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Bernburg Bernburg: Ein kleiner Raser erobert die Sportwelt

Von torsten adam 17.07.2012, 18:23

bernburg/MZ. - Speedminton? Das ist eine neue Sportart, die immer mehr Anhänger auf der ganzen Welt findet und die vom gebürtigen Bernburger Bill Brandes erfunden worden ist.

Als damals siebenjähriger Junge hatte er mit seiner Familie 1959 seine Heimat in Richtung Westdeutschland verlassen. Die Erinnerungen an seine "schöne Kindheit" sind kaum verblasst: Die Zeit im Kindergarten Trenkel, die Einschulung in die Heine-Schule, die erste Radtour nach Peißen, die Ruderversuche auf der Saale bei Reimanns. "Einmal Bernburger, immer Bernburger", ist der heute 60-Jährige stolz auf seine Herkunft und hofft, über seine Facebookseite wieder Kontakte zu Bernburgern knüpfen zu können.

Auf einem Bauernhof an der Jacobstraße, den seine Großmutter geerbt hatte, war er aufgewachsen. 1959 entschied sich seine Familie, der DDR den Rücken zu kehren. Mit Oma, Mutter und zwei Brüdern, aber "nur mit den Sachen, die wir am Leib trugen", fuhr Brandes mit der S-Bahn nach West-Berlin - zum Glück ohne Kontrolle. Nach einer Odyssee durch mehrere Flüchtlingslager wurde der Familie im Allgäu eine Wohnung zugewiesen. Richtig angekommen in Bayern fühlte sich Brandes aber nie. Nach abgebrochener Kaufmannslehre - "ich war da nur Botengänger, wollte eigentlich Kosmonaut werden" - zog es ihn in die weite Welt. Als 15-Jähriger heuerte er auf einem Schiff an, die erste Reise führte den jungen Seefahrer nach Zentralamerika. Nach vier Jahren auf den Weltmeeren zog es ihn wieder an Land. "Ich war mein ganzes Leben ein Abenteurer, schlug mich überall durch", erzählt Brandes, der in Frankreich, Dänemark, Spanien, der Schweiz, Mexico und Peru lebte.

1989 kehrte er nach Deutschland zurück, erlebte in West-Berlin den Mauerfall hautnah mit. Ein freudiges Ereignis für ihn, denn "ich fühlte mich schon immer als Gesamtdeutscher."

Man schrieb das Jahr 1993, als Bill Brandes eine bahnbrechende Idee kam - beim regelmäßigen Federballspielen im Park. Immer wieder gingen Bälle und Schläger kaputt. Er machte sich ans Tüfteln, fand im Erzgebirge eine Firma, die seine Wünsche realisierte: Einen strapazierfähigen Ball, der auch bei Windstärke 4 noch gespielt werden kann. Der so genannte Speeder (zu deutsch: Raser) aus Plastik hat eine Kappe aus synthetischem Kautschuk mit 16 Mulden, die sich Brandes von Golfbällen abguckte. Der Korb ist kürzer als bei einem Federball und dank einer ausgeklügelten Form stabil in der Flugbahn - und vor allem schnell. Bis zu Tempo 360 sei möglich. 1999 waren Ball und Schläger fertig. In Berlin fand der Tüftler eine Firma, die nicht nur das Equipment entwickelte, sondern die neue Sportart auch vermarktete.

Ulrich Wilhelm Brandes, so sein eigentlicher Name, gab sich aus Marketinggründen fortan den Namen Bill - inspiriert von US-Präsident Bill Clinton, der wegen seiner Liebesaffäre "damals in aller Munde war."

Vor zwei Jahre zog Brandes von Berlin auf die Kanareninsel Fuerteventura - "weil das Projekt mittlerweile auf eigenen Füßen steht." Millionär geworden ist er mit seiner Erfindung nicht, aber es lasse sich davon ganz gut leben. Kinder hat der Abenteurer nicht. "Aber eine Freundin, die schon Großmutter ist." Und wer weiß, was noch passiere. "Ich hätte ja auch nicht gedacht, dass ich auf meine alten Tage noch Erfinder werde" - übrigens der letzte noch lebende einer Rückschlagsportart.

Bill Brandes will sich auf der Ferieninsel keineswegs zur Ruhe setzen. Er hat neue Pläne, will einen Freizeitball entwickeln, der nichts mit Speedminton zu tun hat. Dann selbst als Fabrikant, vielleicht sogar mit Produktion in Bernburg, wenn sich hier Investoren finden.