56-Meter-Koloss B 185 nach Aken: Schwerlasttransport - 398 Tonnen rollen durch Anhalt-Bitterfeld

Bernburg/Peißen - Es ist kurz vor 22 Uhr am Donnerstagabend auf dem Parkplatz an der B185 zwischen Güsten und Ilberstedt. Aus einem Fahrerhaus dröhnt der harte Sound von „Rammstein“. Kai Hartung stimmt sich mit harten Tönen auf eine harte, oder zumindest anstrengende, Nacht ein. Denn ihm steht die Fahrt mit einem 56-Meter-langen, 4,10 Meter breiten und 4,75 Meter hohen Koloss bevor: Hartung wird in dieser Nacht mit seinem Kollegen Ottmar Längst einen Schwertransport mit einem Gewicht von 398 Tonnen vom Parkplatz an der B185 nach Aken (Kreis Anhalt-Bitterfeld) fahren.
Ruhe und Erfahrung
Dabei ist Hartung die Ruhe selbst. Eine der wichtigsten Eigenschaften, die der Fahrer eines Schwerlasttransportes besitzen sollte. Die zweite ist: Erfahrung. Und auch die hat Hartung. Besonders Kurven, enge Straße, unvorhergesehene Baustellen - und Kreisverkehre sind für gewöhnlich eine Herausforderung für die Fahrer der riesigen Transporte. Und von den Kreisverkehren gibt es auf der Fahrt bis Peißen gleich mehrere.
Es ist der erste Schwerlasttransport, der auch über den umgebauten Kreisel in Peißen rollen wird. Rund ein weiteres Dutzend wird wohl bis Ende September folgen, schätzt Volker Seyd, Fachgruppenleiter Straßenverwaltung und -verkehr der Landesstraßenbaubehörde in Magdeburg, der den Transport in dieser Nacht bis nach Peißen begleitet.
253 Tonnen schwerer Generator
Doch bis der Transport dort ankommen wird, sollen noch mehr als zwei Stunden vergehen. Geladen hat die 22-Achs Hänger-Kombination, der von einer vierachsigen Zugmaschine von „Man“ gezogen wird, einen 253 Tonnen schweren Generator von Siemens. „Diese Generatoren-Klasse wurde erstmals in Erfurt gebaut“, weiß Christian Pilz, Niederlassungsleiter der Firma Bohnet in Erfurt, die den Schwerlasttransport organisiert. Der Generator soll vom Siemens-Werk in Erfurt zum Hafen nach Aken gebracht werden, wo er auf ein Schiff verladen werden soll.
Weil Groß- und Schwertransporte von Erfurt nach Aken derzeit die reguläre Strecke über die A14 zwischen Plötzkau und Könnern wegen einer Baustelle nicht nutzen können und auch die Umleitungsstrecke über die Landesstraße 146 durch Bernburg derzeit wegen Bauarbeiten gesperrt ist, musste der Kreisverkehr in Peißen kurzfristig für 12.000 Euro - Geld, das im Zuge der Bauarbeiten auf der L146 verrechnet wird, umgebaut werden. Vor allem musste die Kreisel-Innenfläche abgesenkt werden. Die Fahrt über B6 n sei indes keine Alternative wegen gleich mehrerer Brücken, die die Last vermutlich nicht tragen würden, so Volker Seyd von der Landesstraßenbaubehörde.
In der Nacht zu Donnerstag war der Transport in Erfurt gestartet. Zwei Zugmaschinen mit 680 PS sind im Einsatz: Die eine zieht, die andere schiebt. „Eine darf nur 250 Tonnen bewegen“, erläutert Pilz. Außerdem seien zwei Maschinen besser für die Kurvenfahrten.
Parkendes Auto im Weg
Inzwischen ist es kurz nach 22 Uhr und Kai Hartung rollt mit dem gigantischen Gefährt langsam vom Parkplatz an der B185. Es geht über den ersten Kreisverkehr nach Ilberstedt und von dort nach Bernburg. Erstmals brenzlich wird es in der Kurve vom Kaiplatz in die Krumbholzstraße. In dem Bereich ist es nicht nur ziemlich eng - dort parkt auch noch ein Auto im Halteverbot. Die Polizei muss erst den Halter ausfindig machen: Dieser wohnt zum Glück in der Nähe und fährt seinen Wagen beiseite.
Weiter geht es für den 56 Meter langen Koloss in Richtung Molkerei-Kreuzung und schließlich über die Annenbrücke. Im Schritttempo rollt der Transport über das Bauwerk. Zügig - sofern das mit einem solchen Transport möglich ist - geht es weiter über Bahnhof- und Parkstraße ehe der Zug am Louis-Braille-Platz stoppt. Dort müssen erst die Verkehrsschilder vom „Voraus-Trupp“ abgebaut und Holzbohlen an den Bordsteinkanten verlegt werden. Endlich kann Kai Hartung losfahren: Zentimeter für Zentimeter schiebt er den Koloss wie durch ein Nadelöhr nach links auf die Hallesche Straße. Bis ganz dicht an den Fußweg.
Die Reifen scheinen von der Last in der Kurve fast erdrückt zu werden. Doch bis die Holzbohlen, die hörbar unter dem Gewicht knacken, passiert nichts. Kai Hartung hält lässig eine Zigarette zwischen den Fingern und meistert diesen Kreisverkehr mit seiner ganzen Routine und fährt zügig weiter Richtung Ortsausgang, bis er vor dem nächsten Kreisverkehr am Krakauer Berg zum Stehen kommt.
Der ist zwar vergleichsweise harmlos - nicht besonders hoch oder eng - aber trotzdem müssen erst die Kanten des Granitsteins mit Holzbohlen „gepolstert“ werden. Denn bei der Last, die auf den Reifen liegt, reiche unter Umständen eine beiläufige scharfkantige Berührung und der Reifen ist hin, sagt Volker Seyd.
Kurs auf Peißen
Es ist kurz nach Mitternacht, als der Schwerlasttransport Kurs auf Peißen nimmt. Dort sind die Begleitleute schon wieder dabei, die Verkehrsschilder abzubauen und Holzbohlen auszulegen. Hartung lenkt den Koloss behutsam nach rechts, fährt dabei auch über jenen Bereich des Kreisels, der vorsorglich entfernt wurde. „Es ist gut so, dass wir einen Teil der Innenfläche weggenommen haben. Sonst wäre er über den Bordstein gefahren“, sieht sich Volker Seyd bestätigt in der Entscheidung, den Kreisverkehr für die großen Transporte umzubauen, solange keine andere Strecke zur Verfügung steht.
Danach kann der Transport die Fahrt fast entspannt fortsetzen: Es geht über Ilbersdorf und Gerlebogk nach Köthen und von dort nach Aken. Gegen vier Uhr morgens kommen Hartung und seine Kollegen am Hafen an. Wie die Reise dann für den Generator weitergeht, kann Logistik-Experte Christian Pilz nicht sagen. Nur so viel: „Meist werden solche Generatoren für Kraftwerke verwendet.“ Die beiden Fahrer indes, die die wertvolle Fracht sicher zum Hafen gebracht haben, haben sich da längst aufs Ohr gehauen und erholen sich von der anstrengenden Nacht. (mz)


