Ausbildung während der Pandemie? Ausbildung während der Pandemie?: Vom Hörgeräteakustiker bis Mechatroniker

Bernburg - Kurzarbeit, eingeschränkter Betrieb, Einsparungen: Die Corona-Krise trifft den Arbeitsmarkt hart. Aber auch bereitet sie Jungen und Mädchen Probleme, die kurz vor ihren Abschlussprüfungen stehen, durch die Unterbrechungen des Schulbesuches sind sie verunsichert. Wieso sich Jugendliche trotzdem nicht bei der Ausbildungssuche entmutigen lassen müssen und wie es aktuell um den Lehrstellenmarkt steht, erklärt die Chefin der Arbeitsagentur in Bernburg, Anja Huth.
Wie steht es um den Ausbildungsmarkt im Salzlandkreis?
Anja Huth: Die Auswirkungen sind bereits zu spüren. Im Mai hatten sich 180 Jungen und Mädchen weniger, im Vergleich zum Mai 2019, bei der Agentur für Arbeit Bernburg gemeldet, das sind knapp 20 Prozent weniger. Insgesamt suchten weniger als 750 Jugendliche eine Lehrstelle. Demgegenüber stehen knapp 975 Ausbildungsstellen zur Verfügung. Die Unternehmen im Salzlandkreis haben 15 Prozent weniger Ausbildungsstellen angezeigt. Wie es aussieht, werden wir erst in den nächsten Monaten konkret anhand der Daten und Fakten wissen.
Wie wirkt sich Corona auf den Ausbildungsmarkt aus und was kann die Arbeitsagentur tun?
Bereits zwölf Wochen nach Beginn der Coronakrise die Auswirkungen auf dem Ausbildungsmarkt abschließend zu beurteilen, halte ich für schwierig, allerdings können wir alles dafür tun, dass Jungen und Mädchen einen Ausbildungsplatz im Salzlandkreis finden und unsere Arbeitgeber bestärken, dass sie weiterhin ausbilden. Irgendwann wird die Krise vorbeigehen und das Fachkräfteproblem und die demografische Entwicklung holt die Unternehmen ein. Ich möchte an die Arbeitgeber appellieren, an ihren Ausbildungen festzuhalten, denn mehr als 350 Jungen und Mädchen suchen noch eine Ausbildung.
Wie sieht es in den verschiedenen Regionen im Kreis aus?
Vergleicht man die Regionen des Salzlandkreises, so sind in Bernburg und Umgebung 30 Prozent weniger Ausbildungsstellen zum Mai 2019 durch Arbeitgeber gemeldet worden. Demgegenüber haben sich auch ein Viertel, genau wie in Aschersleben, weniger Jungen und Mädchen für eine Ausbildungsstelle in ihrer Arbeitsagentur gemeldet. Aschersleben hat aber keinen Rückgang bei der Meldung der Ausbildungsstellen zu verzeichnen, knapp 180 Lehrstellen haben im Mai Arbeitgeber zur Besetzung angezeigt. In Staßfurt und Umgebung wurden fünf Prozent weniger Ausbildungsstellen angezeigt, ganz anders der Bewerberrückgang um knapp 19 Prozent. An der Elbe in Schönebeck und Umgebung wurde jede zehnte Ausbildungsstelle nicht gemeldet und in einer ähnlichen Größe (12,6 Prozent) haben Jungen und Mädchen bisher noch nicht ihren Beratungs- und Vermittlungsbedarf angezeigt.
Werden in der Corona-Krise weniger Ausbildungsstellen gemeldet?
Die Aktivitäten zur Anbahnung von Ausbildungsverhältnissen - von der Meldung bei der Agentur für Arbeit Bernburg über Beratung, Vermittlung bis hin zu den Entscheidungsprozessen in den Unternehmen - finden seit den Entscheidungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie eingeschränkt statt. Es werden aber nach wie vor Ausbildungsstellen gemeldet und Bewerberinnen und Bewerber teilen den Abschluss eines Ausbildungsvertrages mit, allerdings nicht in demselben Umfang, wie sonst.
Von Oktober 2019 bis Mai 2020 zeigen sich bei den gemeldeten Ausbildungsstellen und bei den gemeldeten Bewerberinnen und Bewerbern gleichermaßen spürbare Rückgänge, wobei sich die rechnerischen Chancen auf eine Ausbildungsstelle gegenüber dem Vorjahr nicht wesentlich verändert haben. Nach wie vor übersteigt die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen die der gemeldeten Bewerber. Grundsätzlich ist dabei zu beachten, dass das Meldeverhalten von Jugendlichen sowie Ausbildungsstellen zeitlich nicht synchron ist. Zudem bleibt abzuwarten, wie sich die wirtschaftlichen Einschränkungen bis zum im Spätsommer und im Herbst anstehenden Ausbildungsbeginn weiter auswirken.
Welche Branchen suchen aktuell vor allem Azubis?
Knapp 40 Prozent (fast 200 Lehrstellen) aller noch zur Verfügung stehenden Ausbildungsstellen sind im industriell geprägten Salzlandkreis im verarbeitenden Gewerbe zu finden. Dazu gehören zum Beispiel die Herstellung von chemischen Erzeugnissen, die komplette Metallbe- und -verarbeitung und die Herstellung von Nahrungsmitteln, um nur einige zu nennen. Im Ranking an zweiter Stelle ist mit etwa 15 Prozent der Einzel- und Großhandel, sowie die Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen zu finden. Fast jede zehnte freie Ausbildungsstelle findet sich im Baugewerbe.
Bei welchen Berufen haben Bewerber gute Chancen?
Gute Chancen bestehen gerade jetzt in folgenden Ausbildungsberufen: 32 Ausbildungsstellen zum Hörgeräteakustiker stehen im gesamten Salzlandkreis zur Besetzung an. 17 Jungen und Mädchen werden im Kreis außerdem für eine Ausbildung zum Industriemechaniker gesucht und 6 Ausbildungsstellen sind für den bei Jugendlichen hoch im Kurs stehenden Kraftfahrzeugmechatroniker im Angebot.
Was raten Sie den Unternehmen und den Jugendlichen?
Zunächst ermutige ich die Betriebe, auch in dieser schwierigen Lage, bei der Ausbildung nicht nachzulassen. Denn wir werden nach der Krise wieder über dringend benötigte Fachkräfte reden.
Aber auch die Jugendlichen sollten sich nicht von der aktuell unsicheren Lage entmutigen lassen: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, sich um einen Ausbildungsplatz zu kümmern und nach dem Schulabschluss eine Ausbildung zu starten. Ich empfehle unsere digitalen Angebote, etwa sie Stellenbörse oder unser Erkundungstool „Check U“. Wenn Jungen und Mädchen in diesen Tagen eine Absage von ihrem Ausbildungsbetrieb bekommen, sollten sie nicht gleich den Kopf in den Sand stecken. Es gibt noch Ausbildungsstellen im Salzlandkreis und wir können mit den Schülern und den Eltern über Überbrückungsmöglichkeiten und Alternativen reden. Nur sollten sich die Jugendlichen sofort unter 03471/6890 110 melden und mit einem Berufsberater der Arbeitsagentur Bernburg sprechen.
Wie beraten Sie derzeit die jungen Menschen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz und die Betriebe bei der Suche nach geeigneten Bewerbern?
Wir setzen in diesem Jahr noch intensiver auf digitale Angebote. Wir können mit den Arbeitgebern gemeinsame Lösungen suchen, denn Auszubildende sind die Fachkräfte von morgen. Wir können über Möglichkeiten sprechen und Unterstützung geben, um die Ausbildung trotzdem zu sichern. Neben der Sicherung der Geldleistungen, wie Arbeitslosengeld I und Kurzarbeitergeld, unternehmen wir alle Anstrengungen, dass mit Beratung und verlässlichen Unterstützungsleistungen die Betriebe und Bewerber, auch in unsicheren Zeiten, sicher zueinanderfinden können. Eines ist klar: Wir werden nach der Krise wieder über einen hohen Fachkräftebedarf, auch im Salzlandkreis reden.
Wo findet man virtuell eine Ausbildungsstelle?
Wer das eigene Smartphone oder Tablet für die Stellensuche nutzen möchte, kann dies am einfachsten über die App „AzubiWelt“ tun. Unter „Berufe oder Stellen suchen“ einfach den Ausbildungsberuf eingeben. Wer nicht genau weiß, wie der Beruf wirklich heißt, findet auf www.berufenet.arbeitsagentur.de die richtige Bezeichnung und auch ganz viele Alternativberufe, die man mal einfach ausprobieren kann.
(mz/ruc)