Wie alles begann Wie alles begann: Das erste Mal mit einem wackligen "SG 38" abgehoben

Aschersleben - Es war ein Artikel in der MZ über die Geschichte des Flugplatzes in Aschersleben, der Siegfried Luther nicht mehr aus dem Sinn ging. So machte er sich auf, um nach den alten Schwarz-Weiß-Bildern im Kleinformat zu suchen, die ihn an seine Zeit als Flugpionier erinnern. Vielleicht wie kein anderer in unserer Region, kann der rüstige Rentner (Jahrgang 1927) auf eigene Flugaktivitäten in Aschersleben zurückblicken, die über 80 Jahre hinter uns liegen.
Luther schnappte sich die vergilbten Aufnahmen und verabredete sich mit Interessenten des Ascherslebener Flugplatzes zu einer Erinnerungsstunde. Namen und Ereignisse wurden erörtert, die schon vergessen schienen und bei den „alten Hasen“ in der Runde Erinnerungen weckten.
Im Keller des Gymnasiums Flugzeugmodelle gefertigt
Siegfried Luther ist ein echter Möhrenkopp und war Schüler der „Mittelschule“, später Lübenschule und nun Sitz der Kreisvolkshochschule, Standorte Aschersleben.
Er kann sich noch gut daran erinnern, dass Jungen und Mädchen durch einen hohen Drahtzaun in seiner Schule in der Augustapromenade voneinander fern gehalten wurden. Aber sein Interesse galt sowieso mehr der Technik, und so gefielen ihm besonders die Herausforderungen im Werkunterricht. Dort sprach sich auch herum, dass man im Keller des Gymnasiums Flugzeugmodelle fertigte, was noch verlockender war.
Am Hang zwischen Quenstedt und Arnstedt war es endlich soweit, und die Praxis sollte den Beweis erbringen, ob die selbst gebauten Modelle wirklich flugtauglich waren.
Gelernt, wie ein Flieger von A bis Z zusammengebaut wurde
Bei den Modellen sollte es nicht bleiben, denn in den Werkstätten der „Melle“ (damals „Neuer Kaffeegarten“) wurden unter fachlicher Anleitung richtige Segelflieger gebaut und repariert. Hier lernte Siegfried also, wie ein Flieger von A bis Z zusammengebaut wurde, einer, mit dem man vielleicht einmal selbst in die Luft gehen könnte.
So war es nur folgerichtig, dass der Wunsch entstand, das Fliegen zu erlernen. In dieser Zeit - Ende der 1930er Jahre - gab es jedoch hier noch keinen Flugplatz, obwohl schon 1931 eine Segelfliegergruppe in Aschersleben gegründet wurde.
Es fanden sich immer mehr Enthusiasten zusammen, die das motorlose Fliegen erlernen wollten. Dazu musste mit den Freunden vorerst nach Ballenstedt gefahren werden, wo an den Gegensteinen bereits 1932 ein Segelflugplatz bestand.
Zum Start braucht man eine eingespielte Mannschaft
Auf dem wackligen „SG 38“ (Schulgleiter 38) hielt Siegfried Luther zum ersten Mal den Steuerknüppel in der Hand und bewegte mit den Fußpedalen die Querruder.
Um in die Luft abzuheben, war eine eingespielte Mannschaft und Muskelkraft erforderlich. An der Vorderseite des Seglers zogen rechts und links je sechs Jungen an Gummiseilen, die an der Rumpfvorderseite befestigt waren. An der Heckseite hielten vier Knaben den SG 38 fest, damit sich vorn die Gummiseile spannen konnten. Auf Kommando rannten die zwölf Ziehenden den abschüssigen Berg herunter und der Segler wurde von der Haltemannschaft im richtigen Moment losgelassen.
Nun konnte unter Nutzung von Wind, Geschwindigkeit und Thermik der Flug für die ersten Meter beginnen. „Man saß im Freien und konnte die Elemente direkt wahrnehmen“, erinnert sich Luther.
Das Jahr 1942 war für die Geschichte des Ascherslebener Flugsportes von besonderer Bedeutung. Da wurde begonnen, einen eigenen Flugplatz auf dem Gelände am Wilslebener See zu errichten. Die mühsamen Fahrten zu benachbarten Flugplätzen konnten entfallen. Außerdem wurde nun ein motorgetriebener Seilzug angeschafft, welcher Pilot und Segler in die Luft schleppte.
Flugausbildung wurde am Junkersfeld perfektiomiert
Sigfried Luther hatte sich inzwischen zu einem begeisterten und talentierten Segelflugpiloten gemausert. Gern erinnert er sich daran, als er auf dem Flugplatz Heeseberg bei Jerxheim in der „B-Prüfung“ seine ersten Kurven im Segelflieger meisterte.
Mit der Nutzung des neu angelegten Flugplatzes am Junkersfeld konnte die Flugausbildung in Aschersleben perfektioniert werden. Den „C-Schein“ erwarb Luther aber an der Reichssegelflugschule am Höhenzug des Ith im Weserbergland. Allerdings war zu dieser Zeit der Weltkrieg bereits in vollem Gang.
Als Minderjähriger in die Endphase des Weltkrieges geworfen
Luther konnte zwar seine Berufsbildung in der Maschinenfabrik „Billeter“ abschließen, wurde aber, noch minderjährig, in die Endphase des Weltkrieges geworfen. Damit war auch für ihn das Ende der Segelflugausbildung gekommen. Nach dem Krieg ließen es Studium sowie familiäre und berufliche Verpflichtungen in der „Wema“ nicht zu, dass er seine Pilotenlaufbahn fortsetzen konnte.
Heute erinnert sich Siegfried Luther gern an die Zeit, als das Segelfliegen seine liebste Freizeitbeschäftigung war. Nach dem Weltkrieg dauerte es in Aschersleben bis 1955, ehe die ersten Gleitflugzeuge wieder starten und landen konnten. 1960 wechselte der Ascherslebener Segelfliegerverein seinen Standort und zog an die Güstener Straße, wo er auch heute noch zu finden ist. (mz)
