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Angst Mut und Hoffnung Zeitzeugen berichten von den ersten Demonstrationen im Herbst 1989 in Aschersleben: Angst Mut und Hoffnung

Von Katrin Wurm 11.10.2019, 07:56
Aufnahmen von 1989 und Erinnerungen der Zeitzeugen in der Stehanikirche.
Aufnahmen von 1989 und Erinnerungen der Zeitzeugen in der Stehanikirche. Gehrmann

Aschersleben - Nicht Mut war es, der Marko Litzenberg im Oktober 1989 antrieb, an den Montagsdemonstrationen in Aschersleben teilzunehmen. Es sei Angst gewesen. „Angst vor einer ungewissen Zukunft“, sagt er am Mittwochabend zur Gedenkveranstaltung der Rotary Clubs Salzlandkreis in der Stephanikirche Aschersleben.

Genau 30 Jahre nach der ersten großen Demonstration in Leipzig und später auch in anderen Städten haben die Rotary Clubs des Kreises zu einer Gedenkveranstaltung zur Friedlichen Revolution eingeladen.

„Wir wollen an die Menschen erinnern, die den Mut aufbrachten, auf die Straße zu gehen, um für Veränderungen zu kämpfen“, leitet Detlef Gürth, Präsident des Rotary Clubs Aschersleben, die Gedenkveranstaltung ein.

Marko Litzenberg, Eberhard Müller und Clemens Seeber berichteten von den Ereignissen im Herbst 1989

Nach der Andacht von Pfarrerin Anne Bremer berichten Zeitzeugen, wie sie den Herbst 1989 erlebt und mitgestaltet haben. Marko Litzenberg, Zeitzeuge aus Aschersleben, Eberhard Müller aus Staßfurt und Clemens Seeber aus Bernburg berichten von diesen aufwühlenden Tagen. Sie haben an den Demonstrationen in ihren Heimatstädten teilgenommen.

Was hat sie damals angetrieben? „Ich hatte Angst vor einer unsicheren Zukunft, vorm Eingesperrt-Sein. Angst war mein Antrieb, etwas zu tun, auf die Straße zu gehen. Und es war sicher auch ein Stück jugendlicher Leichtsinn“, erzählt Marko Litzenberg, der damals 19 Jahre alt und im Kreiskirchenamt beschäftigt war.

Als im Oktober 1989 auf dem Stephanikirchhof die ersten Menschen zu den Montagsdemonstrationen zusammenkamen, schlossen er und Gleichaltrige sich an. „Wir haben miteinander geredet. Wir wollten nicht, dass eine Riege alter Männer unsere Zukunft zerstört.“

Litzenberg spannt einen Bogen ins Heute zu „Fridays for Future”

Litzenberg spannt einen Bogen ins Heute zu den Demonstrationen rund um Fridays for Future. „Wieder gehen junge Menschen auf die Straße. Auch sie haben Angst um ihre Zukunft. Das ist wie bei uns damals. Wir wollten einen Systemwechsel und die jungen Klima-Demonstranten wollen es heute auch“, sagt Marko Litzenberg und zeigt Sympathie mit den Schülern, die fürs Klima und den Umweltschutz auf die Straße gehen.

Clemens Seeber, Tierarzt aus Bernburg, war im Oktober 1989 55 Jahre alt. Eine andere Generation als Litzenberg. Seeber, der für zwei LPG tätig war, wollte etwas am System verändern und nahm deshalb an den Demonstrationen teil. „Ich fühlte mich von der Staatsmacht erdrückt“, begründet er.

Auch der Staßfurter Eberhard Müller, Jahrgang 1944, berichtete als Zeitzeuge von den Umbrüchen vor 30 Jahren. „Ich wollte Frieden - ohne Waffen.“ Er nahm an Mahnwachen in der katholischen Kirche in Staßfurt teil. „Wir haben viel miteinander geredet. Uns war wichtig, dass wir Pressefreiheit, Reisefreiheit und freie Wahlen bekommen. Das war unser Ziel.“

„Ich wollte Frieden - ohne Waffen“, erzählt Eberhard Müller aus Staßfurt

„Es gab damals unglaublich viel Hoffnung, dass sich etwas ändert. Eine Hoffnung auf Veränderung. Die Menschen haben sich damals die Hände gereicht und waren stark und hoffnungsvoll“, sagt Pfarrerin Anne Bremer in ihrer Andacht. Denn damals sei es vor allem die Sehnsucht nach Frieden gewesen, die die Menschen anspornte. Ein Frieden, der auch heute wieder in Gefahr sei, so Bremer weiter. „Dieses schreckliche Ereignis in Halle zeigt das.“

Zum Thema 30 Jahre Mauerfall gibt es am 9. November ein Bürgerfest auf dem Marktplatz. Vorher, ab 17 Uhr, ist eine Andacht in der Stephanikirche geplant.

Am 18. November, 19 Uhr, findet im Bestehornhaus das Aschersleber Gespräch statt. Darin geht es um Mauern, Identität, Versöhnung und Freiheit. Auch hier werden Zeitzeugen berichten. (mz)