«Werkleiter» im Ehrenamt
Aschersleben/MZ. - Nein, bereut hat er es nie. "Die Schwierigkeiten waren da, aber der Erfolg wiegt alles auf", sagt Helmut Lange. Der Ascherslebener hat die damalige Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft "Einigkeit" mit aus der Wiege gehoben, er war ihr erster Vorsitzender und blieb das bis 1991. "Es war immer die schönste Zeit, wenn man die Erfolge sah."
Die Situation in jenen Jahren nach dem Krieg ist heute nur noch schwer vorstellbar, sagt Helmut Lange. Viel Wohnraum war zerstört und der Zustrom von Flüchtlingen, der Wiederaufbau der Industrie, der Menschen aus dem Umland anlockte, hatten die Wohnungsnot weiter steigen lassen. Hildegard und Helmut Lange suchten damals ihr erstes eigenes Domizil - und fanden es schließlich: "Das Zimmer 16 Quadratmeter, die Wände schräg, Wasser aus dem Keller, die Entsorgung auf dem Hof, dazu ein Plumpsklo", listet Helmut Lange auf, was damals Alltag war.
Durch seinen Bruder erfuhr der Ascherslebener, der ab 1950 - zunächst als Schlosser, später als Meister, Technologe und schließlich Abteilungsleiter - in der Werkzeugmaschinenfabrik (Wema) arbeitete, dass sich in Sachen Wohnungen etwas tun könnte. Doch 2 400 Mark für Anteile (für Eintritt und Wohnung) an einer zu gründenden Genossenschaft und das bei einem Verdienst von 570 Mark, dazu 600 Arbeitsstunden. . .? Und es dauerte noch eine Weile, bis klar war, dass eine Genossenschaft sich nicht nur mit einem, sondern ebenso mit mehreren Betrieben als Träger bilden könnte. Am 15. Dezember 1955 war es dann soweit: Die Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft "Einigkeit" wurde gegründet. Und aus den Reihen ihrer ersten 36 Mitglieder, delegiert aus den Trägerbetrieben Wema, Abus, Optima und EKM, wurde ein Vorstand gewählt und als dessen Vorsitzender Helmut Lange.
Jener Anfang - das war die schwierigste Zeit, sagt der langjährige Vorsitzende heute. "Es gab ja keine Erfahrungen, man musste sich alles selbst erarbeiten." Helmut Lange erzählt von den Schwierigkeiten, ein Büro einzurichten, davon, dass es fast aussichtslos war, einen Telefonanschluss zu bekommen, und wie der Vorstand "mit einer Zeichnung unterm Arm" selbst auf die Suche gehen musste - nach Bauland, einem Projektanten, Ausbaubetrieben, einer Finanzierung. . . "In dieser Situation formt sich natürlich ein Kollektiv. Das Kollektiv ist entscheidend für das Gelingen der Arbeit. Und ein gutes familiäres Verhältnis", sagt Helmut Lange mit Blick auf seine Frau, die ihm in all den Jahren vieles abgenommen und Schreibarbeiten erledigt hat.
Als 1956 die ersten Bauprojekte in der Leopold- und der Prof.-Dr.-Walter-Friedrich-Straße starteten, waren auch die Langes dabei, um ihre Arbeitsleistungen für die künftige Wohnung zu erbringen. "Das Ausheben für den Keller, das war damals unsere Arbeit", erinnert sich Hildegard Lange. Die Arbeiten organisieren und Buch führen, sich um Material kümmern, Kontakte zu den Trägerbetrieben halten - all das hatte der Vorstand zu leisten. "Die Aufgabe, die der Vorsitzende hat, ist die, die heute ein Werkleiter hat", beschreibt Helmut Lange. Nur eben ehrenamtlich, neben der beruflichen Tätigkeit im Betrieb. Dennoch: "Man ist zufrieden, wenn die Bautätigkeit einsetzt, wenn man es wachsen sieht." Wie es war, als die Wohnungen dann übergeben werden konnten? "Wie Weihnachten", schwärmt der heute 83-Jährige.
Übrigens: Hatte so mancher während der Bauphase dieser ersten Wohnungen angesichts der zur Straßenseite hin errichteten Räume, die Bad oder Kinderzimmer werden sollten, noch über die "Karnickelkäfige" gespottet, änderte sich das schnell: Die Genossenschaft hatte nach der Fertigstellung eine Wohnung zur Besichtigung frei gegeben - und erhielt danach großen Zulauf.
Mit der Gründung des Kreisbaubetriebes, mit dem für das Bauen Ansprechpartner zur Verfügung standen, mit dem Einsatz des ersten hauptamtlichen Geschäftsführers Helmut Conrad ab Oktober 1959, mit dem Ablösen der Ziegelstein- durch die Großblock- und später die Großplattenbauweise wurde manches leichter. Doch: "Die Verantwortung blieb", sagt Helmut Lange.
Übrigens: In ihrer 1957 bezogenen Wohnung, für die die Langes Arbeitsstunden und ihren finanziellen Beitrag geleistet haben, wohnen die beiden noch heute. Und fühlen sich wohl wie am ersten Tag. "Wir waren damals so froh, als wir hier eingezogen sind", sagt Hildegard Lange. "Wir wohnen hier wirklich sehr schön."