias Hesse gewöhnt. Ebenso wie an die buchhalterischen Arbeiten, die ein Buchbinder eben auch erledigen muss. „Am Anfang des Jahres haben die öffentlichen Ämter ihre Gelder noch nicht bewilligt bekommen. Da hakt es mitunter. Auch im Sommer flaut das Geschäft ein wenig ab. Aber im zweiten Halbjahr wird es dann deutlich besser“, erklärt Matthias Hesse.
Die Bandbreite seiner Arbeit ist groß. Sie reicht vom Minibuch bis zur großen Zeitung. Vom Aufarbeiten alter Bücher oder Ämterakten über das Binden von Bachelor-, Master- und Diplomarbeiten, Dissertationen oder Zeitungen wie dieser, die zu Monats- und Jahrgangsbänden gebunden werden.
Studenten der Hochschule Anhalt schätzen den Service
Gerade die Studenten schätzen seinen Service, denn „wer seine Studienarbeit heute bei mir abgibt, kann sie morgen schon wieder abholen“, sagt Hesse, der natürlich davon profitiert, dass Bernburg eine Hochschule hat. „Man weiß es doch aus jahrelanger Erfahrung. An der Arbeit wird bis zum letzten Tag geschrieben. Und dann muss es mit dem Binden aber ganz schnell gehen.
Er macht fast alles, was mit Büchern zu tun hat. Aber wirklich auch nur fast alles. „Wenn jemand mit Büchern aus dem 17. Jahrhundert kommt, dann winke ich auch einmal ab. Das ist Arbeit für Restauratoren und die sollen das dann auch machen“, sagt er.
Auch Ministerien und der Landtag sind Auftraggeber
Um seine Geschäfte abzuwickeln oder Aufträge zu generieren, pendelt Matthias Hesse nicht selten zwischen Bernburg und Hamburg, Hildesheim und vor allem Magdeburg, „denn die Ministerien und die Landtagsverwaltung sind wichtige Auftraggeber“, wie er sagt. Sein bislang größter Job führte ihn vor wenigen Jahren nach Hamburg.
Für die dortigen Bücherhallen musste er zahlreiche Leihbücher aufarbeiten und beispielsweise mit Schutzfolien versehen. „Das war dann nicht mehr mit dem Pkw zu bewältigen. Da habe ich mir extra einen Transporter gemietet, um die große Anzahl an Büchern hin und her transportieren zu können“, erzählt Matthias Hesse.
In seiner Werkstatt stehen Pappscheren und Pressen aus den 20er und 30er Jahren direkt neben Schneidmaschinen der heutigen Generation, „die schon mal den Wert eines guten Autos haben“, wie der Meister wissen lässt. Rund 1 000 Kilogramm Pappe - wenige Millimeter starke Platten in der Größe 100 mal 70 Zentimeter - verarbeitet Matthias Hesse pro Jahr. Dank der Maschinen geht ihm die Arbeit leicht von der Hand. „Das anstrengendste sind die Transportarbeiten“, sagt Hesse, „wenn ich die Bücher abhole oder dann wieder ausliefere mus man schon ordentlich zupacken.“
Beruf hat sich kaum verändert
Wie steht es in einem so alten und traditionsreichen Handwerk eigentlich mit der Weiterbildung? „Die grundlegenden Techniken dieses Berufs haben sich über Jahrhunderte kaum verändert“, erklärt Matthias Hesse. Was die Materialien anbetrifft, da melden sich die Hersteller in der Regel bei ihm. Interessiert ihn das Angebot, fährt er hin und schaut es sich vor Ort an. „Lehrgänge und Weiterbildungsseminare sind eher selten.“
Im Urlaub zum Beachen
Seine 47 Jahre sieht man Matthias Hesse nicht an. Der Buchbinder ist fit wie ein Turnschuh. Viele Jahre hat er an jedem Wochenende Volleyball im Verein gespielt. „Heute mache ich das nur noch in der Freizeit, um etwas für die Gesundheit zu tun und fit zu bleiben. Manchmal tausche ich den Volleyball auch mit einem kleineren und gehe auf den Tennisplatz“, sagt er. Und an einem wird seit Jahren nicht gerüttelt - am Sommerurlaub. Drei Wochen müssen sein. Und wo fährt ein passionierter Volleyballspieler da natürlich hin? „An die Ostsee zum Beachen.“ (mz)